Читать книгу Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie - Harvey Patton - Страница 24

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Nach knapp einer Stunde waren sie am Ziel. Der Zug fuhr in einen riesigen Bahnhof ein, in den mehrere weitere Stollen mündeten. Es wimmelte darin von Nimboiden, aber nur ein kleiner Teil von ihnen bestand aus Zugpassagieren.

Das zeigte sich sofort, als Toburu mit seinen Begleitern ausgestiegen war und sie die große Halle betraten. Plötzlich formierten sich die Männer und Frauen zu zwei großen Gruppen. Die eine grüßte die Ankömmlinge durch Zurufe und Winken, die andere dagegen versuchte, ihr den Weg zu den bereitstehenden Fahrzeugen zu versperren. Schmährufe wie »Feiglinge« und »Terraknechte« wurden laut, die von den anderen mit gellenden Pfiffen beantwortet wurden.

Die Entwicklung schien zu eskalieren, aber die Soldaten sorgten dafür, dass die Gruppe unbehelligt blieb. Sie schwärmten aus und drängten die Menschen energisch zurück, so dass eine Gasse zu den Wagen entstand. Toburu kniff die Lippen zusammen, seine Augen funkelten grimmig, aber er enthielt sich jeden Kommentars. Er stieg mit seinen Ministern in eines der ebenfalls gepanzerten Fahrzeuge, die PROKYON-Besatzung bekam das zweite zugewiesen. Die Wagen kurvten in schneller Fahrt in einen nur spärlich beleuchteten Tunnel, während die Soldaten zurückblieben und es übernahmen, die Menge wieder zu zerstreuen.

»Geburtswehen der Demokratie!«, sagte Lars, als die Terraner unter sich waren. »Ob es Toburu auf die Dauer gelingen wird, sich gegen die Konservativen durchzusetzen?«

Taff zuckte mit den Schultern.

»Ich denke schon, Alter. Er ist klug genug, seine Gegner nicht mit Gewalt mundtot zu machen, so dass sie in den Untergrund gehen müssen. Er lässt sie offen agieren, und das gibt seinen Leuten die Möglichkeit, sie im Auge zu behalten. Man wird ihm das zwar als Schwäche auslegen, aber so mancher dürfte sich noch wundern, falls es zu einer Revolte kommen sollte.«

»Außerdem dürfte er seine Anhänger in allen Schlüsselpositionen sitzen haben«, warf Orvid ein. »Eine subplanetare Stadt steht unter ganz besonderen Gesetzen, alles ist vom reibungslosen Funktionieren der Versorgungseinrichtungen abhängig. Sobald es kritisch wird, braucht Toburu nur diesen oder jenen Schalter umlegen zu lassen, um seine Gegner zur Besinnung zu bringen.«

Ein dumpfes Grollen ertönte, der Wagen schwankte sekundenlang. Draußen flackerte die Beleuchtung für einen Moment, aber dann war wieder alles ruhig. Luca Ladora grinste.

»Bist du erschrocken, Dorit-Mädchen? Das war der Salut von Vulcanus für die glorreiche PROKYON-Crew, weiter nichts! Wir werden uns an solche Dinge gewöhnen müssen, schätze ich, die für die Nimboiden zum Alltag gehören. Sie leben aber immerhin schon seit vielen Jahrhunderten hier, ohne dass es wirkliche Katastrophen gegeben hat.«

Nach wenigen Minuten verließen die Wagen den Tunnel, die Hauptstadt des Planeten war erreicht.

Vulcanus war selbst für die Crew, die auf ihren zahllosen Einsätzen vieles Ungewöhnliche gesehen hatte, ein beeindruckender Anblick.

Man hatte hier, tief unter der Oberfläche des Planeten, einen gigantischen Hohlraum geschaffen, dessen Grenzen nicht abzusehen waren. Von seiner gewölbten Decke strahlten Kunstsonnen herab und übergossen alles mit hellem Licht. Breite Straßen zogen sich zwischen langen Reihen von Gebäuden dahin, um dann in Tunnels zu verschwinden, die zu tiefer gelegenen Ebenen führten. Überall ragten gewaltige Pfeiler auf, von denen die Decke gestützt wurde. Außerdem gab es in regelmäßigen Abständen Stationen mit Antigravprojektoren, deren Abstrahlkegel nach oben gerichtet waren.

