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5.Tragbare Waffen im technischen Sinn, § 1 Abs. 2 Nr. 2a, und im nichttechnischen Sinn, § 1 Abs. 2 Nr. 2b

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a) Begriffsbestimmungen. In § 1 Abs. 2 Nr. 2a sind die Waffen im technischen Sinn beschrieben. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Zweckbestimmung aufweisen, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen.

Tragbare Waffen im technischen Sinn sind stets Waffen iSd. WaffG.

Anders liegt es bei den in § 1 Abs. 2 Nr. 2b behandelten Waffen im nichttechnischen Sinn. Diese unterscheiden sich von den Waffen im technischen Sinn zentral dadurch, dass sie nicht deren Zweckbestimmung aufweisen, gleichwohl aufgrund ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise dazu geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen.

Tragbare Waffen im nichttechnischen Sinn sind nur dann Waffen iSd. WaffG, soweit sie ausdrücklich im Gesetz (Anl. 1 Abschn. 1 UA 2 Nr. 2) genannt sind.

b) Zweckbestimmung.13. Die Zweckbestimmung meint den Herstellerzweck, welcher sich zunächst aus der ausdrücklichen Deklaration des Gegenstandes herleiten lässt. Fehlt es an einer solchen, so ist zumindest dann die Waffeneigenschaft zu bejahen, wenn der Gegenstand unter gewöhnlichen Umständen und typischerweise nur als Waffe verwendet werden kann und eine anderweitige Nutzung nur schwerlich möglich ist.14

Merke:

Die Zweckbestimmung eines Gegenstandes bemisst sich nach dem Herstellerzweck. Unbeachtlich ist, zu welchem Zweck ein Gegenstand im Einzelfall mitgeführt wird.

Die Zweckbestimmung eines Gegenstandes kann auch durch nachträglichen Umbau desselben verändert werden. Wird eine ursprünglich als Gebrauchsgegenstand hergestellte Sache in der Absicht gegenständlich umgearbeitet, den so neu hergestellten Gegenstand als Waffe gebrauchen zu können, so ist durch den Umbau ein neuer Gegenstand mit einem entsprechend neuen Herstellerzweck entstanden. Der Alltagsgegenstand ist durch die Bearbeitung zur Waffe im technischen Sinn geworden.

Umgekehrt können auch Waffen im technischen Sinn durch Umbau zu reinen Gebrauchsgegenständen werden und ihre Waffeneigenschaft verlieren (Bsp.: die Klinge eines Dolchs wird stumpf geschliffen).

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund kann sich die Abgrenzung im Einzelfall kompliziert gestalten, weil Überschneidungen zwischen Gegenständen des Alltags und Waffen durchaus möglich sind.

c) Einzelfälle15.

aa) Als Waffen im technischen Sinn hergestellt. Kampfmesser, Dolch, Säbel, Bajonett, Stiefelmesser, Stahlrute, Totschläger, Schlagring.

bb) Nach Umbau als Waffe im technischen Sinn einzustufen. Baseballschläger, der am Schlagende mit Nägeln präpariert wird. Ventilrad, welches in der Mitte durchtrennt und an der geflexten Seite mit Tape versehen wird, um es als Schlagring einsetzen zu können. Parfümflacon, der mit Reizstoff gefüllt wird.

cc) Keine Waffen im technischen Sinn. Baseballschläger, Knüppel, Küchenmesser, Überlebensmesser, Taschenmesser, Fleischermesser, Tauchermesser, Jagdnicker, Hirschfänger, Fahrtenmesser. Als Sportgeräte hergestellte Florette, Degen und Säbel. Medizinisches Skalpell, Seziermesser, Äxte, Beile, Macheten, Sicheln, Sensen usw.

d) Exkurs: Die rechtliche Einstufung von Messern. Besonders schwierig gestaltet sich in der Praxis die rechtliche Einstufung von Messern. Hier gilt es, bloße Gebrauchsmesser von solchen mit Waffeneigenschaft abzugrenzen. Die Komplexität dieses Themenfeldes spiegelt sich nicht zuletzt in dem Umstand wieder, dass das BKA in zahlreichen Fällen durch Feststellungsbescheid festzulegen hat, ob ein Messer als Gebrauchsmesser oder aber als Hieb- und Stoßwaffe nach § 1 Abs. 2 Nr. 2a einzustufen ist.

