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II. Haftung des Vereins aus unerlaubter Handlung

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Die Haftung des Vereins gegenüber P hängt in erster Linie von der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Handlung des V ab. Insoweit decken sich die Voraussetzungen der Haftung des Vereins mit derjenigen des V. Zunächst ist daher die Haftung des V zu untersuchen.

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1. P könnte gegen V, der die Selbstschüsse gelegt hat, einen Schadensersatzanspruch aus § 823 I haben. V hat durch positives Tun eine Ursache gesetzt, die adäquat kausal zur Körperverletzung und damit zum Schaden des P geführt hat. Diese Verletzung eines absoluten Rechtes müsste rechtswidrig gewesen sein. Grundsätzlich ist jeder Eingriff in einen fremden Rechtskreis rechtswidrig, es sei denn, dem Handelnden steht ein besonderer Rechtfertigungsgrund zur Seite. Die wichtigsten zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe sind die Notwehr (§ 227), der defensive (§ 228) und der aggressive Notstand (§ 904), die Selbsthilfe (§§ 229 ff) und die Einwilligung des Verletzten.

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Notwehr definiert § 227 II als „diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“ Im letzteren Fall spricht man von Nothilfe.

Als P das Grundstück des Wanderclubs betrat, um unter dem Hausdach Schutz zu suchen, griff er in das Besitzrecht ein, das dem Club an seinem Haus zustand. Der darin liegende Angriff auf ein fremdes Rechtsgut war an sich rechtswidrig; der Rechtfertigungsgrund einer Einwilligung des Besitzers lag, wie sich aus der Selbstschussanlage eindeutig ergibt, nicht vor. Unerheblich ist, ob P an das Vorliegen einer Einwilligung glaubte. Die irrtümliche Annahme eines Rechtfertigungsgrundes vermag nicht die objektive Rechtswidrigkeit, sondern allenfalls das Verschulden auszuschließen, wenn der Irrtum nicht auf Fahrlässigkeit beruhte. Das Betreten des Grundstücks durch P könnte aber nach § 904 Satz 1 gerechtfertigt sein. Der Gewitterregen kann eine Gefahr für die Gesundheit des P oder für sein Eigentum (Kleidung) sein. Kann er sich dieser Gefahr nicht ohne einen Eingriff in fremdes Eigentum entziehen, dann ist der Eingriff in das Besitzrecht des Wanderclubs „notwendig“ im Sinne des § 904. Da für einen Schaden des Wanderclubs nichts ersichtlich ist, erübrigt sich hier die von § 904 geforderte Abwägung, und die Handlung des P ist gerechtfertigt. Gegen sie ist daher Notwehr nicht möglich.

Nur für den Fall, dass das Eindringen des P in das Grundstück mangels einer Gefahr nicht nach § 904 gerechtfertigt war, ist zusätzlich zu prüfen, ob das Legen der Selbstschüsse durch V wegen Notwehr gerechtfertigt war.

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Die Verteidigungshandlung des V aktualisiert sich infolge der automatischen Wirkung der Selbstschussanlage erst im Zeitpunkt des rechtswidrigen Angriffs durch P auf das Besitzrecht des Clubs, so dass der Angriff im Augenblick der effektiven Verteidigung auch gegenwärtig war. Erforderlich ist jedoch nur das geringste der wirksamen Mittel, die dem Angegriffenen zu Gebote stehen (vgl in einer Strafsache BGH NJW 1989, 3027). Anders als §§ 228, 904 fordert § 227 keine Güterabwägung (Verhältnismäßigkeit) zwischen dem verteidigten Rechtsgut und dem durch die Notwehr drohenden Schaden. Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen. Eine äußerste Grenze kann nur das der Rechtsordnung immanente Verbot des Rechtsmissbrauchs ziehen (§ 242, vgl Dilcher, FS Heinz Hübner 1984, S. 443, 453 ff. Keine Hilfe bietet dagegen Art. 2 IIa EMRK; vgl MüKo-Grothe7 § 227 Rn 17). So darf zB ein gelähmter Greis auf die Kinder, die seine Kirschen klauen, auch dann nicht schießen, wenn das das einzige wirksame Mittel zur Verteidigung seines Eigentums sein sollte.

