Читать книгу Der religiöse Schwarm - Harald Gerhard Paul - Страница 22
3.1.4 Die Schöpfungsgeschichte
ОглавлениеDie großen, monotheistischen Weltreligionen, aus zum Teil unterschiedlichsten und getrennten Kulturregionen, haben eines gemeinsam: Sie führen die Entstehung der für uns denkbaren Welt auf einen „göttlichen Erzeugungsprozess“ zurück, der in mehreren Stufen eine „göttliche“ Homogenität und Isotropie alles Seienden, eine absolute Symmetrie alles Seienden, in Unterscheidbares aufbrach.
Die Lehren der Tora beginnen mit der Genesis, mit der Erschaffung des für uns denk- und beschreibbaren Seienden und dem Anfang einer Menschwerdung auf dieser Erde, mit dem Mythos von einer Eva und einem Adam. Die Schöpfungsgeschichte über Adam und Eva entspricht zwar nicht den gegenwärtigen Erkenntnisstand in Bezug auf die biologische Evolution und der Herausbildung der verschiedenen Zweige im Stammbaum des Menschen – kann aber in Form einer Metapher als „wahr“ geglaubt werden, wenn sie als der Beginn einer zu definierenden „geistigen Menschwerdung“ interpretiert wird.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Naturwissenschaften uns geeignetere Erklärungen über die Entstehung der Welt, der Evolution des Lebens und der Herausbildung der Menschheit lehren als die Bibeltexte, - sofern man sie denn wortwörtlich nimmt. Niemand, der vertraut ist mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften, glaubt, dass unser Kosmos von einer Superintelligenz per „Wochenfrist“ konstruiert wurde und er weiß, dass die Entwicklung zum heutigen Menschen ein jahrmillionenlanger Weg der Evolution war.
Aber, man halte sich vor Augen: Mystik und Wissenschaft haben unterschiedliche innere Haltungen zur Welt. Mystik sucht nach persönlichen Erfahrungen mit der, sich in der letzten Wahrheit über das allerfassende Sein offenbarenden, einzig göttlichen Wesenheit. Sie trachtet nach „vernünftigen“ Welterfahrungen. Wissenschaft sucht Welterklärungen. Beide müssen sich von einander abgrenzen und wo es möglich scheint, ergänzen. Das Eine hat im Anderen nichts zu suchen.
Die Schöpfungsgeschichten der Bibel schildern die im Altertum und in der Antike gemachten Erfahrungen und „Begegnungen“ mit einer als göttlich empfundenen Natur, die auf einen „Anfang“ des Naturgeschehens ausgedehnt wurden. Gustav Mensching [27] schrieb: „Aus dieser erlebnishaften Begegnung gestaltet die mythische Fantasie und die fantastische Spekulation der menschlichen Frühzeit Vorstellungen, Gedanken und Bilder über den Ursprung und den Bau der Welt.“ Und weiter meinte er: „Der Mythos ist nicht primär Erklärung der Welt, sondern er ist der vielfach fantastische Ausdruck einer Begegnung mit heiligen Mächten in und an der Welt.“ Die Schöpfungsgeschichte sollte somit nicht wortgetreu und eins zu eins als Beschreibung des „Anfangs“ der Welt genommen werden. Wenn wir die Erfahrungen des Menschen mit der als göttlich empfundenen Natur und das Verspüren eines „Anfangs“ unserer Welt nachvollziehen möchten, wenn wir den „Kern“ der Schöpfungsgeschichte erkennen wollen, dann müssen wir Gegenwartsmenschen sie von der mythischen und bildhaften Sprache der menschlichen Frühzeit entkleiden. Was bleibt aber danach übrig? Mutmaßlich eine modern interpretierbare, von „urzeitlichen“ Metaphern befreite Geschichte des „Beginns“ einer Evolution des für uns erfassbaren Seienden, - die naturgemäß nicht als physikalische Theorie einer urknallartigen Seins– und Weltschöpfung verstanden werden kann und darf. Die Genesis der Bibel ist kein wissenschaftliches Werk. Sie schildert, in der Sprach- und Vorstellungswelt des Altertums, einen für den damaligen Menschen denkbaren Anfang des für ihn erkennbaren Seins. Um den Kern der Schöpfungsgeschichte aufzudecken, müssen wir sie befreien von der Sprach- und Vorstellungswelt des Altertums und sie reduzieren auf die eigentlichen Aussagen.
Versuchen wir beispielhaft, auf eine zugegeben recht spekulative Weise, eine rationale Deutung der Schöpfungsgeschichte in der Genesis der Bibel. Sie soll nur die Möglichkeit der Interpretation demonstrieren, die uns diese Geschichte einräumt, wenn wir sie von der mythischen Fantasie und fantastischen Spekulation der menschlichen Frühzeit entkleiden. Sie soll auf die Weisheitslehren aufmerksam machen, die als Kernaussagen in ihr ruhen.
Im 1. Buch Mose Kap. 1 Vers 1 ff. der hebräischen Bibel [26] steht gleich zu Beginn: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“.