Zur Klärung der Zweckbestimmung eines Messers kann zunächst auf Herstellerangaben zurückgegriffen werden. Diesen kommt eine erhebliche Indizwirkung zu. Allerdings sind die Herstellerangaben vor dem Hintergrund der konstruktiven Merkmale des in Rede stehenden Messers auf ihre Plausibilität zu prüfen. Der Umstand, dass ein Messer als „Gebrauchsmesser“ vertrieben wird, führt nicht zwingend dazu, dass es sich tatsächlich auch um ein solches handelt. Allerdings müssen für den Fall einer Einstufung als Waffe entgegen den Herstellerangaben konstruktive Merkmale vorliegen, die rechtfertigen, nicht der Herstellerdeklaration folgend von einem Gebrauchsmesser, sondern von einem Messer mit Hieb- und Stoßwaffeneigenschaft auszugehen.

In der polizeilichen Praxis werden häufig Messer waffenrechtlich einzustufen sein, zu denen es keine expliziten Herstellerangaben gibt. In diesen Fällen kann allein auf die Konstruktionsmerkmale als Informationsquelle zur Zweckbestimmung des Messers zurückgegriffen werden. Die Beurteilung kann im Einzelfall komplex ausfallen.

Als Hauptindizien für eine Waffeneigenschaft zählen:

• beidseitiger Klingenschliff

und

• Parierstange oder sonstige konstruktive Vorrichtungen, welche das Abrutschen der das Messer führenden Hand in die Klinge bzw. Verletzungen im Falle sich kreuzendender Klingen verhindern sollen.

Merke:

Als Faustformel für die Praxis kann gelten, dass ein beidseitiger Klingenschliff für die Waffeneigenschaft eines Messers spricht. Das Gleiche gilt für hinzutretende konstruktive Vorrichtungen, welche das Abrutschen der das Messer führenden Hand vom Griff in die Klinge im Falle des Zustoßens bzw. Verletzungen im Falle sich kreuzendender Klingen verhindern sollen („Parierstange“ oÄ.).

Andere Kriterien lassen jeweils für sich genommen keinen Rückschluss auf die Zweckbestimmung zu.

Solche Kriterien sind etwa:

• der Klingenrücken verjüngt sich zur Spitze hin. Klinge hat also nicht die Form eines typischen Gebrauchsmessers

• Klinge ist nicht auf beiden Seiten vollständig geschliffen, sondern lediglich im vorderen Teilbereich zweiseitig angeschliffen

• Griff ist so ergonomisch ausgearbeitet, dass im Falle des Zustechens ein Abrutschen der das Messer führenden Hand in die Klinge verhindert wird

• Farbgebung der Klinge (etwa Tarnfarben/„Camouflage“)

• Messer ist so konstruiert, dass es mit der das Messer führenden Hand aufgeklappt und arretiert werden kann (Einhandmessereigenschaft)

Auch die Klingenlänge kann isoliert für sich betrachtet nicht als bestimmendes Kriterium zur Beurteilung der Waffeneigenschaft herangezogen werden.

Auch wenn diese Kriterien einzeln betrachtet keinen zwingenden Rückschluss auf den Bestimmungszweck eines Messers zulassen, so sind sie doch stets in eine Gesamtschau mit einzubeziehen und können kumulativ die Einstufung eines Messers als Hieb- und Stoßwaffe nach § 1 Abs. 2 Nr. 2a begründen.

Schließlich stellt auch die objektive Gefährlichkeit eines Messers kein brauchbares Kriterium für die Klärung der Waffeneigenschaft dar. Der Zweck muss hier strikt von der Eignung getrennt werden. So können etwa hochwertige Küchenmesser unter objektiven Gesichtspunkten als besonders gefährlich gelten und sind doch klar als Gebrauchsmesser einzustufen. Umgekehrt verliert ein beidseitig geschliffener Dolch nicht seine Waffeneigenschaft, weil er etwa qualitativ minderwertig hergestellt ist und deshalb nur ein begrenztes Verletzungspotenzial aufweist.

Merke:

Bei der Einstufung eines Messers als Gebrauchsmesser oder Waffe nach § 1 Abs. 2 Nr. 2a sind neben den Herstellerangaben auch stets die Konstruktionsmerkmale in die Beurteilung mit einzubeziehen.

