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5. Wandel des Hochschulsystems
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Der seit einigen Jahren und auch gegenwärtig zu beobachtende Wandel des Hochschulsystems geht damit von den Universitäten aus, betrifft aber nicht nur diese.
Dieser Wandel bezieht sich erstens auf die Rechtsnatur und den Status der Hochschulen einschließlich deren Bindung an den Staat. Der frühere – sich seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland manifestierende und bei den Universitäten auf wichtigen Traditionen bis ins Mittelalter fußende – einheitliche Rechtsstatus deutscher staatlicher Hochschulen im Sinne einer Doppelnatur, nach der die staatlichen Hochschulen zugleich als sich selbst verwaltende Körperschaften des öffentlichen Rechts und als staatliche Einrichtungen (des Trägerlandes) gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 HRG alter Fassung konstituiert waren, ist zugunsten eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses nach § 58 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HRG der neueren Fassungen des HRG aufgegeben worden. Diese potentielle Modellvielfalt wird nach Aufhebung des HRG noch zunehmen, weil jeder Landesgesetzgeber umfassende Organisationsfreiheit (unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben) besitzt. Auch staatliche Hochschulen können nun andere Rechtsformen aufweisen, wovon bislang bereits insbesondere das Land Niedersachsen mit seinem Hochschulgesetz (NHG) vom 24.6.2002[23] und das Land NRW mit seinem Hochschulfreiheitsgesetz (HFG NRW) vom 31.10.2006[24] deutlich Gebrauch gemacht haben. Dennoch wird bleiben, dass man gesetzlich feststellen und rechtlich differenzieren muss, welche Zuständigkeiten bei den Organen der Selbstverwaltung liegen (die auch staatliche Vorgaben zu berücksichtigen haben) und inwieweit Zuständigkeiten der staatlichen Organe (insbesondere des zuständigen Landesministeriums) bestehen bleiben (vor allem in den Bereichen Planung, Finanzen und Personal). Darauf wird noch einzugehen sein. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass sich die hochschulrechtlichen Vorgaben in einem stetigen Wandel befinden und dabei – prinzipiell, aber unter wechselnden Ansichten im Detail – nachhaltig um das Grundproblem kreisen, was „des Staates“ sowie seiner Instanzen ist und was „der Wissenschaft und der Kunst“ sowie den Hochschulmitgliedern jeweils zukommt. Die Landesgesetzgebung spiegelt insoweit Ergebnisse der jeweiligen hochschulpolitischen Prozesse wider. Die dann erfolgenden Statusfestlegungen der Hochschulgesetze unterliegen dabei verfassungsrechtlichen Grundlagen, die zu beachten sind, worüber insbesondere das Bundesverfassungsgericht seit Jahrzehnten wacht.[25]
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Zugleich nahmen zweitens Gründung und Betrieb nichtstaatlicher (aber die staatliche Anerkennung anstrebender und dies auch benötigender) Hochschulen in den letzten Jahren deutlich zu.[26] Tendenziell wird dieser Prozess anhalten und sich verstärken. Dieser Bereich privater und staatlich anerkannter Hochschulen entwickelt damit zugleich ein größeres Selbstverständnis und kollektives Selbstbewusstsein. Auch wenn das Feld der privaten Hochschulen bislang im Vergleich zu den staatlichen Hochschulen in Deutschland immer noch ein eher kleines und eingeschränktes Segment darstellt (vor allem, wenn man den Anspruch eines inhaltlich vollständigen Angebots unter dem Stichwort der „Volluniversität“ erheben will und sich zudem nicht so sehr auf die privaten Hochschulen als zu zählende Institutionen, sondern auf die Zahlen der Lehrenden und Studierenden dieser Hochschulen insgesamt bezieht), vollzieht sich dennoch im tertiären Bildungsbereich in prinzipieller Hinsicht ein Wandel, den der Kunst- und Kulturbereich und das Rundfunkwesen (also der mit dem Bildungsbereich eng zusammenhängende Kultursektor) bereits längst durchlaufen haben: die Bildung eines dualen Systems mit einem „dritten Sektor“ als Verbindung zwischen Staat und Markt unter Diversifizierung der Gestaltungs- und Rechtsformen.