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f) Strafrechtliches Risiko und gesellschaftliche Verantwortung

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Schließlich trifft es zu, wenn die Befürworter eines Verbandsstrafrechts angeben, das „Strafrechtsrisiko“ für juristische Personen bzw. Personenvereinigungen sei gegenwärtig nur ein individuelles und kein institutionelles Risiko ist, da nur den Leitungspersonen Strafe droht.[401] Die gesellschaftliche Verantwortung der Verbände ist mindestens ebenso groß, wenn nicht gar größer als die natürlicher Personen. Verbände nehmen in großem Umfang am Wirtschaftsleben teil. Durch die Globalisierung ist die Tendenz zu Zusammenschlüssen und damit zur Bildung von „Global Players“, die ökonomisch und gesellschaftlich ein großes Machtpotential haben, erheblich gewachsen.[402] In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit werden Wirtschaftsstraftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden, häufig weniger Individualtätern, sondern dem Unternehmen insgesamt zugeordnet.[403] Es ist deshalb unangemessen, ausschließlich Individualtäter strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, nicht aber Unternehmen, die als juristische Personen bzw. Personenvereinigungen verfasst sind.[404] Diese Unternehmen haben dadurch gegenüber Einzelunternehmern einen (Wettbewerbs-)Vorteil.[405] Hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortung dürfen sie nicht besser gestellt sein als andere Unternehmensträger.[406] Die Einführung eines Verbandsstrafrechts ist damit auch eine Frage der (System-)Gerechtigkeit.

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Da eine Kriminalstrafe die stärkste präventive und repressive Wirkung hat, darf die Öffentlichkeit erwarten, dass der Staat die Unternehmenskriminalität auf die effektivste Art und Weise bekämpft.[407] Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass zwar gegen Individualtäter rigoros vorgegangen wird, nicht aber gegen verbandsmäßig organisierte Unternehmen. Die Existenz eines Unternehmensstrafrechts würde das Vertrauen der Allgemeinheit in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung fördern,[408] könnte die Funktion eines „Ventils“ erfüllen, durch das sich die sozialethische Missbilligung der Rechtsgemeinschaft Geltung verschaffen und der Rechtsfrieden gesichert werden kann.[409] Wenn die Gegner eines Verbandsstrafrechts anführen, das Strafrecht müsse als ultima ratio eingesetzt und auf den Schutz der wichtigsten Grundregeln für das soziale Verhalten beschränkt bleiben, sei keine „politische Allzweckwaffe“, dürfe nicht zu einem „willkürlich einsetzbaren Instrument staatlicher Machtausübung ausarten“,[410] so ist ihnen in vollem Umfang zuzustimmen – ein künftiges Verbandsstrafrecht würde aber gerade nicht gegen den ultima ratio-Grundsatz verstoßen.

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Zutreffend hat Vogel[411] darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten ist, eine „Mindestparallelität“ mit dem Strafrecht für Menschen sicherzustellen, so dass die Nichtbestrafung von juristischen Personen und Personenvereinigungen einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG[412] darstellen könnte. Diese „Mindestparallelität“ ist allerdings bereits im bisherigen System gewahrt, da schon lange umstritten ist, ob ein Verbandsstrafrecht dogmatisch möglich sowie rechts- und kriminalpolitisch erforderlich ist. Diesbezüglich steht dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, von der er mit der Einführung der Verbandsgeldbuße vor Jahrzehnten Gebrauch gemacht hatte. Damit ist ein „Verbandsstrafrecht im weiteren Sinne“ entstanden, das eine hinreichende kriminalitätsdämpfende Wirkung entfaltet. Defizite bei Anwendung und Vollzug stellen dieses System, das ausgebaut werden kann, nicht grds. in Frage, selbst wenn ein Verbandsstrafrecht eine gleichmäßigere und stärkere Wirkung hätte und angemessener (Rn. 116) erscheint.

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