»Man ist hier auf alle Eventualitäten vorbereitet, wie es scheint«, meinte Lars mit sachverständigem Blick.

Mitani schüttelte sich. »Trotzdem möchte ich hier nicht begraben sein, und schon gar nicht wohnen. Die Häuser sind nichts weiter als bessere Bunker, roh und unförmig gebaut. Keine Farben, alles nur grauer Beton, keine Spur von Schönheitssinn.«

Taff lächelte melancholisch.

»Wo es nur allein um Zweckmäßigkeit geht, wird die Schönheit stets auf der Strecke bleiben, Mädchen. Nimboid ist ein barbarischer Planet, auf dem auf die Dauer niemand seines Lebens sicher ist, vergiss das nicht.«

Nach kurzer Fahrt erreichten die Wagen einen freien Platz und schwenkten in einen neuen Tunnel ein, der spiralförmig weiter nach unten führte. Durch Blinklichter gekennzeichnete Abfahrten zeigten an, dass sich dahinter weitere Ebenen dieser kilometertief in das Planeteninnere gestaffelten Stadt befanden. Flüchtig kamen die Gestalten von Uniformierten in Sicht, die diese Abfahrten bewachten. Man hatte also offenbar die Strecke, die hier benutzt wurde, für jeden anderen Verkehr gesperrt.

Dann endlich, nach fast fünf Minuten Fahrt, verließen die Fahrzeuge den Spiraltunnel. Sie bogen in eine breite Straße ein, aber sie kamen nicht weit. Eine unüberschaubare Menschenmenge wogte auf der Fahrbahn hin und her. Soldaten und Polizisten, die sich bemühten, eine Durchfahrt freizuhalten, standen auf verlorenem Posten.

»Das riecht verdächtig nach einem riesigen Krawall!«, bemerkte Luca gespannt.

Taff nickte düster. »Toburus Gegenspieler scheinen schnell geschaltet zu haben, als sie von unserer Ankunft erfuhren. Sie haben ihre Anhänger zusammengetrommelt, aber die Regierung anscheinend auch, wie man an den Transparenten sehen kann.«

Tatsächlich trug eine Anzahl der Demonstranten Tafeln mit sich, die mit gegensätzlichen Parolen bedeckt waren. WIR GRÜSSEN DEN BOTSCHAFTER, FRIEDEN MIT TERRA oder ALLE MENSCHEN SIND BRÜDER stand auf den einen. Die Aufschriften auf anderen lauteten KÄMPFT FÜR NIMBOID, STÜRZT DIE REGIERUNG DER FEIGLINGE, NIEDER MIT TOBURU-CHAN oder ähnlich.

»Die Anzahl der terrafeindlichen Parolen lässt darauf schließen, dass Toburus Leute in der Minderzahl sind«, bemerkte Orvid Bashkiri.

Lars lachte humorlos auf. »Es ist immer leichter, Leute für Proteste auf die Beine zu bringen, als Kundschafter des guten Willens! Sie sind Fanatiker, die losrennen, sobald man ihnen das Zeichen dazu gibt, ohne selbst zu denken. Ich bin gespannt, wie es jetzt weitergehen soll.«

»Ob es einen Sinn hat, wenn ich zu den Leuten rede?«, erkundigte sich Alexandros Demosthenes unbehaglich.

Caine winkte jedoch entschieden ab. »Das wäre mit Sicherheit verkehrt, Alexandros. Ihr Anblick würde die Emotionen erst hochpeitschen, während es jetzt noch relativ ruhig ist. Überlassen wir es Toburu, das Problem auf seine Weise zu lösen; er wird schon wissen, was hier angebracht ist.«

Noch war es zu keinerlei Handgreiflichkeiten gekommen. Die Demonstranten hatten sich zu zwei Blöcken formiert, zwischen die sich nun langsam die Ordnungsstreitkräfte schoben. Gedämpft klangen die Ausrufe durch das Kabinendach aus Panzerglas, mit denen die Kontrahenten die Ankömmlinge und ihre Gegner bedachten.

Taff spähte, an dem Fahrer in der separaten Pilotenkabine vorbei, nach vorn, wo der Wagen mit den Regierungsmitgliedern stand. Dort klappte plötzlich das Wagendach hoch, und die Gestalt Toburu-Chans erschien in der Öffnung. Er war auf den Sitz gestiegen, hob nun die Arme und versuchte, sich Gehör zu verschaffen.