[27] Rechtliche, wirtschaftliche und (hochschul-)politische Fragen als Folgen dieser Entwicklung zeichnen sich ab, worauf noch einzugehen sein wird. An dieser Stelle kann indes bereits zusammenfassend festgestellt werden, dass das deutsche Hochschulsystem – im Gegensatz zu denen anderer Staaten – heute immer noch weitgehend staatlich dominiert und ausgerichtet ist und dass sich an dieser beherrschenden Stellung öffentlich-rechtlicher und staatlich geprägter Strukturen in absehbarer Zeit kaum etwas in grundlegender Hinsicht ändern wird. Was eingetreten ist und zunehmen wird, ist, dass der zweite Sektor der privaten Hochschulen und der Einfluss des dritten Sektors als Kooperationsbereich zivilgesellschaftlicher Prägung (man denke nur an Formen der außerstaatlichen Drittmittelgewinnung und Kooperationsformen zwischen staatlichen Hochschulen und privaten Dritten) weiter zunehmen und stärker zu beachten sein werden. Man kann also von einem dualen oder differenzierten System staatlicher und privater Sektoren im tertiären Bildungsbereich sprechen, wobei die einzelnen Sektoren dieses Systems sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht unterscheiden. Eine solche Differenzierung des Hochschulbereichs in Staat, Markt und den dritten Sektor bezieht sich auf die vier Hochschularten (Universitäten, Fachhochschulen, Kunsthochschulen, duale Hochschulen, wobei die in diesem Beitrag genannten Angleichungsprozesse im Gange sind) und betrifft dabei vor allem das Typenpaar der staatlichen und privaten Hochschulen (mit Misch- und Kooperationsformen). Auch treten Personalunionen in der Weise verstärkt auf, dass Lehrende und Hochschulmitglieder zugleich für staatliche und private Hochschulen – in unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen – tätig sind. Die (Hochschul-)Politik kann, wenn sie auf Verlagerungen in privatrechtliche Strukturen drängt oder diese unterstützt, auf einen bestimmten Trend setzen, kann aber auch Gegenströmungen erfahren und rechtlich von der – insbesondere verfassungsrechtlichen – Rechtsprechung „zurückgepfiffen“ werden, wie die kürzlich erfolgte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Rechtsanforderungen von Akkreditierungen und deren Strukturen exemplarisch und nachdrücklich belegt.[28] Das Anerkennungswesen bezüglich der privaten Hochschulen (im Wesentlichen wahrgenommen durch die Landesministerien) und die dementsprechenden rechtlichen Grundlagen, auf die noch zu kommen sein wird, werden weiterhin ein Primat des Staates in Bezug auf Grundstandards der Organisation und der Erfüllung der Primäraufgaben der privaten Hochschulen definieren und – vor allem mittels des Rechtsinstituts des Verwaltungsakts – durchsetzen. Diese privaten Hochschulen sind insoweit kein „Aliud“, sondern eine Ergänzung des staatlichen Hochschulwesens durch Hochschulen in privater Trägerschaft nach Einzelfallprüfung. Die seit Jahren bestehende und weiterhin zu erwartende Finanzknappheit öffentlicher Haushaltsmittel und die Gründungsbereitschaft privater natürlicher und juristischer Personen werden in Bezug auf Bestrebungen in Richtung Privatisierung des Hochschulsystems zu einem „einerseits, anderseits“ führen: Einerseits ist festzustellen, dass die Verantwortung des Staates für das tertiäre Bildungswesen verbunden mit dem entsprechenden öffentlich-rechtlichen Instrumentarium nicht nur in der Vergangenheit sowohl verbindlich als auch zielführend war, sondern auch in Zukunft sein wird. Der Markt allein kann das System des tertiären Bildungsbereichs weder garantieren noch allein steuern, auch nicht als Segment, jedenfalls nicht aus deutscher Sicht. Insbesondere das Grundgesetz und die Landesverfassungen sehen das anders. Die Definition und Erfüllung von