Читать книгу BGB-Allgemeiner Teil - Haimo Schack - Страница 23
IV. Vollmacht über den Tod hinaus
Оглавление37
Unabhängig davon, ob im Fall 2 die Gefahr, dass die Forderung verjährt, durch § 211 gebannt ist, kann es empfehlenswert sein, die Forderung bald geltend zu machen. So könnten zB die Beweisschwierigkeiten größer, die Zahlungsfähigkeit des K zweifelhaft werden, oder das Geld wäre nutzbringend anzulegen. Das führt zu der Frage, ob F aufgrund der ihm von V erteilten Vollmacht die Forderung nach dessen Tod einziehen kann.
38
1. Der Bevollmächtigte kann für den Vollmachtgeber mit der Wirkung handeln, dass alle Folgen des Handelns unmittelbar und ausschließlich den Vertretenen treffen, § 164 (Einzelheiten unten Rn 449 ff). Das setzt voraus, dass der Vertretene als Zurechnungssubjekt rechtsfähig ist. V ist aber nicht mehr rechtsfähig; folglich kann F ihn auch nicht mehr vertreten. Es gibt auch keine Verlängerung der Rechtsfähigkeit über den Tod hinaus, an die man vielleicht analog zu deren Vorverlegung auf die Zeit zwischen Zeugung und Vollendung der Geburt denken könnte (vgl oben Rn 8). Eine pränatale Rechtsfähigkeit reicht maximal bis zur Zeugung zurück. Eine postmortale Rechtsfähigkeit wäre dagegen in die Zukunft offen; solche juristischen Gespenster würde die Rechtsordnung nicht wieder los.
39
Der Satz vom Ende der Rechtsfähigkeit mit dem Tod gilt ausnahmslos. Die Behandlung der Leiche stellt keine Ausnahme dar: Auch wenn man die Leiche zutreffend als „Rückstand der Persönlichkeit“ versteht, bedeutet das nicht, dass sie weiterhin ein Rechtssubjekt wäre. Diese Kennzeichnung soll nur deutlich machen, dass die Leiche keine Sache ist, an der Verfügungsrechte Dritter bestehen könnten, dass über das Schicksal seiner Leiche vielmehr der Verstorbene selbst (auch formlos) bestimmen kann. Im Übrigen ist die Leiche Gegenstand des Totensorgerechts der nächsten Angehörigen (also nicht der Erben als solcher). Auch wenn die Leiche statt als Rückstand der Persönlichkeit als herrenlose Sache bezeichnet wird, ist anerkannt, dass an ihr kein Eigentum begründet werden kann. Zum Ganzen Staudinger/Stieper § 90 Rn 27 ff, 39 f, 48 mwN. Anderes gilt nur für Mumien und für befugt entnommene Organe, bevor sie in einen anderen Körper eingefügt werden. Bis dahin werden sie noch vom Persönlichkeitsrecht des Organspenders erfasst. Auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht, und nicht auf eine Verletzung des Körpers, hätte BGHZ 124, 52 für den Schmerzensgeldanspruch wegen schuldhafter Vernichtung kryokonservierten Spermas abstellen müssen (hierzu Taupitz NJW 1995, 745 ff).
