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ОглавлениеTeil I Die Rechtssubjekte › § 4 Schutz der Person. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
§ 4 Schutz der Person. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
Inhaltsverzeichnis
I. Schutz durch §§ 823, 12 BGB, § 22 KUG
II. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
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Fall 4:
A hat mit dem Teleobjektiv am Strand von Sylt die bekannte Filmschauspielerin F im Evakostüm fotografiert. Das vergrößerte Bild hängt, für jeden Besucher deutlich sichtbar, in der Wohnung des A. F verlangt von A die Herausgabe oder die Vernichtung des Bildes oder zumindest, dass A es verschlossen hält.
Teil I Die Rechtssubjekte › § 4 Schutz der Person. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht › I. Schutz durch §§ 823, 12 BGB, § 22 KUG
I. Schutz durch §§ 823, 12 BGB, § 22 KUG
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1. § 823 I schafft einen für die Entfaltung der Person elementaren Schutzbereich, indem er die lebenswichtigen Rechtsgüter absolut, dh gegenüber jedermann schützt.
In eines der in § 823 I aufgezählten Rechtsgüter hat A im Fall 4 nicht eingegriffen. A könnte jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der F verletzt haben, das als sonstiges Recht iSv § 823 I geschützt wird (s. unten Rn 64). F kann aber das konkrete Begehren nicht auf § 823 stützen, da § 823 nach seinem Wortlaut nur Schadensersatz gewährt, darunter fällt aber das Begehren der F nicht (vgl unten Rn 68 f).
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2. Das in § 12 besonders gewährte Namensrecht schützt die Person davor, dass ein anderer ihr das Recht zur Führung ihres Namens bestreitet oder unbefugt ihren Namen gebraucht. Der Name ist nicht nur Kennzeichen der Person, sondern auch Teil ihrer Persönlichkeit. Über den Namen soll auch das Identitätsinteresse des Einzelnen geschützt und verhindert werden, dass jemand durch die Benutzung des fremden Namens nicht bestehende Beziehungen zum Namensträger vorspiegelt.
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Namensschutz genießen auch die juristischen Personen des öffentlichen (OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 588; NJW 1991, 1487: Universitätswappen und -siegel) und des Privatrechts, ebenso die OHG, KG, nichtrechtsfähige Vereine (RGZ 78, 101: Gesangverein Germania) und andere Personenvereinigungen. Deren zum Teil fehlende Rechtsfähigkeit schließt nicht aus, dass sie als im Rechtsleben selbstständig auftretende Einheiten bezüglich ihres Namens den juristischen Personen gleichgestellt werden. Den Namensschutz politischer Parteien regelt § 4 ParteienG. Im Handelsrecht tritt neben den bürgerlichen Namensschutz (§ 12 BGB) der handelsrechtliche Firmenschutz (§ 37 HGB). Die Firma ist der Name, dessen sich der Kaufmann im Handelsverkehr bedient, § 17 HGB. Die Firma und andere geschäftliche Bezeichnungen werden zusätzlich vor Verwechslungsgefahr und Rufausbeutung geschützt durch §§ 5, 15 MarkenG.
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3. A hat jedoch im Fall 4 das Namensrecht der F, auch wenn die Besucher sie sogleich wiedererkennen, nicht verletzt. Berührt ist hier vielmehr das Recht am eigenen Bild. Dieses besondere Persönlichkeitsrecht ist (systematisch verfehlt, nur historisch zu erklären) nicht in § 823 I geregelt, sondern in §§ 22 ff Kunsturhebergesetz (KUG) und damit über § 823 II (Schutzgesetz, auch iVm § 201a StGB) deliktisch geschützt. Es steht keineswegs nur Künstlern, sondern jedermann zu. § 22 KUG anerkennt jedoch kein umfassendes Recht am eigenen Bild, sondern beschränkt den Schutz auf bestimmt bezeichnete Tatbestände. Hiernach kann die abgebildete Person nur die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung ihres Bildnisses verbieten. Dieses besondere Persönlichkeitsrecht will die Person also nur davor schützen, dass sie gegen ihren Willen ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird. Vgl die zusätzlichen Einschränkungen im Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu Lasten vor allem von Persönlichkeiten der Zeitgeschichte (§ 23 I Nr 1 KUG) und im „höheren Interesse der Kunst“ (Nr 4).
