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I. Objektives und subjektives Recht
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1. Rechtsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit eines jeden Menschen, Träger von Rechten (und Pflichten) zu sein (s. oben Rn 4). Diese einer Person zukommenden Rechte bezeichnet man als subjektive Rechte. Ob und mit welchem Inhalt ein subjektives Recht besteht, sagt das objektive Recht als die Summe aller Rechtsnormen, zu denen Gesetze, Verordnungen, Satzungen, aber auch das ungeschriebene Gewohnheitsrecht gehören (vgl Art. 2 EGBGB). Das objektive Recht schafft Rechtsverhältnisse, das sind rechtlich geregelte Beziehungen zwischen Personen (Schuldverhältnisse, Familienrechtsverhältnisse) oder zwischen einer Person und einer Sache (vgl indes auch Wolf/Neuner11 § 19 Rn 6).
Schuldverhältnisse im Sinne einer komplexen Einheit von Rechten und Pflichten werden entweder durch Rechtsgeschäft (in aller Regel einen Vertrag) oder unmittelbar durch das Gesetz begründet, dann spricht man von gesetzlichen Schuldverhältnissen. So muss, wer eines der in § 823 I genannten Rechte eines anderen widerrechtlich und schuldhaft verletzt, diesem Schadensersatz leisten. Hier haben A und B das Eigentum, ein subjektives Recht, der F verletzt mit der Folge, dass der F ein Schadensersatzanspruch, dh wiederum ein subjektives Recht aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis des § 823 I, zustehen könnte.
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2. Das subjektive Recht stellt also nur einen personenbezogenen Ausschnitt aus dem objektiven Recht dar. Die Erscheinungsformen des subjektiven Rechts sind sehr vielfältig. So sind das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Persönlichkeitsrecht und das Eigentum (§ 903) ebenso subjektive Rechte, wie etwa die Rechte des Käufers einer mangelhaften Sache (§ 437) oder das Auskunftsrecht des Aktionärs gegenüber dem Vorstand einer Aktiengesellschaft (§ 131 AktG). Diese Beispiele zeigen bereits, dass es eine allgemeine, inhaltliche Definition des subjektiven Rechts nicht geben kann. Das subjektive Recht ist vielmehr eine Denkfigur, mit der die Rechtsordnung die Handlungsfreiheit der selbstbestimmten Persönlichkeit gewährleisten will. So hat Bernhard Windscheid (1817–1892) das subjektive Recht als „von der Rechtsordnung verliehene Willensmacht“ bezeichnet. Subjektive Rechte ermöglichen damit die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung des Individuums. Allerdings geht es kaum jemals um unbeschränkte „Macht“ des Einzelnen. Der Gesetzgeber verleiht subjektive Rechte vielmehr nur zur Befriedigung schutzwürdiger Interessen. Deshalb bedarf das subjektive Recht einer normativen Ergänzung im Sinne eines „rechtlich geschützten Interesses“ (Rudolf von Ihering, 1818–1892). Subjektive Rechte werden deshalb ausdrücklich oder immanent durch die Rechte anderer beschränkt; vgl §§ 903 Satz 1, 906 BGB, Art. 14 II GG. Behält man diese Sozialbindung im Auge, dann ist das subjektive Recht in einer liberal-individualistischen Rechtsordnung im ausgehenden 19. Jh genauso wie heute von zentraler Bedeutung.
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3. Jede Einteilung der subjektiven Rechte (vgl etwa Wolf/Neuner11 § 20 Rn 14 ff) ist in gewissem Grade willkürlich, schärft jedoch den Blick für Gemeinsamkeiten wie Unterschiede, etwa hinsichtlich der Übertragbarkeit der Rechte oder hinsichtlich des Kreises ihrer Adressaten.
a) Zum Schutz der Selbstbestimmung und Achtung der Person werden jedem Menschen Persönlichkeitsrechte zuerkannt (näher unten Fall 4). Diese Rechte sind höchstpersönlich, dh nicht von der Person ihres Trägers ablösbar, also auch nicht übertragbar. Als absolute Rechte sind die Persönlichkeitsrechte von jedermann zu respektieren.
b) Gegenüber jedermann wirken auch die Herrschaftsrechte, die dem Rechtsinhaber erlauben, Dritte von der Nutzung des Gegenstandes auszuschließen, auf den sich das Recht bezieht (Ausschließlichkeitsrecht). Herrschaftsrechte können bestehen an Sachen (sog. dingliche Rechte), also an körperlichen Gegenständen wie einem Buch oder einem Schmuckstück, aber auch an Immaterialgütern (vgl das Recht des Urhebers gemäß §§ 11 ff, 2 UrhG) und an Rechten (zB Nießbrauch an Rechten, §§ 1068 ff). Das wichtigste Herrschaftsrecht an Sachen ist das Eigentum. Dieses subjektive Recht der F ist im Fall 3 verletzt worden.
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c) Eine weitere Gruppe subjektiver Rechte bilden die Ansprüche. Ansprüche wirken relativ, dh nur gegenüber ganz bestimmten Personen. Sie beinhalten das Recht der einen Person, von einer anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 I). Die meisten Ansprüche entstehen aus Schuldverhältnissen, zB aufgrund eines Vertrages oder einer unerlaubten Handlung. Solche Ansprüche nennt man Forderungen, vgl § 241 I. Ansprüche können aber auch als Folge der Verletzung eines Herrschaftsrechts, etwa des Eigentums, entstehen, wie der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegenüber dem Besitzer gemäß § 985 (sog. dinglicher Anspruch). Allen Ansprüchen gemeinsam ist, dass sie keine sonstigen Rechte iSv § 823 I darstellen, da sie nur relativ zwischen einzelnen Personen wirken, also nicht mit absoluter Wirkung gegenüber jedermann ausgestattet sind.