Es ist als Erstes anzumerken, dass hier nicht der Himmel und die Erde unserer irdischen Welt gemeint sind. Denn zufolge der zu dieser Zeit vorherrschenden, vorderorientalischen Auffassung, wurde unter „Himmel und Erde“ ein dreigeteiltes „Himmlisches All“ verstanden. Dieses, so stellte man es sich damals vor, bestand aus den „Himmelszonen“, dem „erdartigen Firmament“ und dem „himmlischen Himmel“. (Siehe S. 16 bei Mensching, 1955 [27]; das am „Anfang“ erzeugte dreigeteilte „Himmlische All“ wird bei Weidner [28] in Himmel, himmlisches Erdreich und Himmelsozean übersetzt und interpretiert. Der Begriff „Erde“ hat hier nichts mit unseren terrestrischen Räumen zu tun!) Dieses dreigeteilte „Himmlische All“ wird vor und unabhängig von dem, später entstehenden, dreigeteilten „irdischen All“ geformt. Das irdische All, so stellte man es sich damals vor, bestand aus dem Meer, der Erde und dem Lufthimmel. Im monotheistisch angelegten Schöpfungsbericht des Alten Testaments wird das, in der vorderorientalischen Auffassung, am „Anfang“ geschaffene dreigeteilte „Himmlische All“, auf ein elementar Zweigeteiltes „Himmel und Erde“ reduziert. Das bedeutet, die Aussage des ersten Schöpfungsaktes besagt: Es wurde etwas prinzipiell Verschiedenes, sich grundsätzlich Ausschließendes aber Zusammengehörendes, geschaffen. Hierin liegt eine tiefe Weisheit. Die Gesamtheit des Seins offenbart sich anfänglich in zwei duale Daseinsformen „Himmel“ und „Erde“. Noch einmal zur Erinnerung: Hier hat die Bezeichnung „Erde“ nichts mit unseren irdischen Gefilden zu tun, sondern sie dient allein als Metapher für irgendetwas „Erdartiges“, etwas grundsätzlich Gegensätzliches und Verschiedenes in Bezug auf das „Himmelartige“. Damit sagt uns das Alte Testament, entkleidet von den mythischen Fantasien und Erfahrungswelten der menschlichen Frühzeit, dass aus der Gesamtheit des Seins eine elementare Dualität zwischen dem Himmelartigen und dem Erdartigen aufbrach. Beides waren gegensätzliche, sich ausschließende, aber sich ergänzende Seinsformen. Das göttliche Sein brach auf, erzeugte eine Trennung zwischen der geistigen Manifestation („Himmelartiges“) und der materiellen Manifestation („Erdartiges“) alles Seienden. Die prinzipielle Dualität zwischen „Geistigem“ und „Materiellen“ bzw. „Information“ und „Energie“ reflektiert den geistigen Austausch unter den materiellen Objekten, die Wechselwirkungen des Seienden, den Informationsaustausch in der für uns beobachtbaren und erfassbaren Natur. Das einheitliche, einzige „göttliche Sein“ manifestierte zwei Aspekte seines Daseins, die „Information“ und die „Materie“. Dass wir Menschen nur in dieser Dualität denken können und nicht in der Lage sind die göttliche Wesenheit als ein vorgeordnetes Sein zu empfinden, ist deshalb wenig erstaunlich.
In unserem Interpretationsversuch wird die für uns beobachtbare Manifestation des „Schöpfergottes“ zum einen sichtbar in seinem geistigen und zum anderen in seinem materiellen Aspekt. Diese beiden komplementären (zueinander gegensätzlichen aber sich ergänzenden) Seinsformen „geistige Manifestation“ („Himmelartiges“) und „materielle Manifestation“ („Erdartiges“), bzw. Information und Energie, suggerieren, aufgrund unserer Beobachtungen der Natur, die fundamentale Vermutung, dass eine grundsätzliche Unbestimmtheitsrelation zwischen den beiden, komplementären Formen „Geist“ und „Materie“ existieren muss. Das heißt: Ist der Grad des Erkennens der einen Seinsform abhängig von dem Erkenntnisgrad in Bezug auf die andere Seinsform? Berücksichtigen wir unsere Beobachtungen in der uns umgebenden und ausfüllenden Natur, so drängt sich die Annahme auf: Je vollständiger ich ein geistig Seiendes erkenne, desto unvollständiger erkenne ich ein materiell Seiendes – und umgekehrt: Je vollständiger ich ein materiell Seiendes erkenne, desto unvollständiger erkenne ich ein geistig Seiendes. Für den Schöpfergott, von dem angenommen wird, dass er vor, neben und in der von ihm geschaffenen fundamentalen Dualität der komplementären Formen „Geist und Materie“ existiert, gibt es diese prinzipiell sich ergänzenden aber sich ausschließenden Aspekte alles Seienden nicht. Für ihn ist Geist und Materie etwas Einheitliches, nicht Gegensätzliches. Der Schöpfergott ist nicht an eine Art Unbestimmtheitsrelation zwischen Geist und Materie gebunden - und ist deshalb für uns, für die an komplementäre Formen „Geist und Materie“ gebundenen Daseinsformen, nicht erfassbar bzw. nicht denkbar.
