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1. Internationales und europäisches Recht

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Einigkeit[288] besteht, dass die Einführung eines Verbandsstrafrechts nach den Vorgaben des internationalen und europäischen Rechts nicht verpflichtend ist. Vorschriften zur Verantwortlichkeit juristischer Personen gehören heute zwar zum „Standardrepertoire“,[289] jedoch sind stets nichtstrafrechtliche Lösungen zulässig. Hierin spiegelt sich wider, dass zahlreiche Rechtsordnungen die Strafbarkeit juristischer Personen früher nicht vorsahen und trotz des Trends in den Auslandsrechten zur Einführung von Verbands- bzw. Unternehmensstrafrechten (Rn. 92) eine derartige rechtliche Verpflichtung bislang nicht konsensfähig ist.

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Auf der internationalen Ebene lassen es das „Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität“ vom 15. November 2000 und das „Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption“ vom 31. Oktober 2003 ausreichen, dass die Verantwortlichkeit juristischer Personen „strafrechtlicher, zivilrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Art“ ist (Art. 10 Abs. 2 bzw. Art. 26 Abs. 2). Offen bleibt hierbei zudem, an wessen Straftaten angeknüpft wird (Art. 10 Abs. 1: „Teilnahme“, „Begehung“ durch die juristische Person; Art. 26 Abs. 1: „Beteiligung“). Ebenso genügen nach den Empfehlungen der Financial Action Task Force (FATF) vom Februar 2012[290] straf-, zivil- oder verwaltungsrechtliche Sanktionen (Nr. 35). Nach dem „Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr“ der OECD vom 17. Dezember 1997 ist dagegen weitergehend sicherzustellen, dass juristische Personen – sofern sie in einer Rechtsordnung nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können – „wirksamen, angemessenen und abschreckenden nichtstrafrechtlichen Sanktionen einschließlich Geldsanktionen“ unterliegen (Art. 3 Abs. 2).

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Der Europarat appellierte in seiner „Empfehlung Nr. R (88) 18“ vom 20. Oktober 1988[291] zwar an die Mitgliedstaaten, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen vorzusehen, hob aber zugleich hervor, dies sei nicht das einzige Mittel. Das spiegelt sich in den Konventionen wider. So muss z.B. nach dem „Übereinkommen über die Computerkriminalität“ vom 23. November 2001 nur sichergestellt werden, dass juristische Personen „wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden strafrechtlichen oder nichtstrafrechtlichen Sanktionen oder Maßnahmen, einschließlich Geldsanktionen“, unterliegen (Art. 13 Abs. 2). Die Verantwortlichkeit knüpft gemäß dem Zurechnungs- oder Repräsentationsmodell (Rn. 124) an die Straftat einer natürlichen Person in einer „Führungsposition“ bzw. die „mangelnde Überwachung oder Kontrolle“ seitens einer natürlichen Person in einer Führungsposition an, welche die Begehung einer Straftat zugunsten der juristischen Person „durch eine ihr unterstellte natürliche Person“ ermöglicht hat (Art. 12 Abs. 1 und 2).

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Auch in der EU mussten bereits nach dem vom Rat ausgearbeiteten „Zweiten Protokoll zum Übereinkommen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften“ vom 19. Juli 1997 die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass gegen juristische Personen Sanktionen verhängt werden, zu denen „strafrechtliche oder nichtstrafrechtliche Geldsanktionen gehören und andere Sanktionen gehören können“ (Art. 4).[292] Wiederum ist eine Verantwortlichkeit der juristischen Person für ihre Führungspersonen gemäß dem Zurechnungs- oder Repräsentationsmodell (Rn. 124) festgelegt. Entsprechende Regelungen enthalten die nachfolgenden Rahmenbeschlüsse und Richtlinien.[293] Auch die neue Richtlinie (EU) 2017/1371 „über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug“ verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu sicherzustellen, dass gegen eine juristische Person „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verhängt werden können, zu denen Geldstrafen oder Geldbußen gehören und die andere Sanktionen einschließen können“.

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Eine Strafbarkeit „juristischer Personen und Vereinigungen“ sah bislang nur das auf eine Initiative der Europäischen Kommission in den 1990er Jahren zurückgehende, damals mangels Strafrechtskompetenzen der EU nicht umgesetzte Projekt eines „Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der EU“ vor (Art. 14 in der Fassung von 1998[294]; Art. 13 in der Endfassung von 2000[295] – sog. Corpus Juris Florenz). Die Verantwortlichkeit sollte auch hier gemäß dem Zurechnungs- oder Repräsentationsmodell (Rn. 124) an die Begehung von Straftaten durch Organe, Vertreter oder andere Personen „mit Entscheidungsbefugnis“ anknüpfen.

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Allerdings ist in den letzten Jahren der rechtspolitische Druck auf Deutschland gewachsen. So empfahl z.B. die OECD im Frühjahr 2011,[296] den deutschen Gerichten weitere Sanktionen gegen juristische Personen zur Verfügung zu stellen. In einer Mitteilung zur europäischen Strafrechtspolitik vom 20. September 2011[297] führte die EU-Kommission aus, die geltenden Rechtsvorschriften hätten bisher „die Wahl der Art der Haftung juristischer Personen für begangene strafrechtliche Handlungen immer den Mitgliedstaaten überlassen“. Angekündigt wurde, die „Effizienz des Sanktionssystems“ ebenso zu prüfen wie „die Frage, in welchem Ausmaß und aus welchem Grund es mit bestehenden Sanktionen nicht gelingt, die gewünschte Umsetzung zu erreichen“. Es ist daher zu erwarten, dass die Anforderungen an das Verbandssanktionenrecht wachsen werden.

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