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II. Handlungsfähigkeit, Arten der Handlung
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Neben der Verletzung des Eigentums setzt ein Schadensersatzanspruch der F gegen A und B weiter voraus, dass die Kinder rechtlich für ihr Verhalten verantwortlich gemacht werden können. Hier kommt eine Verpflichtung zur Zahlung von 100 € aufgrund des Deliktstatbestandes von § 823 I in Betracht. Da A und B noch nicht erwachsen sind, ist fraglich, ob sie durch ihr Handeln Rechtsfolgen auslösen können.
1. Handlungsfähigkeit bedeutet, durch eigene Handlungen Rechte und Pflichten begründen, sich rechtserheblich verhalten zu können. Ist eine Person, zB ein Neugeborenes, nicht handlungsfähig, dann können andere für sie handeln. Das ist notwendig, damit das Rechtssubjekt am Rechtsverkehr überhaupt teilnehmen kann (s. oben Rn 5). Der allgemeine Begriff der Handlungsfähigkeit kommt im Gesetz nicht vor. Das BGB unterscheidet nur nach Art der jeweiligen Handlung besondere Handlungsfähigkeiten, so zB für das rechtsgeschäftliche Handeln die Geschäftsfähigkeit (sie entscheidet, ob und unter welchen Bedingungen Kinder Verträge schließen können, vgl §§ 104 ff und unten Rn 190 ff) und die Deliktsfähigkeit als Voraussetzung der Verantwortlichkeit für unerlaubtes Verhalten (Tun oder Unterlassen), hier für die Haftung von A und B aus Delikt gemäß § 823.
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2. Die Aufgliederung der Handlungsfähigkeit in Teilbegriffe beruht darauf, dass einem Menschen nur solches Verhalten, insbesondere eines mit Haftungsfolgen, zugerechnet werden darf, das er steuern und in seiner rechtlichen Bedeutung erkennen konnte. Diese Zurechnungsvoraussetzungen sind verschieden, je nachdem ob es sich um ein Rechtsgeschäft, um eine unerlaubte Handlung oder um ein erlaubtes, tatsächliches Tun (einen sog. Realakt) handelt. Auf dieser Grundlage unterscheidet das BGB die Geschäftsfähigkeit (= Fähigkeit, durch eigene Willenserklärungen Rechte und Pflichten begründen zu können) von der Deliktsfähigkeit (= Fähigkeit, durch eigenes tatsächliches Verhalten Pflichten zu begründen). Von der Willens- und Erkenntnisfähigkeit unabhängig ist die Fähigkeit, Realakte zu bewirken. Beim Realakt kommt es nur auf den tatsächlichen Erfolg an: Auch ein Geisteskranker kann ein Kunstwerk schaffen (vgl § 7 UrhG), auch ein Kind einen Schatz finden (§ 984).
Die Handlungsfähigkeit ist danach eng mit den Handlungsarten verknüpft. In der Theorie unterscheidet man juristische Tatsachen (zB Geburt, Tod) von juristischen Handlungen im Sinne eines äußeren, vom natürlichen Willen getragenen Verhaltens. Letztere lassen sich in Willenserklärungen (bei denen die Rechtsfolge eintritt, weil sie der Erklärende will) und in andere Rechtshandlungen unterteilen, bei denen die Rechtsfolge ohne Rücksicht auf den Willen eintritt; hierunter fallen geschäftsähnliche Handlungen (s. unten Rn 178), Realakte und unerlaubte Handlungen (vgl Hübner2 Rn 577 ff).
Das BGB verlangt für das (aus mindestens einer Willenserklärung bestehende) Rechtsgeschäft ein höheres Maß an Einsicht als für die deliktische Verantwortlichkeit: Es fällt schwerer, das Für und Wider eines Vertragsschlusses abzuwägen, als Erlaubtes von Unerlaubtem zu trennen.
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3. Ob F gegen A und B einen Schadensersatzanspruch wegen des zerstörten Hutes hat, hängt somit davon ab, ob A und B deliktsfähig sind. Der sechsjährige B ist aus § 823 I nicht zum Schadensersatz verpflichtet, weil er gemäß § 828 I deliktsunfähig (verschuldensunfähig) ist und jegliche Anhaltspunkte für den Ausnahmetatbestand des § 829 fehlen. Die Altersgrenze in § 828 I von sieben Jahren ist starr; auf die individuelle Einsichtsfähigkeit des B kommt es hier nicht an.
A als Vierzehnjähriger ist dagegen gemäß § 828 III bedingt deliktsfähig. Hier kommt es darauf an, ob A im Augenblick der Handlung die Einsicht besaß, Unrecht zu tun und dafür Verantwortung tragen zu müssen. (Umstritten ist, ob dazu noch die Fähigkeit kommen muss, dieser Einsicht entsprechend zu handeln; verneinend BGH NJW-RR 2005, 327, 328.) Im Gegensatz zu den abstrakt-generellen Regeln des § 828 I und der §§ 106 ff für die Geschäftsfähigkeit, bei der das Gesetz auf die individuellen Eigenschaften des nicht Vollgeschäftsfähigen ebenso wenig Rücksicht nimmt wie auf die Art und Schwierigkeit des Geschäfts (s. unten Rn 190), stellt § 828 III auf die konkrete Person und die einzelne Handlung ab, wenn es um die Verantwortlichkeit für unerlaubtes Verhalten geht. Eine andere Frage ist, ob man einen einsichtsfähigen Minderjährigen allein deshalb stets der unbegrenzten deliktischen Haftung aus §§ 823, 249 unterwerfen darf (zu diesem Problem Goecke NJW 1999, 2305 ff).
Im Allgemeinen ist einem Vierzehnjährigen bewusst, dass er Unrecht tut, wenn er Erwachsene mit Gegenständen bewirft. Dass A die Erwachsenen ärgern wollte und aus einem Versteck heraus handelte, zeigt gerade, dass ihm das Unrecht seines Verhaltens bewusst war. Da A widerrechtlich und vorsätzlich gehandelt hat, muss er der F die Kosten für den neuen Hut ersetzen.
Neben der aus § 823 I kommt auch eine Haftung (wiederum nur) des A aus § 823 II iVm § 303 StGB in Betracht. Für § 823 II müssen sämtliche Voraussetzungen des Schutzgesetzes erfüllt sein. Bei strafrechtlichen Schutzgesetzen wie § 303 StGB muss der Schädiger deshalb auch strafmündig sein; vgl § 19 StGB, §§ 1, 3 JGG. Neben einer erhöhten Altersgrenze (14 anstatt 7 Jahre bei der Deliktsfähigkeit in § 828 I) gilt auch insoweit ein individueller Maßstab: Der Jugendliche muss die nötige Reife haben, „das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln“, § 3 Satz 1 JGG.
Teil I Die Rechtssubjekte › § 3 Das subjektive Recht. Handlungs- und Deliktsfähigkeit. Erwerb und Verteidigung subjektiver Rechte › III. Schutz und Grenzen der subjektiven Rechte