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d) Inhalt eines subjektiven Rechts kann auch sein, dass der Berechtigte ein Rechtsverhältnis einseitig gestalten, insbesondere beenden kann. Solche Gestaltungsrechte sind zB das Anfechtungsrecht wegen Irrtums (§§ 119 ff, 142 I) und das Kündigungsrecht etwa in §§ 542 ff, 626. Auch Gegenrechte, wie zB die Aufrechnungsbefugnis (vgl §§ 388 f), gehören hierher.
e) Zu den subjektiven Rechten zählen auch Mitwirkungs- und Stimmrechte etwa eines Vereinsmitglieds oder eines Aktionärs. Manche Rechte, wie vor allem die elterliche Sorge als „die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen“ (§§ 1626, 1631), zeichnen sich durch eine starke gleichzeitige Pflichtenbindung aus. Hier erweist der Kindesherausgabeanspruch in § 1632 I deutlich das subjektive Recht als eine bloße juristische Denkform.
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Neben den subjektiven Privatrechten gibt es auch sog. subjektiv-öffentliche Rechte. Enthalten Erstere die Befugnisse des Einzelnen gegenüber anderen Bürgern, so sichern Letztere, allen voran die Grundrechte des Grundgesetzes, vornehmlich die Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat. Zwischen dem subjektiv-öffentlichen Recht und dem subjektiven Privatrecht gibt es keine starre Trennlinie, sie beeinflussen sich vielmehr gegenseitig. Auch untereinander können sich die Bürger bei der rechtlichen Beurteilung ihrer Angelegenheiten auf die grundlegenden Wertentscheidungen der Verfassung, vor allem auf die Grundrechte, berufen. So müssen bei der rechtlichen Bewertung von ehrverletzenden Äußerungen auch die Grundrechte der Meinungs- und der Kunstfreiheit (Art. 5 I und III GG) des Äußernden berücksichtigt werden (grundlegend BVerfGE 7, 198). Insoweit besteht eine Drittwirkung der Grundrechte, die in das Zivilrecht vor allem über die Generalklauseln der §§ 138, 242, 826 einfließen (vgl BVerfG JZ 2018, 930 Tz 32 ff: Stadionverbot; Kingreen/Poscher, Grundrechte. Staatsrecht II34 2018, Rn 236 ff; und zu Art. 3 III GG BGH NJW 2012, 1725, 1727: Hausverbot für NPD-Vorsitzenden).
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4. Der Erwerb subjektiver Rechte kann originär oder derivativ stattfinden. Ein abgeleiteter (derivativer) Erwerb liegt vor, wenn das Recht von einem Rechtsvorgänger erworben wird, wenn dieser das Recht zB auf den Rechtsnachfolger überträgt. Hauptfälle sind die Übereignung von Sachen gemäß §§ 873 ff, 929 ff und die Abtretung von Forderungen gemäß § 398 durch den Zedenten (Altgläubiger) an den Zessionar (Neugläubiger). Zu einer Rechtsnachfolge kommt es auch im Erbfall, §§ 1922, 1967 (Universalsukzession).
Dagegen ist im Falle des originären Erwerbs die subjektive Rechtsposition nicht von einem Rechtsvorgänger abgeleitet, sondern das Recht entsteht erst mit dem Erwerb. Wichtige Beispiele hierfür sind §§ 946 ff. So wird bei der Verarbeitung gemäß § 950 I der Verarbeitende Eigentümer der neu hergestellten Sache ohne Rücksicht auf das Eigentum an den Ausgangsmaterialien. Andere Beispiele für einen originären Rechtserwerb sind die Aneignung einer herrenlosen beweglichen Sache (§ 958), aber auch die Begründung einer Forderung durch Abschluss eines Vertrages (§§ 311 I, 241).
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5. Das Erlöschen subjektiver Rechte kann sich aus vielerlei Tatbeständen ergeben, etwa aus Verzicht und Erlass (§ 397). Andere Rechte wie die Gestaltungsrechte verbrauchen sich durch ihre Ausübung oder sie erlöschen durch Fristablauf. So kann etwa eine Kündigung wirksam nur einmal und nur binnen bestimmter Frist erfolgen. Herrschaftsrechte verliert der Rechtsinhaber mit Untergang des Gegenstandes, aber auch wenn dieser auf einen Dritten übertragen wird. Bisweilen entsteht mit dem Untergang eines Gegenstandes auch ein neues subjektives Recht, zB ein deliktischer Ersatzanspruch. Dieser ist mit dem Herrschaftsrecht nicht identisch, er tritt lediglich an dessen Stelle. Forderungen erlöschen mit ihrer Erfüllung (§ 362). Einige Rechte, wie der Nießbrauch (§ 1061), enden mit dem Tod des Rechtsträgers, andere nach Ablauf bestimmter Schutzfristen, wie das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers (§ 64 UrhG).
Teil I Die Rechtssubjekte › § 3 Das subjektive Recht. Handlungs- und Deliktsfähigkeit. Erwerb und Verteidigung subjektiver Rechte › II. Handlungsfähigkeit, Arten der Handlung