»Wenn das nur gut abgeht!«, murmelte Mitani verstört.

Tatsächlich verstärkte sich das Geschrei nun noch mehr. Fäuste und Transparente wurden drohend geschwungen, der »kriegerische« Block geriet in Bewegung und schob sich auf die Wagen zu. Rasch gingen die Soldaten und Polizisten zurück, bildeten einen Kordon um die Fahrzeuge und zogen ihre Waffen. Die »friedliche« Gruppe drängte nun gleichfalls nach vorn, der große Zusammenstoß war nur noch eine Frage von Sekunden.

Plötzlich klang jedoch eine laute Stimme auf, die Geschrei und Johlen mühelos übertönte. Toburu hielt ein Mikrophon in der Hand und bediente sich der Lautsprecheranlage seines Fahrzeugs. Dieser Mann hatte Mut, denn er bot ein gutes Ziel für etwaige Attentäter.

»Bürger von Vulcanus!«, rief er aus. »Ich danke allen, die hierher gekommen sind, ob sie nun für oder gegen mich eingestellt sind. Unter meiner Regierung darf jeder offen seine Meinung kundtun, ohne dass ihm daraus Nachteile erwachsen. Das war noch vor Kurzem ganz anders, vergesst das nicht! Denkt aber zugleich auch daran, dass die Erde nicht der Feind Nimboids ist, als der sie bisher immer dargestellt wurde. Sie hat uns ihren Botschafter gesandt, um ihren Friedenswillen zu beweisen. Mit ihm werden wir verhandeln, aber keinesfalls den Planeten an die Erde verschachern, wie es euch bestimmte Leute weismachen wollen. Wenn es ein Abkommen gibt, dann nur auf der Grundlage völliger Gleichberechtigung, alles andere werde ich strikt ablehnen. Ich bin aber davon überzeugt, dass es ein solches Abkommen geben wird. In den Tiefen des Alls existiert ein Gegner, gegen den sich Nimboid allein nicht behaupten kann. Es ist also notwendig, dass sich die Menschen überall in der Raumkugel zusammenschließen, um als Ganzes überleben zu können! Bedenkt das, ehe ihr etwas tut, das ganz Nimboid ins Chaos stürzen kann. Wenn gekämpft werden muss, dann gegen jenen Feind aus der Vergangenheit, nicht Menschen gegen Menschen.«

»Verdammt, der Mann hat wirklich Mut!«, sagte Luca begeistert.

»Außerdem spricht er gut und überzeugend«, ergänzte Taff.

Die ruhig und sachlich vorgetragenen Argumente wirkten wirklich in verblüffender Weise. Schon nach wenigen Sekunden war das Gros der Schreier verstummt, die Demonstranten hatten Halt gemacht und hörten zu. Als Toburu-Chan geendet hatte, herrschte für eine Weile nachdenkliches Schweigen. Dann kam Applaus auf, zögernd zuerst, dann immer lauter. Einzelne Fanatiker schrien immer noch ihre Hetzparolen, aber kaum jemand beachtete sie noch.

»Na also!«, sagte Lars befriedigt. »Die Nimboiden sind also doch besser als ihr Ruf, sie müssen mir richtig angepackt werden. Und dazu scheint mir Toburu genau der richtige Mann zu sein.«

Gleich darauf begannen sich die Demonstranten zu zerstreuen, die Wagen setzten ihre Fahrt unbehindert fort.

*

Nach wenigen Minuten war ein großer Platz erreicht, an dessen hinterer Schmalseite sich ein großes, festungsähnlich anmutendes Gebäude erhob. Die Umgebung war vollkommen abgesperrt, Hunderte von Raumsoldaten bildeten Spalier vor dem großen Haupteingang. Als die Regierung und die Terraner ausstiegen, klangen laute Kommandos auf, die Soldaten erstarrten und präsentierten ihre Waffen. Der Shogun nahm die Meldung des kommandierenden Offiziers entgegen und wandte sich dann an seine Gäste.