Diese Überlegungen, etwas vereinfacht gedacht, finden sich durchaus in unserer Lebenserfahrung wieder. Denn: Je mehr ich mein Selbst auf rein Geistiges konzentriere, desto mehr entfernt es sich von der materiellen Wirklichkeit – und umgekehrt. Wer der Einheit seiner Daseinsform versucht, nach zu spüren, forscht nach einer „Letzten“ Wahrheit, bemüht sich, seinen Seinsinn zu finden, sucht letztlich den „Schöpfergott“ oder sucht, wie im chinesischen Denken konsequent unbestimmt gelehrt, das namenlose „Tao“.
Unbestimmtheitsrelationen zwischen komplementären Formen der Natur finden wir sowohl in den Naturwissenschaften als auch im mystischen Denken. In der Physik ist die Unbestimmtheit in der Quantendynamik erkannt. Nach jeder Zustandsmessung an einem Mikroteilchen (Quant) wechselt es in einen „Neuen“, unvorhergesehenen Zustand, - und der ist unbestimmt und er liefert dem Beobachter bei jeder erneuten Messung immer wieder neue Information über sich, während die Alte verloren geht. In der chinesischen Mystik, im Taoismus, kennt man ebenfalls eine Unbestimmtheitsrelation zwischen den komplementären Urkräften „Yin und Yang“. (Näheres dazu folgt im Abschnitt zur fernöstlichen Mystik.)
In der Genesis startet das für uns erfahrbare kosmische Sein mit der Erzeugung der komplementären Seinsformen „Geist und Materie“ bzw. „Himmelartiges und Erdartiges“. Dieser Dualismus umschreibt die Dynamik, die Voraussetzung für den Wandel bzw. der Wechselwirkung zwischen allem Seienden in der für uns beobachtbaren Natur.
Komplementäre Objekte im Sein sind allgegenwärtig und nur auf dem ersten Blick etwas Geheimnisvolles, schwer Verstehbares. Ein, zugegebener Maßen, „hinkendes“ und idealisierendes Beispiel soll versuchen, zwei zueinander gegensätzliche aber sich ergänzende, somit komplementäre Erscheinungsformen eines Objekts anschaulich werden zu lassen. Wir betrachten eine beliebig dünne Münze, die hochkant mit dem schmalen Münzenrand zu uns ausgerichtet ist und sich nah genug in Höhe der Nasenwurzel vor beiden Augen befindet. Schließen wir das rechte Auge, so können wir allein mit dem linken Auge die Kopffläche sehen. Schließen wir in derselben Position das linke Auge, so können wir allein mit dem rechten Auge die Zahlfläche erkennen. Wir haben je nach linker oder rechter Sichtweise (Beobachtungsmethode) zwei gegensätzliche Münzansichten, die aber notwendig ergänzend die Münze als Ganzes beschreiben. Kopffläche und Zahlfläche versinnbildlichen hier – vereinfacht - die komplementären Größen des Objekts „Münze“. Könnten wir notwendigerweise immer nur entweder ausschließlich mit dem rechten oder mit dem linken Auge sehen, wäre diese Komplementarität fundamental. (Ist sie in unserem Beispiel logischerweise nicht, denn es war nur ein Gedankenexperiment – wir sind ja in der Lage, Objekte in beliebiger Distanz, mit beiden Augen sehen.)
Die Unbestimmtheitsrelation zwischen Geist und Materie (Information und Energie) veranschaulichen wir uns ebenfalls mittels unseres, vereinfachenden Münzbeispiel. Wir lassen jetzt beide Augen offen und positionieren wieder die Münze hochkant, mit dem schmalen Münzenrand zu uns ausgerichtet und nah genug an der Nasenwurzel. Drehen wir sie jetzt jeweils entweder nach links oder rechts, so sehen wir, in einem gewissen Winkelbereich und in Abhängigkeit von der Drehrichtung, Anteile der komplementären Größen „Kopf- bzw. Zahlfläche“. Drehen wir die Münze in Richtung des linken Auges, so sehen wir immer größere Anteile der Kopffläche, während der Anteil der Zahlfläche schwindet. Drehen wir die Münze in Richtung des rechten Auges, so sehen wir immer größere Anteile der Zahlfläche, während der Anteil der wahrgenommenen Kopffläche schwindet. Die Beobachtung der hochkant gestellten Münze liefert uns ein naives, idealisiertes Beispiel dafür, wie unsere Betrachtungsweise (Beobachtungsmethodik) die „Bestimmtheit“ bzw. „Unbestimmtheit“ des Erscheinungsbilds eines Objekts definiert. Je genauer ich die Kopffläche wahrnehme oder bestimme, desto ungenauer bzw. unbestimmbarer wird für mich, als Beobachter, die Zahlfläche – und umgekehrt.