Bildungsaufgaben im föderalen Gefüge und die Gewährleistung der Privatautonomie bezüglich der Trägerschaft von Bildungseinrichtungen bergen Konfliktpotential. Denn das diesbezügliche Privatrecht unterliegt öffentlich-rechtlichen Grundbedingungen. In diesem Bezugsrahmen kann der Staat den Markt als zweiten Sektor des öffentlichen Bildungswesens und den dritten Sektor der Zivilgesellschaft mit Kooperationsformen zu den beiden anderen Sektoren dann nicht nur gewähren lassen, sondern unterstützen, wenn wesentliche Grundvoraussetzungen gewährleistet sind, die öffentlich-rechtlich zu garantieren und durchzusetzen sind. Diesbezüglich wird zwar anderseits die steigende Tendenz der Entwicklung eines dualen Hochschulsystems in Deutschland andauern und private Hochschulen werden sich als marktbezogene (zu bezahlende) Alternative für Studienbewerber, Studierende und als staatsferne Tätigkeitsfelder für Wissenschaftler (auch Künstler) stärker profilieren können. Aber es handelt sich nicht um einen Markt ohne staatlichen Einfluss. In diesem Zusammenhang ist exemplarisch auf jüngere Untersuchungen des Wissenschaftsrats hinzuweisen, der die privaten Hochschulen zunehmend in den Fokus genommen hat. Diese Untersuchungen beziehen sich insbesondere auf die Qualitätssicherung der privaten Hochschulen.[29] Der Wissenschaftsrat geht dabei insbesondere vom Begriff der „Hochschulförmigkeit“ aus, welche bei privaten Hochschulen nachhaltig sicherzustellen sei.[30] Ob dieser Begriff sprachlich – und international vermittelbar – gelungen ist, sei dahingestellt. Jedenfalls wird durch ihn im Sinne des oben Ausgeführten durchaus deutlich und auf einen Terminus gebracht, dass man vom tradierten Modell staatlicher deutscher Hochschulen als Plattform – gerade im Hinblick auf notwendige Qualität-Standards, aber auch in Bezug auf Strukturen und Verfahren – ausgeht und eine organisatorische und inhaltliche Adäquanz fordert, bevor man zulässt, dass eine private Hochschule ihren Betrieb mit dem Anspruch aufnimmt, akademische sowie berufsqualifizierende Abschlüsse (und Titel) zu vergeben. Der Staat nimmt immer noch ein Monopol hinsichtlich der Entscheidung wahr, wer derartige Abschlüsse und Titel unter welchen Voraussetzungen vergeben darf und wacht auch darüber bis hin zur Bewehrung durch Straf- und Ordnungswidrigkeitsbestimmungen. Dieser Ansatz bestimmt die Anerkennungs- und Akkreditierungsprozesse, ohne deren erfolgreiche Zertifizierung eine private Hochschule nicht handlungs- und konkurrenzfähig wäre. Das ist nicht nur als theoretische Prämisse und rechtliche Ausgangslage zu verstehen, sondern prägt die tägliche Praxis von Anerkennungs- und Aufsichtsverfahren des Staates gegenüber den privaten Hochschulen nach Maßgabe des Hochschulrechts des jeweiligen Landes.
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Der drittens festzustellende gegenwärtige Wandel im Hochschulsystem bezieht sich auf internationale Einflüsse, die besonders im Bereich des Studien- und Prüfungsrecht wirksam werden. Hier ist vor allem auf den internationalen „Bologna-Prozess“ und dessen deutsche Umsetzung, aber auch auf die hiesige Debatte der Übernahme amerikanischer Modelle und Strukturen, hinzuweisen.[31] Diesbezüglich sind gegenläufige Tendenzen festzustellen. Nachdem die – im Wesentlichen als „Top-down-Reform“ (von Ministerien, Hochschulorganisationen und Hochschulleitungen) durchgeführte und jetzt ganz weitgehend abgeschlossene – Umwandlung in das Bachelor-Master-System stattgefunden hat, gewinnt nun die Erkenntnis wieder Auftrieb, dass frühere Studiengänge und -abschlüsse sowie die damit verbundenen Strukturen und Inhalte akademischer Lehre durchaus ihre Vorzüge und Rechtfertigungen hatten und man über eine „Reform der Reform“ und durchlässigere Strukturen im Rahmen der Hochschulautonomie und in wissenschaftsadäquaten „Bottom-up-Prozessen“ nachdenken sollte.[32] Auch dies wird in Teilen im Folgenden behandelt.