»Dies ist der Palast der Kriegsgötter«, erklärte er, »der Sitz der wichtigsten Regierungsbehörden. Hier werden Sie für die Dauer Ihres Aufenthalts wohnen und meine bevorzugten Gäste sein. Zuvor möchte ich mich aber noch für meine Mitbürger entschuldigen, die gegen Sie und Terra demonstriert haben. Sie wussten es nicht besser, man hat sie aufgehetzt – jene Männer natürlich, die kürzlich ihre Macht verloren haben und sie nur zu gern wiedererringen möchten.«

»An der Krippe saß der Knabe!«, lächelte Taff. »Wer einmal dort gesessen hat, will mit aller Macht wieder zu den goldenen Pfründen zurück, das war schon immer so. Es war übrigens bemerkenswert, wie Sie es verstanden haben, Ihren Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen, Toburu. Viele, die zuvor eifrig gegen Sie geschrien haben, dürften jetzt zum Gegenteil bekehrt sein.«

»Die Wahrheit setzt sich auf die Dauer immer durch, Taff«, sagte der Regierungschef schlicht. »Oder sollte das bei Ihnen auf der Erde anders sein?«

»Nein, natürlich nicht«, versicherte Demosthenes eilig, der bisher ziemlich blass gewesen war, nun aber allmählich sein inneres Gleichgewicht wiederfand.

Sie betraten den Palast und kamen in eine große Halle, die aber von zwei Reihen dicker Säulen durchzogen war. Sie stützten die breiten Stahlträger ab, die sich deutlich sichtbar kreuz und quer unter der Decke dahinzogen. Auch hier war alles auf optimale Sicherheit abgestellt, und das wohl kaum zu Unrecht. In der Zwischenzeit war mehrmals ein leichtes Grollen zu hören gewesen, das die Terraner die Gegebenheiten von Vulcanus nicht vergessen ließ.

Toburu verabschiedete seine Minister und übernahm es persönlich, seine Gäste herumzuführen. An den Wänden der Halle gab es riesige Halbreliefs, die wichtige Ereignisse aus der Vergangenheit des Planeten zeigten. Die am meisten vertretenen Motive waren Vulkane, Raumschiffe und die wuchtigen Gestalten von hohen Offizieren in kriegerischen Posen. Auch hier wirkte alles so barbarisch wie Nimboid im Allgemeinen.

Sie besuchten das Kommunikationszentrum der Regierung, das sich auch irgendwo auf der Erde hätte befinden können. Zahlreiche Männer in Uniform saßen vor Kontrollborden, Videophonen und Hyperfunkgeräten, Batterien von Bildschirmen flimmerten. Nur Frauen waren nirgends zu sehen, was Dorit Grenelle mit Stirnrunzeln quittierte.

Taff Caine dagegen sah besorgt auf Alexandros Demosthenes, der trotz seiner Apollfigur infolge der Schwerkraft und Luftbeschaffenheit müde und angegriffen wirkte. Als Toburu dann Anstalten machte, den Terranern auch noch seine Amtsräume zu zeigen, wies er ihn diskret auf diese Tatsache hin.

»Oh, entschuldigen Sie bitte!«, sagte der Shogun bestürzt. »Daran hätte ich natürlich denken müssen, aber wir haben eben nur selten Gäste von anderen Welten. Verschieben wir das also auf morgen, wenn wir mit den Verhandlungen beginnen. Ich werde jetzt dafür sorgen, dass Sie sofort in Ihre Quartiere gebracht werden, dort können Sie sich ausruhen und erfrischen. In drei Stunden erwarte ich Sie alle dann im Heldensaal zu einem Abendessen in kleinem Kreis.«

Die Zimmer lagen im Gästeflügel des Regierungsgebäudes. Zwei wohltuend zivil aussehende junge Männer führten die Leute von der PROKYON dorthin und überließen es ihnen selbst, die Räumlichkeiten auszusuchen. Taff und Mitani nahmen ein Doppelapartment, ebenso Lars und Orvid, Dorit und Alexandros Einzelzimmer. Alle Räume lagen jedoch dicht beieinander, um ein großes Gesellschaftszimmer mit Bar und sonstigen Annehmlichkeiten gruppiert. Verborgen angebrachte Antigravprojektoren reduzierten die Schwerkraft auf Erdnorm, was besonders der Minister dankbar zur Kenntnis nahm.

»Ich bin vollkommen erschlagen, Taff«, sagte er. »Nur eine kurze Dusche, dann lege ich mich ins Bett. Sorgen Sie bitte dafür, dass ich rechtzeitig geweckt werde, ehe das Mahl beginnt.«

»Wir werden es nicht vergessen«, versprach Caine.

