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2.3 Fundamentale Annahmen der mystisch-religiösen Denkweisen

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Das die uns umfassende Natur, einschließlich die des körperhaften ICH, Naturgesetzen unterworfen ist, folgt aus den Erfahrungen mit ihr. Unser Wissensdrang suchte daher seit jeher nach gesetzlichen Regeln und ihren Ursachen. Es scheint, als geschehen alle Phänomene der Natur nicht grundlos. Dieses Prinzip nennt man: „PRINZIP DES ZUREICHENDEN GRUNDS“ [17]. Es ist eine fundamentale Annahme, ein sogenanntes Axiom, und intuitiv in unser aller Denken als wahr empfunden.

Neugierig nach Zusammenhängen zwischen Naturvorgängen suchend, gelang es Wissenschaftlern, immer wieder grundsätzliche Glaubenssätze bzw. Axiome in Bezug auf fundamentale Verhaltensweisen von Naturobjekten zu finden und außerordentlich komplexe Vorgänge auf diese zurückzuführen. Diese Axiome sind hierbei verallgemeinernde Zusammenfassungen von zahllosen Erfahrungen über Naturvorgänge und werden als nicht beweisbar aber wahr geglaubt. Jedes Naturphänomene beschreibende Naturgesetz gilt als bewiesen und korrekt, wenn es sich entweder auf schon bewiesene Naturgesetze oder auf, als wahr geglaubte Axiome zurückführen lässt. Die Hoffnung, dass Axiome irgendwann beweisbar und begründbar sein würden, brach spätestens im 20. Jahrhundert zusammen. Manche fundamentale Annahmen müssen geglaubt werden, behalten grundsätzlich ihren Status als Axiom. Sie sind prinzipiell nicht beweisbar, - da sie zum Beispiel nicht beliebig oft, an jedem denkbaren Ort und zu jedweder Zeit überprüfbar sind. Eine Kongruenz zwischen „wahr“ und „beweisbar“ scheint für gewisse Sachverhalte grundsätzlich nicht möglich zu sein (siehe z.B. die „Goldbachsche Vermutung“ in der Zahlentheorie oder der „Gödelsche Unvollständigkeitssatz“ formaler Systeme in der mathematischen Logik). Das Prinzip „Phänomene geschehen nie grundlos“ war nicht zu halten. Es stellte sich heraus, dass es unmöglich ist, Naturmodelle zu entwickeln, deren Wahrheitsgehalt grundsätzlich beweisbar ist. Diese Erkenntnis zeigte uns die fundamentalen Grenzen auf, die das individuelle Erkenntnisstreben niemals durchstoßen kann. Einige Axiome werden, in Folge unseres wachsenden Verständnisses der Natur, verfeinert, erweitert oder in verallgemeinerte Axiome zusammengefasst werden.

Nehmen wir beispielsweise das 2. Newtonsche Axiom der Mechanik: Jede Kraft verursacht eine beschleunigte Bewegung gegen einen, durch die Masse des bewegten Objekts repräsentierten Widerstand. Dieses Axiom fasst fundamentale Erfahrungstatsachen zusammen und ist im entsprechenden Naturmodell für das Bewegungsverhalten von Körpern unter der Einwirkung von Kräften ein Grundprinzip. Jeder von uns hat unter Krafteinsatz gehoben, geschoben, festgehalten, usw.. Dieses grundsätzliche Prinzip ist unzählig oft getestet worden. Das, auf das 2. Newtonsche Axiom der Mechanik aufbauende Naturmodell (im Zusammenhang mit zwei weiteren) ermöglicht eine ungeheure Vielfalt von Konstruktionen im Maschinenbau, im Fahrzeugbau, im Gebäude-, Brücken-, Straßenbau, in unzähligen Anwendungen. Ja, selbst die zu entfernten Planeten unseres Sonnensystems geschickten Sonden gehorchen den im Rahmen dieses Naturmodells berechneten Bahnen. Trotzdem fand man Grenzen der Gültigkeit dieser Axiome. Sie gelten nur im Bereich geringer Geschwindigkeiten, Beschleunigungen und Schwerkräften. Für unsere Vorstellungskraft ist jener Gültigkeitsbereich aber riesig. Denn die Geschwindigkeit muss beispielsweise sehr viel kleiner sein als gewaltige 300 000 Kilometer pro Sekunde (Lichtgeschwindigkeit). Oder bei der Berücksichtigung der Schwerkraft und als Vergleichsskala die Erdanziehung annehmend, gilt dieses Axiom in einer Umgebung von ca. einem Lichtjahr, der Entfernung, die das Licht in einem Jahr zurücklegt (100 Billionen Kilometer, eine Zahl, mit 14 Nullen hinter der 1). Der Gültigkeitsbereich ist für menschliche Vorstellungen riesig.

Da wir nicht in der Lage sind, in irgendwelchen Sonnensystemen unserer Galaxis oder anderen Sternenansammlungen, diese Axiome zu testen, müssen wir glauben, dass sie überall, zu allen Zeiten und in beliebiger Wiederholbarkeit wahr sind. Es ist notwendig, hierbei im Gültigkeitsbereich zu bleiben, das heißt, wir dürfen nur kleine Geschwindigkeiten, Beschleunigungen und Schwerkräfte betrachten.

Später wurden diese Axiome durch eine allgemeinere Annahme zum kürzesten Weg von Objekten in einer durch die Materie verbogenen „Raum–Zeit“ erweitert. Sie gingen in grundsätzlichere Annahmen auf, die nicht mehr die obig erwähnten Einschränkungen über Geschwindigkeit, Beschleunigung und Schwerkraft besaß.

Dieses bewusst auf Grundannahme aufbauende, rational-materialistische Denken stellte sich als eine außerordentlich erfolgreiche Methodik im Erkenntnisstreben heraus. Es drängt sich die Frage auf, ob diese Denkweise uns nicht, beim zusammenfassenden Einordnen der zahlreichen mystisch-religiösen Erfahrungen, weiterhilft und, nicht so anspruchsvoll gedacht, uns beim Erkennen von religiösen Axiomen der Weltreligionen leiten könnte. Mit dieser Denkweise wird es leichter fallen, sich in eine Frage von Planck hineinzudenken, der er in einem Vortrag zur „Religion und Naturwissenschaft“ [2] nachging. Max Planck fragte dort: „Welche grundsätzlichen mystischen Erfahrungen werden von den Religionen den Gläubigen abverlangt und was für Glaubenssätze sind für eine echte Religiosität notwendig?“ Und weiter: „Auf was für eine Weise erkennen und aus was für Grundannahmen folgern wir die Gesetze, die uns die Naturwissenschaft lehrt.“.

Der religiöse Schwarm

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