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1. Einleitung; einheitlicher Hochschulbegriff und Differenzierungen
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Das deutsche Hochschulrecht – seit 1976 ausgehend vom ggf. zur Disposition stehenden Hochschulrahmengesetz[1] (HRG) – ging zwar von der Differenzierung des Hochschulsystems aus, gleichwohl betonte das HRG beispielhaft in § 1 S. 1 den gemeinsamen Ober- und Sammelbegriff „Hochschulen“. Dabei waren in Satz 1 nur die staatlichen Hochschulen nach Maßgabe des Landesrechts gemeint. Rechtlich ließ sich zunächst gemäß § 1 S. 1 und S. 2 HRG die Differenzierung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Hochschulen ausmachen, bezüglich der zweiten Gruppe mit der Möglichkeit der staatlichen Anerkennung nach § 70 HRG und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften. Die Aufzählung der einzelnen Hochschularten („die Universitäten, die Pädagogischen Hochschulen, die Kunsthochschulen, die Fachhochschulen“) in § 1 HRG geschah erst mit der Novellierung durch das 3. HRGÄndG 1985.[2] Sie war recht vollständig, aber nicht abschließend, wie der Verweis auf das Landesrecht zeigt („und die sonstigen Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind“). Insoweit ist von verschiedenen Hochschulen, geordnet nach Hochschularten, auszugehen, die einem gemeinsamen Hochschulbegriff verpflichtet sind. Dies wird auch nach einer ev. Aufhebung des HRG weiterhin von Bedeutung sein und für die Landesgesetzgeber eine ihre Hochschularten prägende Aufteilung bilden.
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Dieser einheitliche und die Hochschularten zusammenfassende Hochschulbegriff nimmt daher Einfluss auf das Hochschulrecht der Länder. Ungeachtet der unterschiedlichen Regelungen in Einzelfragen und bezüglich verschiedener Problemstellungen, auf die in den folgenden Kapiteln einzugehen ist, muss hervorgehoben werden, dass das deutsche Hochschulrecht den tertiären Bildungsbereich nicht nur im Wesentlichen auf einen Begriff bringt („Hochschulen“), sondern auch diesen Begriff mit einem gemeinsamen und weitreichenden rechtlichen Rahmen versieht. Dieser Rahmen mit etlichen Variationsmöglichkeiten bezieht sich prinzipiell auf alle Bereiche des Hochschulrechts und der Hochschulverwaltung, nämlich auf
– | den Status der Hochschulen und deren Aufgabenbestimmung |
– | das Korporationsrecht und dessen Erscheinungsform „Gruppenhochschule“ |
– | das Dienst- und Besoldungsrecht |
– | das die Hochschulen betreffende Haushalts- und Wirtschaftsrecht |
– | das Recht von Studium und Prüfungen |
– | das Recht der Außenbeziehungen und Kooperationen untereinander und mit Dritten |
– | und auf die rechtlich geprägten Anforderungen an Verwaltung von Hochschulen (mit dem sich in Veränderung befindlichen Topos der Einheitsverwaltung und den beiden Bereichen der Selbstverwaltung einerseits und der Hochschuladministration i.e. Sinne anderseits, beide mit ihrem Wandel zum „Hochschulmanagement“). |
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Dabei ist einleitend aus der Sicht der Praxis auf die folgenden Gesichtspunkte einzugehen:
– | materieller und formeller Hochschulbegriff (dazu 2., Rn. 5 f.) |
– | Probleme mit dem formellen Hochschulbegriff (dazu 3., Rn. 7) |
– | bisherige Fokussierung auf das Universitätsrecht (dazu 4., Rn. 8) |
– | Wandel des Hochschulsystems (dazu 5., Rn. 9 ff.) |
– | Variationsbreite des Landesrechts (dazu 6., R. 14). |
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Bevor man diesen Punkten und danach den Besonderheiten der einzelnen Hochschularten nachgeht, kann festgestellt werden, dass in diesem Beitrag auf das lange im Zentrum der hochschulpolitischen und auch hochschulrechtlichen Diskussionen stehende Modell und den Typ der Gesamthochschule, womit die verschiedenen Hochschularten zusammengeführt werden sollten, kaum noch eingegangen zu werden braucht.[3] Eine solche Betrachtung wäre im Wesentlichen historischer Natur. Dagegen geht es in diesem Buch um die derzeitige und abzusehende Hochschulpraxis und das diesbezügliche Recht. Nachdem die Fokussierung auf die Gesamthochschule aus dem HRG seit langem verschwunden ist,[4] hat auch das Land NRW, das sich als nahezu einziges[5] diesem Modell intensiv und an mehreren Standorten über einen Zeitraum von ca. 30 Jahren gewidmet hat,[6] dieses Projekt und diese Hochschulart spätestens im Jahre 2002 für beendet erklärt: „Die Gesamthochschulen in Nordrhein-Westfalen haben aufgrund ihres Ausbaustandes, ihrer Personalstruktur, ihres Forschungsprofils und der Studiengangstruktur keine realistische Chance, sich nach den Maßstäben des internationalen Wettbewerbs in Lehre und Forschung zu behaupten. Ihre integrierten Studiengänge haben sich insgesamt nicht bewährt.“[7] Drastischer kann man diese hochschulpolitische Abkehr nicht ausdrücken. Heute wird stattdessen auf das Zusammenwirken und die Kooperation der Hochschulen untereinander (auch über die Hochschularten hinweg) gesetzt und über die Verbindung zu „Clustern“ nachgedacht.[8] Dies ist aber ein anderer Ansatz als derjenige der Gesamthochschule (auch anders als das Modell der kooperativen Gesamthochschule), da es nicht mehr um ein primär studienreformerisch geprägtes institutionelles Gesamtgebilde mit landesweitem Anspruch nach einem gesetzlich verankerten Auftrag geht, sondern um die Zusammenführung von Ressourcen, die Steigerung von Effektivität und Effizienz und um Einzelfalllösungen auf der Grundlage von verschiedenen Zielvorgaben und einzelnen Vereinbarungen. Auch wenn weiterhin materiell Ideen der bisherigen Gesamthochschulen sowohl in den Zielvorgaben der Gesetze als auch bei den Absichten der Exekutive vorhanden sind und sein werden, kann man nicht mehr vom institutionellen Modell der Gesamthochschulen sprechen. Der eigenständige Hochschultyp Gesamthochschule im institutionellen Sinne kann auf die Liste der ausgestorbenen Arten gesetzt werden.