Im Fall 6 ist zweifelhaft, ob die Selbstschussanlage erforderlich war, um den ungestörten Besitz an dem Blockhaus zu verteidigen. Gewöhnlich reichen zur Abwehr der befürchteten Angriffe Warnschilder aus. Selbstschüsse, die nicht auf die Eigenart und Stärke des einzelnen Angriffs abgestellt werden können, wird man überhaupt nur dann als erforderliche Verteidigungsmaßnahme ansehen können, wenn mit schwersten Angriffen zu rechnen ist und kein anderes Mittel zur Verfügung steht. Vgl hierzu OLG Braunschweig MDR 1947, 205, 206 (elektrische Anlage zum Schutz eines Pfirsichbaumes; wegen fahrlässiger Tötung verurteilt); Erman/E. Wagner15 § 227 Rn 11.

Das Verhalten des V war deshalb nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Da er das auch erkennen konnte, handelte er fahrlässig. Also ist V dem P nach § 823 I zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Ob dem P daneben Schadensersatzansprüche gegen den Verein zustehen, ist vor allem dann von Interesse, wenn V insolvent ist und die gegen ihn gerichteten Ansprüche deshalb praktisch wertlos sind.

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2. Der Verein (die juristische Person) kann nur durch Organe handeln. Deren zum Schadensersatz verpflichtende Handlungen muss der Verein sich deshalb als eigene zurechnen lassen, das ist die so genannte Organhaftung des § 31. Im Gegensatz zu § 831 I 1 (Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen) ist § 31 keine Anspruchsgrundlage, sondern ebenso wie § 278 (Haftung des Schuldners für seine gesetzlichen Vertreter und Erfüllungsgehilfen) reine Zurechnungsnorm. Einen Entlastungsbeweis (Exkulpation) wie in § 831 I 2 kennt § 31 nicht. Für das Verhalten seiner Organe kann sich der Verein ebenso wenig freizeichnen wie ein Mensch (Organtheorie, vgl BGHZ 98, 148, 151 f).

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Neben § 31 bleibt für eine Anwendung von § 278 kein Raum (umstritten; aA Medicus/Petersen11 Rn 1135). Das Organ handelt nicht wie ein Vertreter für einen anderen (Vertretertheorie), sondern das Verhalten des Organs ist das des Vereins (Beuthien, Gibt es eine organschaftliche Stellvertretung?, NJW 1999, 1142, 1144). Der Streit zwischen der Organ- und der Vertretertheorie ist angesichts § 31 weitgehend überholt. Eine Rolle spielen mag er noch bei einem Haftungsausschluss für vorsätzliches Verhalten nach § 278 Satz 2.

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Die Organhaftung gilt nicht nur für den Vorstand juristischer Personen (auch des öffentlichen Rechts, § 89), sondern auch für die „verfassungsmäßig berufenen Vertreter“, so genannte Repräsentanten; vgl BGHZ 49, 19, 21 für den Filialleiter einer Bank-GmbH.

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a) § 31 steht in dem Abschnitt über den rechtsfähigen Verein. Danach ist die Anwendung dieser Vorschrift nicht zweifelhaft, wenn der Verein im Vereinsregister eingetragen ist. Da V die unerlaubte Handlung in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangen hat, ist der Verein dem P gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet. „In Ausführung der Verrichtung“ handelt das Vorstandsmitglied, wenn die Handlung mit seiner Geschäftsführung für den Verein in sachlichem und nicht nur zufälligem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang steht (entsprechend die Abgrenzung in § 831). Dass der Vorstand auch gegenüber dem Verein nicht so handeln durfte, ist insoweit bedeutungslos.