Betrachten wir ein weniger abstraktes Beispiel.
Lesen oder hören wir ein Gedicht und suchen in ihm nach dem, was es emotional bewegen kann, so fühlen wir sein „Geist“, empfinden in uns ein ganzes Spektrum erwachender Gefühlsregungen – verarbeiten eine komplizierte Palette an Informationen. (Wir unterstellen, dass wir ein emotional bewegendes Gedicht fanden.) Aber wir könnten uns ebenso sachlich zur drucktechnischen Darstellung, zu den verwendeten Materialien, etc., kundig machen. Wir können uns damit zwischen zwei Sichtweisen oder Beobachtungsmethoden für das Gedicht entscheiden. Die Ergebnisse dieser beiden, streng unabhängig voneinander erfolgenden Betrachtungen des Gedichts wären komplementär, gegensätzlich und sich notwendig ergänzend. Denn analysiere ich vor allem das Geistige bzw. die Information, so verliert letztlich die materielle Darstellung (Druckerschwärze, etc.) des Gedichts an Bedeutung. (Tonträger oder beliebig anderes Können dieselbe Information übermitteln.) Analysiere ich mehr die stoffliche, die materielle Erscheinungsform, so verblasst der geistige Aspekt bzw. die Information der Verse.
Diese vereinfachenden Beispiele sollten das Wesen des „Geist–Materie-Dualismus“ veranschaulichen.
Aber man kann auch Schilderungen in der biblischen Genesis für zeitgemäße, spekulativ-wissenschaftliche Interpretationen nutzen.
Im 1. Buch Mose Kap. 1 Vers 1 der hebräischen Bibel [26] ist zu Beginn der Schöpfung im zweigeteilten „Himmel und Erde“ die Daseinsform „Erde“ bzw. „Erdartiges“ bzw. „ Materie“ nicht näher entschieden. Im Vers 2 erfolgt eine bildhafte Darstellung des „erdartigen“, des materiellen Seins. Dort wird offenbart: „Und die Erde war wüst und leer, es war finster auf der Tiefe; [...].“ Frei von der mythischen Fantasie könnte angenommen werden, dass das Erdartige, das Materielle, vorerst in „wüster“ Form, somit regellos chaotisch in seinen Zuständen (nicht deterministisches Chaos) erschien. Zudem existierte es in „leerer“ Machart, das bedeutet, es hatte keine bestimmbare Erscheinungsweise, keinerlei unterscheidbare Anordnungen von Zuständen. Es besaß somit absolut ununterscheidbare Zustandsformationen. (Da eine Zustandsformation nur beobachtbar ist, wenn vergleichend ein Unterschied zu einer anderen möglich ist, heißt „leere Form“ hier nichts weiter als „beliebiger Chaoszustand aus jeder Beobachtungs- und Denkperspektive“.) Die Form des „Erdartigen“, des Materiellen besitzt somit vorerst nicht bestimmbare, chaotische Anordnungen von Zuständen - aus jeder Perspektive heraus betrachtet.
Hinzu kommt, dass die materiellen Formen des Seienden sich in diesem Schöpfungsstadium nicht „sahen“, gegenseitig unbeobachtbar waren - denn es herrschte „Finsternis in der Tiefe“, - wie die mythische Fantasie diesen Sachverhalt umschreibt. Die chaotischen Zustandsformationen waren wechselwirkungsfrei auf allen Skalen. Sie waren frei und ohne „Kenntnis“ voneinander - so könnten wir schlussfolgern.
„Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser“, wird im 1. Buch Mose Kap. 1 am Schluss von Vers 2 [26] offenbart. Interpretieren wir den Geist Gottes abstrakt als die Gesamtheit des geistigen Seins, als die allerfassende „Seinsinformation“ und beachten wir, dass in der Vorstellungswelt des Altertums nicht selten Wasser als ein grundlegendes Basiselement der materiellen Welt angesehen wurde, so kann diese Offenbarung im gleichen Sinne so gelesen werden, dass der geistige Aspekt (das „Himmelartige“) dem materiellen Aspekt (das „Erdartige“) aufgelagert ist. Entkleidet von der mythischen Fantasie sagt uns diese Offenbarung nochmals, dass Geist und Materie gegensätzliche aber sich notwendig ergänzende, folglich komplementäre Manifestationen Gottes sind. Man darf somit annehmen: Das geistige Sein ist dem materiellen Sein von Gott aufgelagert - und konsequenterweise gilt ebenso: Das materielle Sein ist dem geistigen Sein von Gott aufgelagert. Es wird hier einmal mehr die „Geist–Materie Dualität“ in ihren komplementären göttlichen Manifestationen offenbart.
