Читать книгу Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie - Harvey Patton - Страница 30
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ОглавлениеAlexandros Demosthenes seufzte und setzte sich auf eine der Stufen vor dem Transmitter. »Ich habe Hunger und Durst, Freunde«, sagte er matt. »Erstens habe ich lange nichts mehr gegessen und getrunken, und zweitens schlagen mir Aufregungen stets auf den Magen. Die Folge ist ein wahrer Heißhunger, der sich ständig steigert und mich an nichts anderes mehr denken lässt.«
Mitani lächelte hintergründig.
»Alles nur Ausreden, nichts weiter. Er hat sich übernommen, unser Herr Minister, draußen bei den Amazonen. Grinse nicht, Luca, ich meine etwas ganz anderes, als du jetzt vermutlich denkst. Auch stundenlanges Singen kann sehr anstrengend sein, das weiß ich aus eigener Erfahrung.«
»Sie singt immer unter der Dusche und bringt damit das Wasser zum Versiegen«, bestätigte Caine und kassierte dafür einen heimlichen Rippenstoß. »Tut mir leid, Alexandros, dass wir Ihnen nicht mit einem opulenten Mahl dienen können. Es sei denn, dass wir hier irgendwo einen Speiseautomaten entdecken, aber das erscheint mir fraglich. Sie werden also mit den Konzentraten vorliebnehmen müssen, die wir als Eiserne Rationen bei uns tragen.«
Demosthenes nickte. »Das ist besser als gar nichts, und das Essen lenkt mich wenigstens ab. Ich glaube ohnehin nicht, dass ich Ihnen bei der Erkundung der fremden Technik behilflich sein kann. Ich habe mich zwar stets auf Terra aller vorhandenen technischen Hilfsmittel bedient, aber nie gelernt, was eigentlich dahintersteckt. Früher als Costar, wie auch jetzt als Minister, hatte ich das einfach nicht nötig, alles ging rein automatisch.«
»Viel zu automatisch für unseren Geschmack«, sagte Orvid, und alle von der Crew wussten, woran er dachte.
Als die PROKYON nach der Vernichtung der Pseudo-Erde, als deren »Hüter« sie fungiert hatten, wieder zur richtigen Erde zurückgefunden hatten, war das mit einem Zeitsprung von 67 Jahren verbunden gewesen. Sie hatten ihren Heimatplaneten, der damals von Curona regiert wurde, so verändert vorgefunden, dass er ihnen vollkommen fremd erschienen war. Neue Erzeugnisse der Technik in einer solchen Vielfalt waren ihnen begegnet, dass sie lange gebraucht hatten, sich darin halbwegs zurechtzufinden. Selbst jetzt befiel sie immer noch ein Gefühl der Beklemmung, wenn sie sich in einer der riesigen Erdenstädte mit ihren vielen verschiedenen, durchweg automatisierten Verkehrsebenen bewegen mussten.
Dorit Grenelle löste ihr Rationspaket vom Gürtel und reichte es Demosthenes, ehe ihr jemand zuvorkommen konnte. Er dankte ihr mit einem warmen Blick, aber sie wandte sich rasch wieder ab und ignorierte ihn.
Dass Frauen doch nie etwas vergessen können!, dachte Taff Caine resignierend. Laut sagte er: »Okay, dann lasst uns jetzt anfangen. Wir teilen uns in drei Gruppen, Dorit mit Orvid, Lars mit Luca, und Mitani mit mir. Gruppe eins beginnt rechts vom Ausgang, die zweite links davon, wir nehmen das mittlere Drittel. Untersucht alles so sorgfältig wie möglich, ohne aber leichtfertig Schaltungen vorzunehmen, deren Tragweite nicht abzusehen ist. Wer meint, etwas von Bedeutung gefunden zu haben, verständigt umgehend alle anderen, damit eine Begutachtung und Beratung stattfinden kann.«
»Du solltest uns nicht für dümmer halten, als wir sind«, knurrte Luca Ladora aufgebracht.
»Das dürfte uns bei dir auch schwerfallen«, grinste der Astrogator, trat aber vorsichtshalber sofort den Rückzug an.
Sie alle waren von der Beinahe-Katastrophe mit dem Transmitter geschockt und frustriert und versuchten nun, das durch ein betont »normales« Verhalten zu überspielen. Normal von der Warte der Crew aus gesehen, die ihre eigenen, für andere Menschen eher anormal anmutenden Verhaltensweisen besaß.
