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III. Schutz und Grenzen der subjektiven Rechte

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1. Regelmäßig werden die subjektiven Rechte Einzelner von den übrigen Mitgliedern der Rechtsgemeinschaft respektiert. Wenn es zu einem Streit kommt, wenn etwa bezweifelt wird, ob das von einer Person geltend gemachte Recht ihr überhaupt zusteht, kann ein Gericht zur Entscheidung der Streitsache angerufen werden. Die gerichtliche Entscheidung ist nötigenfalls mit staatlichen Zwangsmitteln (insbesondere durch den Gerichtsvollzieher) durchsetzbar. Das Erkenntnisverfahren vor den Gerichten dient ebenso wie das Verfahren der Zwangsvollstreckung dem Rechtsfrieden. Die Menschen dürfen ihr vermeintliches Recht grundsätzlich nicht selbst in die Hand nehmen, das würde allzu schnell auf ein „Recht des Stärkeren“ hinauslaufen. Das Gewaltmonopol hat deshalb der Staat. Das BGB erlaubt dem Rechtsträger nur in ganz engen Grenzen, seine Rechte unmittelbar zu verteidigen und dabei in fremde Rechtsgüter einzugreifen, wenn staatliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann (Selbsthilfe, § 229; großzügiger § 562b I).

Erlaubt ist die Notwehr zur Verteidigung eigener subjektiver Rechte gegenüber einem „gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff“ (§ 227), der (im Unterschied zum defensiven Notstand in § 228 nicht von einer Sache, sondern) stets von einem Menschen ausgehen muss (zu den wichtigsten Rechtfertigungsgründen s. unten Rn 113 ff). Unter denselben engen Voraussetzungen ist auch eine fremdnützige Notwehr (Nothilfe) zulässig. Das ist aber keineswegs ein Freibrief für selbsternannte Polizisten.

Im Fall 3 haben die Ohrfeigen des R bei B zu Schwellungen im Gesicht und zu einer Platzwunde geführt, ihn also in Körper und Gesundheit verletzt. Ein Anspruch des B auf Schmerzensgeld (§§ 823 I, 823 II iVm § 223 StGB, § 253 II) scheidet trotzdem aus, wenn R durch Nothilfe gerechtfertigt war. Nothilfe setzt gemäß § 227 voraus, dass R einen gegenwärtigen Angriff auf F abgewehrt hat. Zwar haben A und B das Eigentum der F beschädigt, doch war der Angriff längst abgeschlossen, als R die beiden zur Rede stellte. Die nachträglichen Ohrfeigen sind somit durch Nothilfe nicht gerechtfertigt. R hatte den fremden Kindern gegenüber auch kein Züchtigungsrecht (§ 1631 II gibt den Kindern sogar gegen ihre Eltern ein „Recht auf gewaltfreie Erziehung“). Das Verhalten des R war deshalb widerrechtlich.

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2. Die durch ein subjektives Recht dem Einzelnen vermittelte Rechtsmacht wird häufig begrenzt durch besondere Bestimmungen (für das Eigentum vgl §§ 903 ff), aber auch durch das allgemeine Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. So ist eine Rechtsausübung verboten, wenn der Rechtsinhaber mit ihr ausschließlich beabsichtigt, einem anderen Schaden zuzufügen, § 226. Da eine derart eng gefasste Schikane kaum jemals vorkommt, haben Rechtsprechung und Lehre schon früh ein allgemeines Verbot treu- und sittenwidriger Rechtsausübung aus §§ 242, 826 hergeleitet, das systematisch in den Allgemeinen Teil des BGB gehört. Die Wertungen, die diese Generalklauseln dem Rechtsanwender abverlangen, sind gerade in Grenzfällen schwer zu treffen. Die nötige Rechtssicherheit will man durch Bildung von Fallgruppen erreichen. Zu den vielfältigen Erscheinungsformen unzulässiger Rechtsausübung und der Verwirkungstatbestände vgl Palandt/Grüneberg78 § 242 Rn 42 ff und 97 ff.