40
Der von Verfassungs wegen gebotene wirksame Schutz der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit zu Lebzeiten (Art. 1 I, 2 I GG) verlangt auch einen Persönlichkeitsschutz von Verstorbenen; ausführlich Schack, Das Persönlichkeitsrecht der Urheber und ausübenden Künstler nach dem Tode, GRUR 1985, 352, 355. Auch nach dem Ende der Rechtsfähigkeit durch den Tod lässt die Rechtsprechung deshalb das allgemeine Persönlichkeitsrecht (s. unten Rn 63 ff) des Verstorbenen eine gewisse Zeit lang fortwirken; vgl BGHZ 50, 133 und BVerfGE 30, 173 (Mephisto); BGHZ 107, 384 (Emil Nolde) = JZ 1990, 37 mit Anm. Schack. Das postmortale Persönlichkeitsrecht machen die Angehörigen nicht als eigenes Recht geltend, sondern als fremdes Recht treuhänderisch im Interesse des Verstorbenen (vgl Schack GRUR 1985, 360 f; BGHZ 165, 203, 206: Wahrnehmungsberechtigte). Eine bedenkliche Kommerzialisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts befördert BGHZ 143, 214 – Marlene Dietrich (= GRUR 2000, 709 mit zust. Anm. G. Wagner 717 = JZ 2000, 1056 mit abl. Anm. Schack), wenn den Erben wegen der Verletzung vermögenswerter Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch Schadensersatzansprüche zugestanden werden (von BGHZ 169, 193 – kinski-klaus.de = JZ 2007, 364 m. Anm. Schack, analog § 22 Satz 3 KUG begrenzt auf 10 Jahre post mortem).
41
2. Von der ausgeschlossenen Verlängerung der Rechtsfähigkeit über den Tod hinaus zu unterscheiden ist die Wirksamkeit von Willenserklärungen des Verstorbenen für die Zeit nach seinem Tod. Typisch hierfür ist die letztwillige Verfügung (Testament), mit der der Erblasser seinen Erben bestimmen kann, § 1937.
Hierher gehört auch die Vollmacht, die den Tod des Vollmachtgebers überdauern soll. Der Vertreter vertritt dann die Erben, nicht den Verstorbenen. Aus §§ 168 Satz 1, 672 folgt, dass die Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus wirkt, wenn er nichts anderes bestimmt hat. Der Bevollmächtigte hat nach dem Tod des Vollmachtgebers den Willen der Erben als der neuen Auftraggeber (§ 1922 I) zu beachten. Doch bleibt die postmortale Vollmacht, solange sie nicht widerrufen wird, nach hM den Interessen des Erblassers verpflichtet und damit ein bedenkliches Instrument, erbrechtliche Bindungen und Formvorschriften zu umgehen.
Vgl BGH NJW 1995, 250; Hübner2 Rn 1268 ff; mit Flume II3 § 51, 5; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht26 2017, Rn 399. In der Praxis häufig und für die Erben besonders gefährlich sind Bankaufträge zugunsten Dritter auf den Todesfall, wenn man mit der hM (zB BGH NJW 1975, 382 = Schack/Ackmann7 Nr 100) von einem Vorrang des § 331 I vor § 2301 ausgeht.
Derartige Überlegungen begrenzen die Möglichkeit des F im Fall 2 nicht: Die Geltendmachung der Forderung liegt im Interesse des Erben und entspricht auch dessen mutmaßlichem Willen. F könnte also aufgrund der ihm von V erteilten Vollmacht schon vor Klärung der Erbfolge für den Erben die Forderung gegen K geltend machen.
42
Lösungsskizze zu Fall 2 (Rn 17):
1. | Um die drohende Verjährung zu hemmen, ist es notwendig oder wenn man § 211 (entgegen oben Rn 36) im vorliegenden Fall eingreifen lässt, zumindest empfehlenswert, die Forderung des V einzuklagen. |
2. | Die Klage muss vom „Berechtigten“ erhoben werden (§ 209 I aF, in § 204 I Nr 1 nF nicht mehr ausdrücklich hervorgehoben). Nach seinem Tod ist V nicht mehr Forderungsinhaber. Berechtigt ist jetzt der Erbe. a) Unsicherheit über die Erbenstellung von S oder B, weil S verschollen ist. b) Die Todeserklärung des S schafft eine Vermutung, die es der B erlaubt, die Forderung als Erbin geltend zu machen. |
3. | Der berechtigte Forderungsinhaber kann sich bei Geltendmachung der Forderung vertreten lassen. a) Dem F ist von V Vollmacht erteilt worden. b) Die Vollmacht wirkt über den Tod des V hinaus. F ist deshalb Stellvertreter des Erben, für den er die Forderung geltend machen kann. |