Dem P haftet also nicht nur V persönlich aus § 823 (oben 1), sondern auch der Verein gemäß §§ 823, 31. Im Außenverhältnis haften V und der Verein als Gesamtschuldner, § 840 I. Im Innenverhältnis trifft die Haftung den V allein (§ 840 II analog; vgl Soergel/Hadding, BGB I13 2000, § 31 Rn 28), dh der Verein kann, wenn er von P in Anspruch genommen wird, bei V vollen Regress nehmen (426), es sei denn, dass die Voraussetzungen für eine Haftungsfreistellung ehrenamtlich tätiger Vorstandsmitglieder in § 31a erfüllt sind (entsprechend seit 2013 § 31b für einfache Vereinsmitglieder).

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Ein Anspruch gegen die Vereinsmitglieder besteht bei dieser Sachlage nicht. Das Vorstandsmitglied ist Organ des Vereins und nicht etwa Verrichtungsgehilfe der Mitglieder persönlich. (Organstellung in § 31 und Weisungsgebundenheit in § 831 schließen einander aus.) Die Rechtsfähigkeit des Vereins wirkt hier also als Haftungsschirm zugunsten der Mitglieder.

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b) Wenn der Verein nicht eingetragen ist, ist er kein selbstständiges Rechtssubjekt. Ob man § 31 auf den nichtrechtsfähigen Verein analog anwenden darf, hängt vom Zweck der Vorschrift ab. An die Rechtsfähigkeit ist die Organhaftung des § 31 denknotwendig nicht gebunden. So hat zB BGH NJW 1952, 538 auch die OHG, obwohl sie nicht rechtsfähig ist, für zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlungen ihrer geschäftsführenden Gesellschafter nach § 31 haften lassen. Heute (nach BGHZ 146, 341) wird § 31 analog sogar auch auf die BGB-Gesellschaft angewandt (BGHZ 172, 169, 172 – Anwaltssozietät).

Die Alternative zu § 31 wäre eine Haftung aller Mitglieder des nichtrechtsfähigen Vereins aus § 831, für die sich früher das RG ausgesprochen hatte. Danach müsste jedes Mitglied für das schadenstiftende Vereinsorgan den Entlastungsbeweis des § 831 I 2 führen. Das aber ist bei einem größeren Verein (anders ggf bei einer BGB-Gesellschaft) weder praktikabel noch angemessen: Das einzelne Vereinsmitglied kann dem Vorstand keine Weisungen erteilen und ihn auch kaum überwachen.

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Nach heute ganz überwiegender Auffassung ist § 31 daher auf den nichtrechtsfähigen Verein analog anzuwenden (vgl Wolf/Neuner11 § 17 Rn 135). Damit wird der nichtrechtsfähige Verein genauso gestellt wie der rechtsfähige (s. oben Rn 106 ff). Sein gesamtes Vermögen ist dem Gläubigerzugriff ausgesetzt, nicht aber das Vermögen der Mitglieder. Haftung des nichtrechtsfähigen Vereins bedeutet danach die Haftung seiner Mitglieder nur mit ihrem gesamthänderisch gebundenen (Vereins)Vermögen.

Der Wanderclub ist dem P also auch dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Verein nicht im Vereinsregister eingetragen ist. Daneben haftet V dem P für sein rechtswidriges schuldhaftes Handeln persönlich nach § 823.

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Für andere kraft Gesetzes entstandene Verpflichtungen haftet der Verein in dem obengenannten Sinne, soweit die Haftungsvoraussetzungen für das Gesamthandsvermögen erfüllt sind. Leistet zB jemand ohne Rechtsgrund an einen nichtrechtsfähigen Verein, dann kann er die Rückgabe aus dem Vereinsvermögen nach § 812 fordern. (Die Haftungsbeschränkung folgt hier spätestens aus § 818 III.)

Teil I Die Rechtssubjekte§ 6 Haftungsverhältnisse beim rechtsfähigen und beim nichtrechtsfähigen Verein. Vorverein. Rechtfertigungsgründe › III. Der nichtrechtsfähige Verein im Zivilprozess

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