»Da ist noch etwas, das mich wundert«, meinte Mitani, als sie selbst unter der Dusche stand. »Tonkawa Matsumoto hat doch von Zeit zu Zeit immer wieder KSD-Leute nach Nimboid eingeschleust, die hier zu arbeiten hatten. Wie mögen die es wohl angestellt haben, unter diesen Umständen unentdeckt zu bleiben? Kein Terraner hält doch auf die Dauer das durch, was für die Menschen hier normal ist.«

»Du bist ein kluges Mädchen, wie sich wieder einmal erweist«, gab Taff zurück. »Wenn du jetzt auch noch feststellen kannst, wo es hier Seife gibt – ah, da ist sie ja. Ich nehme an, dass unser hochgeschätzter Abwehrchef für seine Zwecke Bewohner anderer ›schwergewichtiger‹ Planeten eingesetzt hat, die an solche Verhältnisse gewöhnt sind. Die dunkle Hautfarbe lässt sich leicht durch Pigmentinjektionen herstellen, auch über längere Zeit hinweg.«

»Das meinte ich auch weniger«, sagte das Mädchen, während es damit begann, sich abzufrottieren. »Ich dachte mehr an die psychische Belastung, die das Dasein in dieser Unterwelt mit sich bringen muss. Sicher, man hat hier optimal gebaut und überall Mengen von Stahl, Glasfaserbeton und Metallplastik verwendet. Das schließt aber nicht aus, dass es bei den Beben hier und da zu Einstürzen kommt. In einer so riesigen Höhlung kann die Statik notwendigerweise nie den hohen Sicherheitsgrad erreichen, der eigentlich nötig wäre.«

»Trotzdem ist es bisher relativ gut gegangen«, meinte Caine und ließ sich abschließend kalt berieseln. »Vor allem liefern die Vulkane den Menschen die Wärme, die sie an der Oberfläche entbehren müssten. Unter dem ewigen Eis zu leben, brächte wieder andere und nicht weniger schwerwiegende Probleme mit sich.«

Sie kleideten sich an und begaben sich in den Gemeinschaftsraum. Dort fanden sie bereits Luca Ladora vor, der dabei war, den Inhalt der diversen Flaschen in der Bar einer Begutachtung zu unterziehen. Taff hob warnend die Hand.

»Zügle deinen Durst bitte etwas, Elektronendompteur! Vergiss nicht, dass wir in diplomatischer Mission hier sind und Terra würdig zu vertreten haben. Das lässt sich nur schwer machen, wenn die Sinne benebelt und die Beine unsicher sind.«

Der Kybernetiker grinste. »Keine Sorge, Freund. Ich trinke ohnehin nie mehr, als in ein Glas hineingeht, das solltest du wissen. Hier ist etwas, das einen sehr beziehungsreichen Namen trägt: VULKANFEUER steht auf dem Etikett, und auch die Farbe stimmt. Mal sehen, wie das schmeckt.«

Er goss ein Kelchglas halbvoll und nahm einen großen Schluck. Im nächsten Moment lief er rot an, würgte und begann krampfhaft zu husten. Mitani klopfte ihm auf den Rücken und feixte schadenfroh.

*

Ordonnanzen holten die sieben Terraner ab und brachten sie in den »Heldensaal«, der im ersten Stock des Gebäudes lag. Als sie den Raum betraten, klang schmetternde Marschmusik aus den Feldmembranen unsichtbarer Lautsprecher. Sie brach ab, als Toburu-Chan ihnen entgegenkam, um sie zu begrüßen und den übrigen Teilnehmern an dem Mahl vorzustellen, soweit diese ihnen noch unbekannt waren.

Der Kreis der Anwesenden bestand nun aus rund zwei Dutzend Personen. Einige der Minister waren wieder anwesend, diesmal zusammen mit ihren Frauen oder sonstigen Gefährtinnen. Diese waren nur unwesentlich kleiner und etwas weniger kompakt als die Männer. Anmut und Grazie schienen auf Vulcanus ausgesprochene Mangelware zu sein.