Im 1. Buch Mose Kap. 1 Vers 3 und 4 [26] schuf Gott „Licht“ und „schied ... das Licht von der Finsternis“. Wir könnten diesen Schöpfungsakt, befreit von den anschaulichen Metaphern „Licht“ und „Nicht-Licht“, interpretieren als das Abspalten eines besonderen Materiezustandes, der ein gegenseitiges Erkennen, eine Wechselwirkung, zwischen Zustandsformen der Materie ermöglicht. Im Ablauf der Schöpfung war bisher nichts zu den Eigenschaften, zu den möglichen Zuständen der Materie, des „Erdartigen“, gesagt. Die Gesamtheit der Materie war, in diesem Stadium, nicht auf irgendwelche Zustandsformationen spezifiziert. Beliebige, nicht bestimmbare, chaotische Anordnungen waren zulässig. Sie waren bis dato als absolut symmetrisch (gleichförmig, ununterscheidbar) zu verstehen. Im Verlauf des Schöpfungsprozesses brach diese Symmetrie in unterscheidbare, unterschiedliche Zustandsformationen auf. Es bildete sich, mit dem Aufbrechen in unterscheidbare Formen, notwendig ein, den „Symmetriebruch“ stabilisierender Effekt. Er stellte quasi die „Symmetriebruchspannung“ dar, die entstand und ermöglicht die Erhaltung der unterschiedlichen Zustandsformationen. Er entspricht deshalb der regulierenden Wechselwirkung zwischen den materiellen Objekten im Sein, wirkt als ein Wechselwirkungsmedium, das einen gegenseitigen Informationsaustausch zwischen den unterschiedlichen Zustandsformationen verwirklicht. Da ein Information übertragendes Wechselwirkungsmedium, welches das wechselseitige Erkennen der materiellen Objekte ermöglicht, in der tiefen Vergangenheit der Menschheit nur als Licht vorstellbar war, entstand eben für diesen Vorgang die Metapher der Lichtschöpfung.
Und wie in der Schöpfungsgeschichte berichtet wird, sah Gott das „Licht“ und befand es als „gut“. Wenn ER das Auftauchen von materiellen Wechselwirkungsmedien, die die Möglichkeit der Informationsübertragung zwischen den unterschiedlichen Zustandsformationen der Materie ermöglichen, als gut bewertet, so stellt sich die Frage, ob überdies „schlechte“ Schöpfungen existieren. Warum nicht, sollte man meinen. Ein, unsere Lebensformen ermöglichendes Universum ist, in einer für uns erfassbaren Wertung, eine gute Schöpfung, während ein, für unsere Lebensform todbringendes Universum ebenfalls Resultat eines „Schöpfungsprozesses“ wäre, aber als schlechte Schöpfung für uns zu bewerten wären. Eine Multiversumvorstellung lässt viele „Schöpfungsexperimente“ zu.
Wie Vers 4 im 1. Buch Mose Kap. 1 [26] sagt, „schied Gott das Licht von der Finsternis“. ER schied somit voneinander Kenntnis Nehmendes, „sich Sehendes“, von nicht voneinander Kenntnis Nehmendes, „sich nicht Sehendens“. Die „sich nicht sehenden“ Zustände verharren wechselwirkungsfrei in der Finsternis, in gegenseitiger Unkenntnis von einander, während die „sich sehenden“ Zustände in Wechselwirkung miteinander stehen. Deshalb beschreibt dieses „scheiden von Licht und Finsternis“ – befreit von der archaischen, bildhaften Vorstellung - im Kern, das Entstehen wechselwirkender Zustände („Licht-Zustände“) und nicht- wechselwirkender Zustände („Finsternis – Zustände“).
In Vers 5 (1. Buch Mose Kap. 1 [26]) tritt eine erste Licht-Finsternis-Periode, die „Tag“ genannt wird auf, die sich in Folge wiederholen wird. Mit entsprechendem Abstraktionswillen können wir die Herausbildung einer „Zeitperiode“ (Tag) feststellen, die eine Wechselwirkungsperiode und eine wechselwirkungsfreie Periode umfasst. Da sie fortgeschrieben werden, wird uns ein, zwischen zusammenhängenden und nicht- zusammenhängenden Zuständen, fluktuierendes materielles Sein offenbart. Dies scheint zwar eine spekulative, aber faszinierende Interpretation der Genesis - und wird seltsamerweise in ähnlicher Form im Hinduismus gelehrt – wie wir später sehen werden.
Im Schöpfungsbericht wird von einem Anfang der Schöpfung gesprochen (1. Buch Moses Kap. 1 Vers 1 [26]). Es wird demnach ein Anbruch der Zeit, eine Zeitabfolge aller Wirkungen, angenommen. Die als wahr geglaubte Annahme zum Beginn eines Dualismus zwischen den komplementären Formen Geist und Materie sagt nichts über ein „Vorher“ aus und suggeriert höchstens, dass der „Schöpfergott“, vor dem Ausbruch des Schöpfungsprozesses in sich, keinem Gesetz unterworfen und als einzig existierend angenommen wird. Mit dem Beginn der komplementären Formen „Geist und Materie“ wurde eine, für uns erkennbare Natur, einschließlich ihrer Naturgesetzlichkeit, generiert, die unsere Existenz und Rolle als „Beobachter“ ermöglicht. Somit ist das für uns beobachtbare Sein den Gesetzen ausgeliefert, die sich im Verlaufe des Schöpfungsaktes herausbildeten. Die göttliche Wesenheit selbst ist diesen Naturgesetzen nicht unterworfen, ist nicht aufgespalten in die komplementären Formen „Geist und Materie“, denn SIE war vor dem Schöpfungsprozess. Die „Geist und Materie“ sind nur ein Aspekt, ein für uns beobachtbares Erscheinungsbild ihres Seins. Sie kann, konsequent gedacht, ihre Seinsformen wandeln und damit andere Naturgesetze folgen lassen; sie kann ebenso neue Universen schaffen oder ihre Schöpfung verändern. Sie wird deshalb als allmächtige Wesenheit und somit als einzig göttlich angenommen und als letzte kosmische Realität geglaubt.