Da A das Bild weder verbreitet noch öffentlich zur Schau gestellt hat, kann F aufgrund des Rechts am eigenen Bild nicht gegen A vorgehen. Auch § 201a StGB greift hier nicht, weil F sich bei der Herstellung der Aufnahme nicht in einem geschützten Raum befunden hat.
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II. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
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1. Diskutiert wird ein allgemeines Persönlichkeitsrecht schon seit über 100 Jahren, doch hat es die Rechtsprechung erst 1954 unter dem Eindruck von Art. 1, 2 GG anerkannt.
Grundlegend BGHZ 13, 334 (Leserbrief); BVerfGE 34, 269 (Soraya). Vgl MüKo-Rixecker7 Anhang § 12; Hubmann, Persönlichkeitsrecht2 1967. Speziell zum Recht am eigenen Bild BGHZ 20, 345 (Paul Dahlke); zu dem seit langem anerkannten Urheberpersönlichkeitsrecht RGZ 79, 397 (Felseneiland mit Sirenen); Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht8 2017, Rn 353 ff und §§ 12–14 UrhG.
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Das allgemeine Persönlichkeitsrecht soll die Person in allen ihren Ausstrahlungen und ihrer Intimsphäre schützen. Seine Problematik besteht darin, dass die Konturen dieses Rechts nicht so klar und nicht mit der „Warnwirkung“ für Dritte abgegrenzt sind, wie das bei den anderen in § 823 ausdrücklich genannten absoluten Rechtsgütern der Fall ist. Diese Rechtsgüter sind von jedem Dritten zu respektieren, ohne dass (vorbehaltlich besonderer Rechtfertigungsgründe, s. unten Rn 113) eine Abwägung zwischen den Interessen des Geschützten und des Eingreifenden stattfinden müsste. Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum können nicht verletzt werden, ohne dass der Handelnde eine ihm erkennbare Schranke durchbricht. Im Gegensatz dazu muss beim Persönlichkeitsrecht (als so genanntes Rahmenrecht) die Rechtswidrigkeit positiv festgestellt und hierbei zwischen diesem und anderen ebenfalls grundrechtlich geschützten Werten abgewogen werden, insbesondere gegenüber dem Grundrecht auf kritische Meinungsäußerung und der Kunstfreiheit. Wie schwer das im Einzelfall ist, belegen zahlreiche Gerichtsentscheidungen, zB BVerfG NJW 1987, 2661 (Karikatur von Franz Josef Strauß); BGHZ 84, 237 = NJW 1983, 1194 mit Anm. Zechlin (satirisches Gedicht); und der Mephisto-Fall (s. oben Rn 40, auch zum postmortalen Persönlichkeitsrecht).
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Die für das Persönlichkeitsrecht charakteristische Abwägung fällt im Fall 4 leicht. Das ungefragte Fotografieren einer Person als Bildmotiv (vgl § 23 I Nr 2 und 3 KUG!) bedeutet grundsätzlich eine Persönlichkeitsverletzung (OLG Hamm JZ 1988, 308 mit Anm. Helle; Dasch, Die Einwilligung zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild, 1990, S. 24 mwN). Das gilt ganz besonders für heimliche und Nacktaufnahmen (vgl BGHZ 207, 163 = JZ 2016, 908 mit Anm. Götting: Besitz von Nacktfotos nach Ende der intimen Beziehung). A hat auch kein anerkennenswertes Gegeninteresse, das etwa bei zu Beweiszwecken angefertigten Fotos vorliegen kann. Selbst wenn das Bild künstlerische Qualitäten (§ 2 I Nr 5 UrhG) besitzen sollte, kann A für sich auch nicht die Kunstfreiheit ins Feld führen, da das Interesse der F an der Wahrung ihrer Intimsphäre Vorrang hat (vgl § 23 II KUG).