»Glaubst du wirklich, dass wir hier etwas entdecken werden, das uns aus der Klemme helfen kann?«, fragte Mitani N'Kasaa wenig später. Sie befanden sich an der rückwärtigen Wandung der Kuppelhalle, mehr als hundert Meter von den anderen entfernt, so dass sie niemand hören konnte. »Oder ist das alles lediglich eine Beschäftigungstherapie, durch die die Crew abgelenkt werden soll, bis alle ihr inneres Gleichgewicht wiedergefunden haben?«
Taff lächelte ruhig.
»Zugegeben, so könnte man es ansehen, aber diesmal bist du auf dem Holzweg, mein kluges Mädchen. Natürlich hoffe ich im Stillen, dass es unter all den vielfältigen Schalt- und Kontrollelementen das eine oder andere gibt, mit dem sich etwas für uns Nützliches bewerkstelligen lässt. Ich halte diesen Bau für eine Art von Kommandozentrale, ungeachtet dessen, wer immer ihn erbaut haben mag. Niemand würde sich die Mühe machen, eine derart aufwändige Anlage zu errichten, wenn sie nicht auch ihre Zwecke zu erfüllen hätte.«
Sie traten näher an die bunte Wand heran und standen vor einer fast mannshohen quadratischen Bildfläche, die im schattenlosen Licht silbergrau schimmerte. Unter ihr hinweg verlief in ungefähr einem Meter Höhe eine Schaltleiste, die mit mehr als zwei Dutzend von bunten Knöpfen und Sensorpunkten übersät war. Unter allen gab es eine Art von Schriftzeichen, die in den Kunststoffrahmen eingeprägt waren. Taff ging in die Knie und studierte sie eingehend.
»Eine Art von Keilschrift, ähnlich der der alten Babylonier und Assyrer auf der Erde, aber doch irgendwie anders. Ich habe den Eindruck, dass es sich dabei eher um mathematische Zahlensymbole handelt, die in Bezug zu den Funktionen der Knöpfe und Sensoren stehen. Dieser grüne Schalter da scheint infolge seiner zentralen Anordnung von besonderer Bedeutung zu sein.«
Er fuhr spielerisch mit den Fingern darüber hin, zuckte jedoch im gleichen Augenblick erschrocken zurück. Die flüchtige Berührung hatte schon genügt, um den Schaltknopf einrasten zu lassen, und das zog eine Kette anderer Ereignisse nach sich.
Das Licht in der Halle begann zu verblassen. Es wechselte von gelb auf rot, dann auf blau und erlosch schließlich ganz. Gleichzeitig erhellte sich der Bildschirm. Wallende Schlieren waberten darüber hin, in allen Spektralfarben schillernd, um nach wenigen Sekunden wieder zu verblassen. Aus unsichtbaren Lautsprechern kam ein lautes Rauschen, und dann stabilisierte sich allmählich ein Bild auf dem Schirm.
Zuerst waren es nur keilförmige Schriftzeichen, die in rascher Folge darüber hinweg huschten. Dann wurde die Fläche schwarz, es war unverkennbar die charakteristische Schwärze des Weltraums. In ihr glommen zahlreiche Lichtpunkte in verschiedenen Farben auf, Sterne in allen Größen, aber vollkommen fremdartigen Konstellationen. Zwischen ihnen bewegten sich grünliche Pfeile in großer Anzahl dahin, verschwanden sekundenlang, um dann unvermutet an einer anderen Stelle wieder aufzutauchen.
Es handelte sich zweifellos um mehrere verschiedene Formationen, die einander entgegenstrebten und dabei Ortsveränderungen ohne größeren Zeitverlust vornahmen. Dann trafen zwei von ihnen aufeinander, und grell-blaue Energiebahnen zuckten zwischen ihnen hin und her. Die Folge war, dass der größte Teil dieser Objekte in rot leuchtenden Explosionsbällen verging. Nur wenige entkamen der Vernichtung und verschwanden dann vom Schirm, um nicht mehr aufzutauchen.
»Was ist das, Taff?«, keuchte Lars Gunnarsson fassungslos. Mit ihm hatten sich alle anderen Mitglieder der Crew vor dem Bildschirm eingefunden, um das Geschehen darauf zu verfolgen. Der Commander zuckte mit den Schultern, ohne den Blick von der Bildfläche zu wenden.
»Eine Raumschlacht von gigantischen Ausmaßen!«, sagte er heiser.