Hier endet die alt-testamentarische Kosmogenese – in wenigen, aber schwerwiegenden Versen offenbart. Die fernöstliche Mystik räumt der Kosmogenes dagegen einen breiteren Raum ein.
Im fernöstlichen religiös-mystischen Denken werden die Annahmen zur Kosmogenese im Alten Testaments, zumindest in wesentlichen Aspekten, ebenfalls als wahr geglaubt. Auch dort manifestiert sich die göttliche Wesenheit in der für uns beobachtbaren Natur in den komplementären Seinsformen Geist und Materie, die nicht die Gesamtheit des Seins repräsentieren. Diese für uns erfahrbare Dualität „Geistiges Sein“ und „Materielles Sein“ in ihrem Unbestimmtheitszusammenhang bleiben in der Bibel und damit im Glauben des Judentums, des Christentums und des Islams fortdauernd bestehen. Im mystischen Denken des Hinduismus wird dagegen – wie wir später sehen werden – an eine ständig fluktuierende „Heilige Selbstopferung“ der göttlichen Wesenheit Brahman und seiner folgenden Manifestation geglaubt. Diese zyklische Vernichtung und Schöpfung ist das Hauptthema der indischen Mythologie. „Gott wird zur Welt, Welt wird zu Gott“, beschreibt einen rhythmischen, dynamischen, ständig ablaufenden Schöpfungsakt der Weltseele Brahman. Die für uns beobachtbare Natur wird in ungeheuren Zeiträumen, in einem fortdauernden Wandel erzeugt, bewahrt und vernichtet; sie unterliegt über gewaltige Zeitspannen hinweg den kosmischen Operatoren: Erzeugung, Erhaltung, Vernichtung (Trimurti). Im Hinduismus wird dieses rhythmische, dynamische Spiel der göttlichen Wesenheit als „Lila“ bezeichnet. Wir können diesen zyklischen Wandel als ein das gesamte Sein durchsetzenden, fluktuierenden Erzeugungs- und Vernichtungsprozess verstehen. Diese Annahme assoziiert auf faszinierende Weise mit elementaren Erscheinungen in der Welt der Quanten (Mikroteilchen), die die gesamte für uns erfahrbare Natur begründet. Damit wird im Hinduismus die Annahme als wahr geglaubt: Das von uns beobachtbare Sein ist eine „virtuelle“, eine flackernde Realität – ohne erkennbaren zeitlichen Rand; ohne Anfang oder Ende.
In der fernöstlichen Mystik erfährt man detailliertere Lehren zur Kosmogenese als im Alten Testament. Denn nach wenigen Versen zum Schöpfungsbericht der Bibel beginnt bereits die unsere Erde betreffende Schöpfungsgeschichte (1. Buch Moses, Kap. 1, Vers 9/10 – 12 [26]).
In dieser zweiten, sehr viel ältere Darstellung der Genesis (1. Buch Moses Kap. 2, [26]) über unsere irdische Welt zeigt sich beispielsweise im Vers 7 eine recht naive Vorstellung vom Wirken der göttlichen Wesenheit. Man liest dort: „Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase und also war der Mensch eine lebendige Seele.“ Das für uns rational Interpretierbare an dieser naiven, der Vorstellungswelt im Altertum geschuldeten Darstellung ist eine Zweiteilung der menschlichen Daseinsform in etwas Körperhaftes (Erdartiges) und etwas Geistiges - und der Annahme, dass das Wesentliche am Menschsein das Geistige, das geistige Selbst „Seele“ ist. Der „Mensch“ wird hier nicht auf seine Körperlichkeit, auf ein biochemisches Konstrukt reduziert, - sondern erst seine „Seele“ macht ihn zum Menschen: „Und also war der Mensch eine lebendige Seele“. In diesen naiven Worten steckt ein tiefsinniger Glaubenssatz. Der Körper wird der Träger eines geistigen Selbst, das sich splitterhaft aus der ethischen Essenz Gottes löst, im Sinne des II. religiösen Axioms verstanden. Der Mensch entsteht als Ganzheit aus „Seele“ und materieller Körperlichkeit. Er ist mit dieser aus der göttlichen Wesenheit abgezweigten „Seele“, erst Mensch geworden und mit der Möglichkeit einer ethischen Wirkung geschaffen.