Bereits das Herstellen des Bildnisses erfüllt den Tatbestand (zwar nicht des § 22 KUG, aber) der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der F (vgl BGHZ 207, 163 Tz 31). Gleiches gilt für das (wenn auch nichtöffentliche) Zurschaustellen des Bildes durch A. Darüber hinaus handelt es sich beim Herstellen des Bildnisses um eine von Art. 6 I DSGVO nicht gedeckte Verarbeitung personenbezogener Daten (vgl Art. 4 Nr 2 und den Löschungsanspruch in Art. 17 I lit. c und d DSGVO).
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2. Zu untersuchen bleibt, welche konkreten Ansprüche der F zustehen. Mit gewöhnlichen Schadensersatzansprüchen aus § 823 ist ihr nicht zu helfen, da sie keinen Vermögensschaden nachweisen kann; auch wird der Schaden nicht dadurch beseitigt, dass A die weitere Ausstellung des Bildes unterlässt.
Um Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angemessen sanktionieren zu können, setzt sich die Rechtsprechung deshalb rechtsfortbildend über den Wortlaut des § 253 hinweg und gewährt einen Schadensersatz in Geld für den immateriellen Schaden (erstmals im Herrenreiterfall BGHZ 26, 349; gebilligt von BVerfGE 34, 269. Lesenswert auch der Ginsengfall BGHZ 35, 363). Hier jedoch verlangt F kein Schmerzensgeld (zu dessen Bemessung bei der Veröffentlichung eines „oben ohne“-Fotos in einer Zeitschrift OLG Oldenburg NJW 1989, 400). F will vielmehr für die Zukunft ein bestimmtes Verhalten des A erzwingen.
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Der Abwehr eingetretener und künftiger Störungen dienen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, die von der Existenz eines Schadens und vom Verschulden des Störers unabhängig sind. Derartige Abwehransprüche sieht § 1004 zum Schutz des Eigentums vor (sog. actio negatoria); ebenso für bestimmte andere Rechte zB § 12 BGB, § 37 II 1 HGB, § 97 I 1 UrhG. Dieser Rechtsgedanke lässt sich auch für andere absolut geschützte Rechtsgüter dienstbar machen, die nicht weniger schutzwürdig sind als das Eigentum. Zum Schutz aller Rechtsgüter des § 823 sind deshalb analog § 1004 (sog. quasinegatorische) Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche anerkannt, die insbesondere für den Persönlichkeitsschutz von zentraler Bedeutung sind (BGHZ 91, 233, 239).
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Der Unterlassungsanspruch ist begründet, wenn künftige Störungen zu befürchten sind, § 1004 I 2 (Wiederholungsgefahr), darüber hinaus aber auch, wenn eine Störung erstmals ernsthaft droht (vorbeugende Unterlassungsklage). Mit dem Urteil werden für den Fall der Zuwiderhandlung Geld- und Haftstrafen angedroht, § 890 ZPO.
Mit dem Unterlassungsanspruch könnte F erreichen, dass dem A untersagt wird, das Bild anderen Personen zugänglich zu machen. Es wird allerdings nicht einfach sein, dieses Verlangen so genau zu bezeichnen, dass dem prozessualen Gebot eines bestimmten (vollstreckungstauglichen) Klageantrages, § 253 II Nr 2 ZPO, genügt wird.
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Der daneben bestehende Beseitigungsanspruch bezweckt, die Störungsquelle zu verstopfen (vgl BGHZ 97, 231, 236 f). Das ist nicht zu verwechseln mit dem verschuldensabhängigen Anspruch auf Ersatz eines endgültig eingetretenen Schadens! Vgl Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht8 2011, § 35 Rn 18.
Damit könnte F die Vernichtung des rechtswidrig hergestellten Bildes und des Negatives erreichen, nicht aber deren Herausgabe. Der Beseitigungsanspruch reicht nur soweit, wie zur Beseitigung der Störung unbedingt nötig (BGHZ 107, 384, 393 – Emil Nolde).