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Viertens betrifft der Wandel im Hochschulsystem den Paradigmenwechsel von der herkömmlichen sowohl „bürokratischen“ als auch selbstverwaltenden und mitgliederorientierten staatsbezogenen und öffentlich-rechtlich geprägten Hochschulverwaltung zum aufgaben- und erfolgsbezogenen sowie dienstleistungs- und wettbewerbsorientierten Hochschulmanagement, verstanden und zu benennen als Teil des New Public Managements.[33] Das erstreckt sich auf alle Hochschularten, ja auf das staatsbezogene Kultur- und Bildungswesen insgesamt,[34] wobei die Unterschiede eher regional (Länder) oder örtlich (Entscheidungen der einzelnen Hochschulen) bedingt sind und auch von der Größe der Hochschulen abhängen. Das betrifft zunächst die staatlichen Hochschulen mit der Trägerschaft des jeweiligen Bundeslandes (oder in Ausnahmefällen des Bundes) einschließlich der Haushaltswirtschaft und der Dienstherreneigenschaft bzw. Arbeitgeberfunktion der öffentlichen Hand und deren „Finger“ (damit ist vor allem gemeint, dass das Land seine dementsprechenden Verantwortungen und Aufgaben auf die Hochschulen als öffentlich-rechtliche Körperschaften und Landeseinrichtungen sowie deren Organe und Funktionsträger in verschiedenen Formen der Delegation übertragen kann, was in den Ländern in unterschiedlichen Ausformungen geschieht).
Bei den privaten Hochschulen ist der Terminus „New Public Management“ zwar zunächst unangebracht, weil es sich um das – betriebswirtschaftlich und privatrechtlich dominierte – Management des privaten Trägers und der privaten Hochschule handelt, das Management insgesamt also nicht in diesem Sinne „Public“, sondern „Private“ ist. Dennoch sind in der Praxis etliche Parallelen im Hochschulmanagement beider Sektoren festzustellen, die insbesondere erstens mit der staatlichen Anerkennung, zweitens den Gepflogenheiten und Traditionen des Wissenschaftsbetriebs und deren Angehörigen und drittens der Drittwirkung der Grundrechte (hier vor allem Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) zusammenhängen. Das Hochschulmanagement privater Hochschulen stellt daher ebenfalls weniger ein „Aliud“ als eher eine modifizierte Form des staatlich geprägten Hochschulmanagements dar. Die Rahmenbedingungen sind nicht identisch, überschneiden sich aber. Auch insoweit prägen der Hochschulbegriff und die oben genannte (Rn. 10) vom Wissenschaftsrat geforderte „Hochschulförmigkeit“ die Praxis. Das äußert sich nominell in den vergleichbaren Amts- und Funktionsbezeichnungen privater Hochschulen bis hin zum leitenden Personal und wichtigen Gremien (Rektoren, Kanzler, Dekane, Senate, Fachbereiche oder Fakultäten etc.). Strukturell und inhaltlich geht es darum, dass die Konsensbildungen sowie die akademische und administrative Praxis innerhalb der Einrichtung von „akademischen Gepflogenheiten“ geprägt werden. Das kann auch zu Konflikten mit dem Träger führen, der und dessen Repräsentanten möglicherweise von anderen Usancen ausgeht. Die „Compliance-Kulturen“ der drei Sektoren Staat, Markt und Dritter Sektor im Bildungs- und Kulturbereich sind nicht identisch und unterliegen nicht denselben Regeln.[35] Es wird sich daher im Einzelfall zeigen müssen, welchen Belastungsproben diese Parallelität staatlicher und privater Hochschulen ausgesetzt ist und was geschieht, wenn z.B. vermehrt ausländische Investoren (es gibt diesbezügliche Anfragen, z.B. aus China) in Funktionen der Trägerschaft der in Deutschland agierenden privaten Hochschulen einsteigen. Dann wird besonders auf dem Prüfstand stehen, wie nachhaltig Forderungen nach „Hochschulförmigkeit“ in deutschem Sinne und die akademische Compliance-Kultur deren Durchsetzung und Anwendung erfahren. Hochschulpolitische Brisanz hat das Thema allemal. Rechtlichen Niederschlag findet diese Problematik vor allem in den Anerkennungs- und Aufsichtsfunktionen landesbehördlicher Instanzen (also im Wesentlichen der Ministerien).
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Alle vier – hier in den Rn. 9–13 skizzierten – Einflüsse verbinden sich in der Debatte um Profilbildung und zukünftige Positionierung der Hochschulen im System des tertiären Bildungsbereichs, wobei gelegentlich vernachlässigt wird, dass es sich um unterschiedliche Ausgangspunkte handelt, die freilich in vielfältigen Verknüpfungen miteinander stehen. Wenn von Hochschulreform die Rede ist, können diese unterschiedlichen Ansätze einzeln oder gemeinsam gemeint sein.
3. Kapitel Typisierung von Hochschulen: Pädagogische Hochschulen, Kunst- und Musikhochschulen, kirchliche Hochschulen, private Hochschulen › I. Hochschulen und Hochschularten › 6. Variationsbreite des Landesrechts und deren Auswirkungen