Diese sehr viel ältere Darstellung der Menschwerdung ist schlicht und einfach gedacht. Einen aufgeklärten Gläubigen, vertraut mit der Theorie der menschlichen Evolution, hebelt diese fantasievolle Schilderung: „Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase und also war der Mensch eine lebendige Seele“ kaum aus. Sagt doch die originelle Legende um Adam und Eva nichts weiter, dass, irgendwann auf der Evolutionsleiter einer Menschwerdung, in der Gruppe der direkten Vorfahren des Menschen sich ein dem Tierreich entwachsener, besonderer Menschtypus herausbildete. Diesem neuen Typus wurde eine „Splitter“ der ethischen Essenz Gottes bewusst. Er begann moralische Normativen, wie beispielsweise die Nächstenliebe, ein kooperatives Prinzip und Achtung vor allem Lebendigen wie auch vor der ihn tragenden Natur, zu erfassen. Diese im Verlauf der Evolution sich mühsam herausbildende „menschliche“ Ethik, markiert dann den erwachenden Menschen in der Kette der Hominiden. Die Nächstenliebe, ein kooperatives Prinzip in der Gemeinschaft, die Solidarität dem Einzelnen ebenso wie der Gesellschaft gegenüber, und eine zweckdienliche Partnerschaft zwischen den Geschlechtern, lieferte einen gewaltigen Vorteil im Überlebenskampf der Familie, hin zur Sippe, zur wehrhaften Stammesgemeinschaft. „Ethik als Evolutionsvorteil in der Menschwerdung“, ist die eigentliche Botschaft der Geschichte um Adam und Eva. Die Nachkommen dieser Gemeinschaften könnten dann als neue soziale Etappe in der Hominisation angesehen werden. Und wie schwer und holperig bis mörderisch dieser Evolutionsweg dann war, zeigt das Alte Testament in der Nach-Adam-Eva-Zeit deutlich auf. Aber die allmähliche Abnahme der gewalttätigen Handlungen zwischen den Menschen, bezogen auf ihre Anzahl, nahm im Verlaufe der gesellschaftlichen Entwicklung bis heute ab. Zwar ist die Gewalt gegen Mensch und Natur leider ein ständiger Begleiter im zivilisatorischen Entwicklungsprozess der Menschengemeinschaften, aber – man kann es kaum glauben - sie nimmt, bezogen auf die Bevölkerungszahlen, mehr und mehr ab. (Siehe hierzu die hochinteressanten Ausführungen von Steven Pinker [29], zum Beispiel Kap. 2, Abb. 2-2.)
Der Metapher von der Erschaffung von Eva und Adam könnte gleichermaßen als ein kontinuierlich ablaufender Vorgang in der geistigen Entwicklung eines jeden Menschen interpretierbar sein. Er würde mit einer „seelischen“ Belebung des im Mutterleib entstehenden Lebens durch einen splitterhaften Anteil der ethischen Essenz der göttlichen Wesenheit einsetzen. Das bedeutet, die Erschaffung von Eva und Adam ist ein kontinuierlicher Prozess in der Evolution des „Menschen“ – und symbolisiert eine bis heute andauernde ethische Entfaltung. Adam und Eva formen sich ständig auf‘ s Neue – begleitet mit den, symbolhaft in der Schöpfungsgeschichte geschilderten Gefahren einer möglichen Verdrängung der ethischen Essenz Gottes im geistigen Selbst „Seele“. Dies kann dazu führen, dass Geistesgifte zu einem sündhaften Leben verführen, zu einer Vita, die schwerwiegend gegen die von Gott an Moses übergebenen 10 Gebote verstößt. Solch ein Leben, das im Wesentlichen von Hochmut, Habgier, ausschweifende Begierden, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit beherrscht wird, mündet in der Einsamkeit des ewig Unerfüllten.
Interessant ist, dass in der mythischen Legende zur Menschwerdung, dass Gott die Seele, die ja ein Teil von IHM ist, mit seinem „Atem“ einhaucht. Das erinnert an die hinduistische Vorstellung, in der die allerletzte göttliche Instanz (Weltseele Brahman) sich splitterhaft in unserem Selbst als individualisierte, menschliche Seele (Atman) manifestiert. Diese Manifestierung ist Voraussetzung einer „Menschwerdung“ im sozialen Sinne. Im Hinduismus betrachtet man den Lebenshauch als den unsterblichen Anteil im Menschen. In den Upanischaden kann man lesen: „Alles mit Ausschluss des Hauchs und des Raumes im Herzen ist die körperhafte, sterbliche, stehende, seiende Erscheinungsform.“ (Kap. Aus der Upanishadzeit, Abschn. „Die beiden Formen des Brahman“ [30])
Wir könnten fortfahren Interpretationen der Schöpfungsgeschichte, unter Beachtung des gegenwärtigen Wissens, darzustellen. Dies würde das Anliegen und den Umfang des Buches sprengen. Es soll hier nur die Möglichkeit demonstriert werden, dass die von der mythischen Fantasie und Vorstellungswelt des Altertums entkleideten Offenbarungen und Schilderungen des Alten Testament in die Gedankenwelt unserer Neuzeit „transformierbar“ sind. Dieser kurze Ausflug in die Schöpfungsgeschichte der Bibel zeigt, dass die, bis ca. 450 v. Chr., in den Jahrhunderten sich zusammenfügenden Vorstellungen zur Weltentstehung, befreit von den fantasievollen, in der antiken Denkwelt sich herausbildenden Bildern, zwar äußerst spekulative aber im Kern sinnvolle Interpretationen zulassen. In den meisten christlichen Religionen werden im Allgemeinen die Bibelworte überwiegend als durch Menschen wiedergegebene Offenbarungen Gottes gesehen. Es sind eben Worte aus der Frühzeit der Menschheit, mit ihren Bildern und Erfahrungen, mit ihrem Wissen und Fühlen.