Nur eine Gesamtschau der Konstruktionsmerkmale ermöglicht im Einzelfall eine Schlussfolgerung auf die Wesensbestimmung des Messers und damit auf seine Waffeneigenschaft iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 2a.

Überblick:

Tragbare Gegenstände iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 2a und b
iSd. Nr. 2a (Waffen im technischen Sinn ) → stets vom WaffG erfasst (Anl. 1 Abschn. 1 UA 2 Nr. 1) Merke: Die Aufzählung ist nicht abschließend, auch hier nicht genannte bewegliche Gegenstände sind vom WaffG erfasst, soweit es sich um Waffen im technischen Sinn handelt! iSd. Nr. 2b ( Waffen im nichttechnischen Sinn) → nur vom WaffG erfasst, soweit im Gesetz genannt! (Anl. 1 Abschn. 1 UA 2 Nr. 2) Merke: Nur die hier aufgezählten beweglichen Gegenstände sind vom WaffG erfasst!
1.1 Hieb- und Stoßwaffen (Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb-, Stoß-, Stich-, Schlag- oder Wurf-Verletzungen beizubringen) 2.1 Messer 2.1.1 Springmesser (Klinge schnellt auf Knopf- oder Hebeldruck hervor und kann hierdurch oder beim Loslassen der Sperrvorrichtung festgestellt werden) 2.1.2 Fallmesser (Klinge schnellt beim Lösen einer Sperrvorrichtung durch Schwerkraft oder Schleuderbewegung aus dem Griff und kann selbsttätig oder durch Loslassen der Sperrvorrichtung festgestellt werden) 2.1.3 Faustmesser (Zeichnet sich durch einen quer zur feststehenden oder feststellbaren Klinge verlaufenden Griff aus; wird bestimmungsgemäß in der geschlossenen Faust geführt oder eingesetzt) 2.1.4 Butterflymesser (Faltmesser mit zweigeteiltem, schwenkbarem Griff)
1.2 Gegenstände, die 1.2.1 Elektroimpulsgeräte 1.2.2 Reizstoffsprühgeräte 1.2.3 a) Geräte, die Reizstoffe in einem Wirkungskreis von mehr als 2 m versprühen und daher keine Reizstoffsprühgeräte iSd. Gesetzes sind, b) Geräte, die bei Menschen in einer Entfernung von mehr als 2 m durch eine andere als kinetische Energie, insbesondere durch gezieltes Ausstrahlen von elektromagnetischer Strahlung, eine angriffsunfähig machende Wirkung hervorrufen. 1.2.4 Flammenwerfer 1.2.5 Molotow-Cocktails oder 1.2.6 Würgewerkzeuge sind. 2.2 Gegenstände, die bestimmungsgemäß unter Ausnutzung einer anderen als mechanischen Energie Tieren Schmerzen beibringen (zB. Elektroimpulsgeräte), mit Ausnahme der ihrer Bestimmung entsprechend im Bereich der Tierhaltung oder bei der sachgerechten Hundeausbildung Verwendung findenden Gegenstände (zB. Viehtreiber). Hinweis: Tierabwehrsprays fallen nicht hierunter und sind daher nicht vom WaffG erfasst.
1.3 Präzisionsschleudern sowie Armstützen uÄ. für dieselben. Dies sind Schleudern, die zur Erreichung einer höchstmöglichen Bewegungsenergie eine Armstütze oder vergleichbare Vorrichtung besitzen. Herkömmliche Schleudern („Zwillen“) sind hiervon nicht erfasst.

Merke:

Tierabwehrsprays unterliegen nicht den Regelungen des WaffG.

In Ermangelung einer entsprechenden Zweckbestimmung sind sie keine Waffen im technischen Sinne (§ 1 Abs. 2 Nr. 2a WaffG). Zudem sind nicht als Waffe im nichttechnischen Sinne (§ 1 Abs. 2 Nr. 2b) in der Anl. 1 Abschn. 1 UA 2 Nr. 2 aufgeführt.

Dies stellt eine Regelungslücke dar, die in der Praxis häufig genutzt wird: Als Tierabwehrsprays gekennzeichnete Geräte werden tatsächlich als Verteidigungsmittel gegen Menschen geführt. Dadurch werden sie aber nicht zur Waffe iSd. WaffG.16

Merke:

Nur das, was als Waffe in Anlage 1 eingestuft ist, kann in Anlage 2 als Waffe verboten oder einer Erlaubnispflicht unterworfen werden.

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