Damit ist nicht gesagt, dass vorläufig oder gar endgültig auf die Bemühungen um gesamthochschuladäquate inhaltliche Verknüpfungen, Veränderungen und Wirkungen in Bezug auf die Zuweisung und Durchführung von Hochschulaufgaben – insbesondere im Hinblick auf die Lehre, das System der Studiengänge, die damit verbundenen Studienreformen und die Entwicklung und Stufung akademischer Abschlüsse, die sich aufeinander beziehen und aufeinander aufbauen – verzichtet worden sei. Das Gegenteil ist in Folge des „Bologna-Prozesses“ und der damit verbundenen Studien- und Hochschulreformen der Fall. Insoweit kann durchaus die Frage gestellt werden, inwieweit sich die Hochschularten in einem Angleichungsprozess befinden und dabei insbesondere die Universitäten „von oben“ und die Fachhochschulen „von unten“ im Sinne einer Konvergenz[9] mehr und mehr in die Rolle von Gesamthochschulen hineinwachsen, so dass dieser gesonderte Hochschultyp sich inzwischen auch deshalb institutionell überlebt hat, weil es nun ein gesamthochschuladäquates gestuftes Studiensystem in allen Hochschularten gibt. Ein Großteil der den Gesamthochschulen zu Grunde liegenden Ziele hat nun – prinzipiell alle Hochschulen erfassende – Verwirklichungsformen gefunden, jedenfalls was das Studium und die Ausgestaltung der Studiengänge und der berufsqualifizierenden Abschlüsse angeht. Etwas drastischer könnte man formulieren, dass das System der Gesamthochschulen zwar formell abgeschafft wurde, weil es sich nicht bewährt hatte (s. das obige NRW-Zitat), nun aber auf anderem Wege inhaltlich in die beiden großen Hochschularten Universitäten und Fachhochschulen (auch – aber weniger umfassend – in die Kunsthochschulen) eingedrungen ist und diese gegenwärtig und zukunftsbezogen wesentlich beeinflusst. So gesehen hat die Idee der Gesamthochschulen einen anfänglichen institutionellen Misserfolg, der sich auf ortsbezogene Pilotprojekte bezog, in einen strukturellen und flächendeckenden Erfolg verwandelt, der das Hochschulsystem insgesamt erfasst. Dies gehört durchaus zu den Mysterien deutscher Hochschulpolitik.
In den letzten Jahren seit Erscheinen der 2. Auflage dieses Handbuches hat sich dieser Prozess der Konvergenz der Hochschularten tendenziell verstärkt und weiterentwickelt, was indes auch zu erwarten war. Der Unterschied zwischen Universitäten und Fachhochschulen (dazu noch in den späteren Abschnitten dieses Beitrags) ist nicht nur durch die Namensgebung in Deutsch (Hochschule X statt Fachhochschule X) und Englisch (University of Applied Sciences) vom „Kunden“ kaum noch ohne zusätzliche Informationsbeschaffung im Einzelfall erkennbar, sondern schrumpft weiter in Bezug auf Aufgaben, Strukturen, Personalentwicklung und Angebotsumfang. Die im Wesentlichen letzte universitäre „Bastion“ des Promotions- und Habilitationsrecht ist in Bezug auf die Promotionen landesrechtlich teilweise (noch nicht flächendeckend) geschliffen und in Bezug auf die Habilitationen teilweise (ebenfalls noch nicht flächendeckend) obsolet geworden, da die Habilitation nach Maßgabe des Landesrechts und der örtlichen Praxis oft nur noch eine nützliche, aber nicht stets notwendige Einstellungsvoraussetzung für Professorinnen und Professoren an Universitäten bildet.
3. Kapitel Typisierung von Hochschulen: Pädagogische Hochschulen, Kunst- und Musikhochschulen, kirchliche Hochschulen, private Hochschulen › I. Hochschulen und Hochschularten › 2. Materieller und formeller Hochschulbegriff