Alexandros Demosthenes hatte sich gut erholt. Er plauderte gewandt mit den Ministern und Offizieren, machte ihren Damen Komplimente und sagte all jene Dinge, die zwar kaum geglaubt, aber trotzdem gern gehört werden. Die PROKYON-Crew trat für eine Weile in den Hintergrund und bekam so Zeit, sich in dem Saal umzusehen.

Er war nicht allzu groß, und das Fehlen der sonst allgegenwärtigen Stützelemente fiel auf. Sie wurden vermutlich durch Antigravprojektoren ersetzt, die jedoch nicht sichtbar waren. Dafür zogen die riesigen Gobelins und Fresken an Wänden und Decke die Blicke auf sich. Im Gegensatz zu der sonst üblichen Eintönigkeit waren sie in kräftigen Farben gehalten, die den Augen fast weh taten. Alles im Heldensaal wirkte prunkvoll, aber es war ein aufdringlicher, fast barbarisch anmutender Prunk. So empfanden es wenigstens die Terraner, aber ihre Mienen blieben neutral.

»Kommen Sie, verehrte Gäste«, sagte der Shogun nach zehn Minuten Konversation jovial. »Diese nun folgenden Stunden sollen der Freude und Entspannung gehören. Ihnen zu Ehren haben wir dafür gesorgt, dass Sie Gerichte erhalten, die Ihnen vertraut sind, aber es gibt auch einige bevorzugte Spezialitäten unserer Welt. Bitte, nehmen Sie an der Tafel Platz.«

Ein riesiger klobiger Tisch stand in der Mitte des Raumes, mit Intarsien verziert, und auch sie stellten Szenen aus dem Leben oder der Vergangenheit Nimboids dar. Teller und Bestecke bestanden aus Gold oder waren zumindest vergoldet, die Batterien verschiedener Gläser waren aus sorgfältig geschliffenem Kristallglas. Die Oberschicht des Planeten verstand es also auch, ihrem Leben angenehme Seiten abzugewinnen, während die Masse der Nimboiden zu einem ausgesprochen spartanischen Dasein gezwungen war.

Mitani machte leise eine entsprechende Bemerkung, aber Taff hob nur die Schultern. Er saß links von Toburu-Chan, Demosthenes auf der anderen Seite, die Mitglieder der PROKYON-Crew hatten die danebenliegenden Plätze. Der Regierungschef schlug auf einen Gong, der vor ihm stand, und nun flog eine große Tür an der rechten Seite des Heldensaals auf. Große Antigravplatten voller Speisen wurden in den Raum dirigiert, ebenso eine große Anzahl von Flaschen mit Wein und allen möglichen Sorten anderer Alkoholika. Zugleich erschienen auch junge nimboidanische Mädchen, noch spärlicher bekleidet, als es den Temperaturen angemessen war.

»Sieh an!«, murmelte Orvid verblüfft, der links von Taff Caine saß. »Diese Dinger sind selbst nach unseren Begriffen wirklich als hübsch zu bezeichnen. Ich hätte nie gedacht, dass Nimboid auch so etwas zu bieten hat.«

Das Festmahl begann. Toburu hatte nicht zu viel versprochen, es gab tatsächlich terranische Speisen, so vorzüglich zubereitet, dass sie jedem Schlemmerlokal zur Ehre gereicht hätten. Doch auch verschiedene Dinge, die von dem Eisplaneten stammten, sahen durchaus verlockend aus.

»Greifen Sie nur zu!«, sagte der Shogun aufgeräumt. »Das da kann ich Ihnen besonders empfehlen, Freunde: nimboidanische Eisbärschinken, über Vulkanmagma geräuchert, zart und von ausgezeichnetem Geschmack. Und vergessen Sie auch das Trinken nicht, es ist alles vorhanden, was Ihr Herz nur begehrt.«

Was dann folgte, nötigte den Terranern ehrliches Erstaunen ab.

Die Nimboiden, die sich bis dahin ruhig und gesittet gezeigt hatten, streiften plötzlich diese Maske ab. Sie vertilgten Speisen aller Art in solchen Mengen, dass Menschen der Erde mit diesem Quantum leicht drei Tage lang ausgekommen wären. Dazwischen sprachen sie den Getränken in gleichem Ausmaß zu. Ständig wurde nachgereicht und eingeschenkt, die bedienenden Mädchen hatten alle Hände voll zu tun.