Unzulässige Rechtsausübung ist zB dann gegeben, wenn jemand etwas fordert, was er gleich wieder zurückgeben müsste (Einwand des dolo agit qui petit quod statim redditurus esset). Verwirkung als ein Sonderfall des Verbots des venire contra factum proprium liegt vor, „wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde“ (BGHZ 84, 280, 281). Stets müssen zum Zeitablauf also besondere Umstände hinzutreten.

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Lösungsskizze zu Fall 3 (Rn 43):

A. Ansprüche der F auf Zahlung von 100 € I. Anspruch aus § 823 I gegen A 1. A hat den Hut der F beschädigt, also deren Eigentum als ein von § 823 I geschütztes absolutes subjektives Recht verletzt. 2. Rechtfertigungsgründe für A sind nicht ersichtlich. 3. Verschulden: Für die Deliktsfähigkeit des 14-jährigen A gilt § 828 III. Danach hatte A die nötige Einsichtsfähigkeit, das Bewerfen fremder Personen mit Eiern und Tomaten als Unrecht zu erkennen. 4. Rechtsfolge von § 823 I ist die Pflicht zur Leistung von Schadensersatz, den §§ 249 ff näher regeln. Gemäß § 249 II 1 kann F als eine Form der Naturalrestitution den Geldbetrag verlangen, den sie für den Kauf eines gleichwertigen neuen Hutes aufwenden muss, hier also 100 €. II. Anspruch aus § 823 II iVm § 303 StGB gegen A 1. § 303 StGB ist Schutzgesetz iSv § 823 II. 2. A hat den strafrechtlichen Tatbestand erfüllt, insbesondere vorsätzlich gehandelt. 3. Verschulden: Die Deliktsfähigkeit richtet sich wiederum nach § 828 III, doch muss A auch strafmündig sein, § 19 StGB, §§ 1, 3 JGG. Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt. III. Anspruch aus § 826 gegen A A handelte objektiv sittenwidrig und hatte auch die für § 828 III erforderliche Einsicht in die Verwerflichkeit seines Tuns. IV. Ansprüche gegen B aus Delikt Aufbau der Tatbestände von §§ 823 I und II, 826 wie vor, im Ergebnis aber wegen mangelnder Delikts- und Straffähigkeit des B (§ 828 I) kein Anspruch der F gegen ihn.
B. Anspruch des B gegen R auf Zahlung von Schmerzensgeld I. Anspruch aus §§ 823 I, 253 II 1. R hat durch die Ohrfeigen das subjektive Recht des B auf körperliche Unversehrtheit, also Körper und Gesundheit als von § 823 I geschützte Rechtsgüter, verletzt. 2. R kann sich weder auf Nothilfe zugunsten der F als Rechtfertigungsgrund berufen (§ 227), da der Angriff auf F bereits beendet war, noch stand dem R ein Züchtigungsrecht gegenüber B zu. Also handelte R rechtswidrig. 3. R handelte vorsätzlich. 4. R ist zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an B, vertreten durch die Eltern (§§ 1626, 1629 I), verpflichtet. Bei der Festlegung der Höhe der „billigen Entschädigung in Geld“ (§ 253 II) ist auch zu berücksichtigen, dass erst das rechtswidrige Vorverhalten des B den R zu seiner Tat veranlasst hat. Angemessen erscheinen maximal 500 €. II. Anspruch aus § 823 II iVm § 223 StGB, § 253 II R, der durch die Ohrfeigen eine vorsätzliche Körperverletzung iSv § 223 StGB begangen hat, mithin ein Schutzgesetz iSv § 823 II widerrechtlich und schuldhaft verletzt hat, ist auch aufgrund dieses Deliktstatbestandes zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes an B verpflichtet. III. Anspruch aus §§ 826, 253 II ist ebenfalls gegeben. Dabei ist unerheblich, ob R sich der Sittenwidrigkeit seines Verhaltens bewusst war.
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