Wie mehrfach angedeutet, liefert die Religion kein wissenschaftliches Gedankengebäude zur Erklärung der Entstehung der Welt, des Weltgeschehens und der Evolution des Lebens. Die Bibel ist keine Sammlung von Sachbüchern.
Der religiöse Mythos des Judentums stellt das menschliche Sein in seiner Wechselbeziehung zur einzig allmächtigen, geistigen Wesenheit „Gott“ dar. SIE ist, wie in der Schöpfungsgeschichte erkennbar, keinem Gesetz unterworfen, sondern SIE erschafft die gesetzlichen Zusammenhänge und suggeriert somit ursachenloses Wirken. Im Weiterdenken erscheint uns individuell Betroffene die Schöpfung - sei sie als urknallartiger Erzeugungsprozess oder als allzeit fluktuierender Erzeugungs- und Vernichtungsprozess verstanden - als objektiv zufällig. Dieses objektiv Zufällige ist uns geläufiger, als man im ersten Moment glauben könnte. Der „objektive Zufall“ ist durchaus beobachtbar und eine bekannte Erscheinung in der Quantenphysik. Wir kennen beispielsweise keine Ursache dafür, warum ein einzelnes radioaktives Atom zu einem speziellen Zeitpunkt zerfällt. Es zeigt sich, dass überall und zu jederzeit objektiv zufällige Ereignisse beobachtet werden können. Hier fasziniert die Nähe zum Hauptthema der indischen Mythologie, der heiligen „ursachenlosen“ Selbstopferung Gottes, das heißt, zum rhythmisch, dynamischen Spiel: „Gott wird zur Welt – Welt wird zu Gott“.
In der Schöpfungsgeschichte der Bibel wird die einzig, allmächtige, jede Zustandsalternative alles Seienden darstellende, geistige Wesenheit „Gott“ (Abschn. 2.3.1) als alleiniger Quell des von uns erfassbaren, geistigen und materiellen Seienden, angenommen und als letzte Wahrheit geglaubt.
Somit tragen alle Dinge im von uns verstehbaren Sein den grundsätzlichen Dualismus „Geist – Materie“ in sich. Und damit beherbergen wir gleichfalls ein splitterhaftes Quantum der geistigen Manifestation der allmächtigen Wesenheit „Gott“ in uns. Dieser Anteil, dieser „Funken“ seines ethischen Wesens, ist für unser geistiges Selbst als menschliche Ethik erfahrbar – erzählt uns die Bibel in einer fantasievollen Metapher über die Vertreibung aus dem Paradies der unbefangenen „Unkenntnis“. Hier wird symbolhaft geschildert, wie der Mensch vom „Baum der Erkenntnis“ naschte und Wissen, insbesondere über die Ethik von Gut und Böse erlangte. Der Preis war die strafende Konsequenz der Eigenverantwortung für das Überleben, für die menschliche Evolution und für die damit einhergehenden, teils gewalttätigen Konflikte und Mühen. Das Judentum geht von einer im wesentlichen geistigen, dualen Beziehung zwischen seinem Schöpfergott und „seinen“ Menschen aus. (Es bleibt der Fantasie des Lesers überlassen, nicht nur Erdbewohner, sondern jedes individualisierbare, sein ICH bewusst empfindendes Wesen anzunehmen.) Der ständig gegenwärtige, nicht personifizierbare Schöpfergott wird durch den gläubigen Juden und im Wesentlichen von allen Gläubigen der Weltreligionen mindestens durch seine ethische Essenz immer erfahrbar aber trotzdem nie verstehbar sein, - denn er „spricht“ ja nicht wie eine Person zu uns als Person, sondern eher wie eine emergente „Schwarmintelligenz“ mit seinen Mensch-Elementen. Dieser schwer interpretierbare, so oft missverständliche Dialog mit der nicht personalisierbaren, einzig allmächtigen, emergenten, jede Zustandsalternative alles Seienden darstellenden, geistigen Wesenheit „Gott“ ist daher die Essenz der Bibel.