Das war jedoch nicht ihre einzige Aufgabe, wie sich nach einiger Zeit herausstellte. Plötzlich schmiegte sich der Körper einer der Nimboidinnen an Taff, während sie damit beschäftigt war, sein Weinglas nachzufüllen.

»Schmeckt es dir, Raumfahrer?«, gurrte sie leise. »Falls nicht, äußere deine Wünsche, ich will sie dir gern erfüllen. Aber auch sonst stehe ich voll und ganz zu deiner Verfügung, du brauchst nur über mich zu gebieten!«

Caine verschluckte sich fast an seinem Bärenschinken, der ihm bis dahin ausgezeichnet gemundet hatte. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Demosthenes und den männlichen Mitgliedern der PROKYON-Crew offenbar ähnliche eindeutige Angebote gemacht worden waren. Die Mienen der Männer sprachen Bände, wogegen die ohne weibliche Begleitung erschienenen Nimboiden ungeniert mit den freizügigen Mädchen zu schäkern begannen.

»Vielleicht später, Mädchen«, murmelte Taff und beugte sich über seinen Teller. Erleichtert sah er, dass auch die anderen ähnlich reagierten. Alexandros Demosthenes warf ihm einen hilfesuchenden Blick zu, den er mit einer verstohlenen Geste beantwortete, die dieser richtig verstand. Er erhob sich und wandte sich an Toburu-Chan.

»Erlauben Sie bitte, dass wir uns jetzt zurückziehen, Shogun. Wir danken Ihnen für dieses opulente Mahl, an das wir bestimmt gern zurückdenken werden. Allerdings ...«

Er unterbrach sich erschrocken und setzte sich rasch wieder, als nun ein lautes Grollen und Rumpeln zu hören war. Der Boden des Heldensaales begann zu schwanken, das Geschirr auf dem Tisch vollführte einen wahren Tanz, einige Gläser stürzten klirrend um und zerbrachen. Auch die Mitglieder der PROKYON-Crew fuhren zusammen und sahen sich verstört um, denn dieses Beben nahm für ihre Begriffe erschreckende Ausmaße an. Toburu-Chan jedoch lachte nur dröhnend auf.

»Kein Grund zur Besorgnis, meine terranischen Freunde! Das ist nur der Mont Mortus, der uns hier dezent seine Grüße entbietet. Diese Art von schwachen Erdbeben gehören bei uns zur Tagesordnung, sie richten keine nennenswerten Schäden an. Falls es wirklich ernst wird, werden wir rechtzeitig durch unsere seismologischen Stationen gewarnt, aber das kommt nur selten vor.«

Taff rang sich ein Lächeln ab, als wieder Ruhe eingetreten war.

»Trotzdem möchten wir – mit Ihrer Erlaubnis – jetzt unsere Betten aufsuchen, Toburu. Besonders der Minister leidet unter der für unsere Begriffe hohen Schwerkraft von Nimboid, und gerade er muss morgen ausgeruht sein, wenn die Verhandlungen beginnen.«

»Sie sind die Gäste, Sie haben zu bestimmen«, sagte der Shogun verständnisvoll. »Wir werden anschließend noch einige Gläser auf Ihr Wohl leeren und Ihnen damit einen erholsamen Schlaf wünschen. Kommen Sie, ich begleite Sie gern, Taff, damit Sie sich nicht im Palast verlaufen.«

Er griff freundschaftlich nach dem Arm des Commanders und zog ihn mit sich. Die anderen schlossen sich an, während hinter ihnen wieder Stimmengewirr und Gelächter aufklang. Die Nimboiden dachten offenbar nicht daran, den Abend schon jetzt zu beenden. Vermutlich würde er noch zu einer Orgie ausarten, aber danach stand keinem der Terraner der Sinn.

»Was sind das hier nur für Leute, Taff!«, seufzte Mitani, als beide in ihrem Apartment allein waren. Caine zog sie sanft an sich, seine Hand streichelte ihr Haar.

»Andere Planeten, andere Sitten, meine schwarze Perle. Wer stets unter dem Stress einer feindlichen Umgebung steht, sieht das Leben aus ganz anderen Augen an als wir Normalmenschen. Ein paar Tage werden wir es hier schon aushalten, wir haben schließlich schon ganz andere Erlebnisse hinter uns. Dann kehren wir zur Erde zurück, und alles ist vergessen.«

Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie

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