»Frage mich aber bitte nicht, wer hier gegen wen gekämpft haben mag, ich weiß nicht mehr als ihr. Dieses Geschehen muss jedenfalls weit in der Vergangenheit liegen, was wir hier sehen, scheint eine Aufzeichnung im Zeitraffertempo zu sein.«
Nach etwa einer halben Minute waren alle Lichtpfeile vom Schirm verschwunden, nur die Sterne glitzerten kalt und ungerührt weiter. Schließlich verblassten sie ebenfalls, der Schirm wurde vollkommen schwarz. Doch auch dieser Zustand dauerte nur kurze Zeit an, dann flog ein gelblicher Schimmer darüber hin.
Aus ihm schälten sich gleich darauf die Konturen eines überdimensionalen Kopfes heraus. Er blieb seltsam unklar und verschwommen, es war nur zu erkennen, dass er eindeutig humanoide Züge besaß. Die Augen dagegen traten klar und deutlich hervor, intensiv rot schimmernd. Dann öffnete sich der nur umrisshaft erkennbare Mund, und aus den Lautsprechern ergoss sich ein donnernder Schwall unverständlicher Worte über die Menschen.
Sie alle waren bis ins Innerste aufgewühlt und standen vollkommen im Bann dieses Bildes. Selbst Alexandros Demosthenes hatte seinen Hunger vergessen und sich im Laufschritt zu der Crew gesellt.
Die fremde Stimme dröhnte über sie dahin, in einem Tonfall, der anklagend und beschwörend zugleich klang. Dann schloss sich der Mund der unbekannten Sprechers, nur noch ein statisches Rauschen kam aus den Lautsprechermembranen. Allmählich verblasste auch das riesige Gesicht, der Knopf sprang mit hörbarem Klicken aus seiner Fassung, und der Bildschirm wurde wieder dunkel.
Langsam blendete nun das schattenlose Licht wieder auf, bis die Kuppelhalle vollkommen erhellt war. Taff Caine atmete gepresst aus und sah dann seine Freunde an.
»Das, was wir eben als Aufzeichnung gesehen haben, muss eine interstellare Tragödie von größtem Ausmaß gewesen sein! Hunderte von Raumschiffen zweier gegnerischer Parteien haben sich vernichtet, nur wenige sind dem Inferno entkommen. Wir konnten nicht verstehen, was der Sprecher anschließend sagte, aber es muss unmissverständlich eine Mahnung und Warnung gewesen sein.«
»Eine Warnung – vor wem?«, fragte Mitani leise. »Könnte das eine Auseinandersetzung zwischen Kräften des Jarun und des Drajur gewesen sein?«
»Schon möglich, aber nicht zu beweisen«, warf Lars Gunnarsson ein. »Es muss außer den beiden alten Kosmischen Mächten noch viele andere Rassen gegeben haben, die sich früher bekriegten, als der Mensch noch in den Höhlen der Steinzeit hauste. Vielleicht hätten wir von dem Sprecher etwas drüber erfahren können, wenn wir nur einen Translator besäßen.«
Taff nickte nachdenklich.
»Wir haben aber keinen, und damit werden alle Vermutungen und Spekulationen von vornherein illusorisch. Vielleicht gelingt es uns oder anderen später, dieses Rätsel zu lösen. Die Kuppelhalle mit all ihren Einrichtungen ist so gut erhalten, dass sie noch weitere Jahrtausende überdauern kann. Doch jetzt müssen wir wieder an uns selbst und unsere Zukunft denken – und an Gefahren, die für uns sehr real sind!«
*
Sie forschten noch einige Zeit weiter und suchten die Wandung des Gebäudes systematisch ab, ohne aber etwas zu finden, das für sie nützlich gewesen wäre. An verschiedenen Stellen waren Kontrollen ständig in Betrieb, Skalenzeiger pendelten, optische Signale blinkten, und der Pegel von Flüssigkeitsanzeigen fiel oder stieg langsam. Auf Caines ausdrückliche Anweisung hin wurden jedoch keine Schaltungen daran vorgenommen.
»Wir wissen nicht, was wir eventuell damit auslösen können«, erklärte der Commander. »Vielleicht werden von hier aus Stationen betrieben, die außerhalb der Kuppelhalle, möglicherweise sogar in anderen Gebieten dieses Planeten liegen. Es könnte bei unsachgemäßen Schaltungen dort zu schweren Katastrophen kommen. Energie scheint es hier ja genug zu geben.«
Lars nickte und wies auf die Stelle der Wand, vor der er stand.
»Wenn ihr genau hinhört, werdet ihr das ständige leise Summen bemerken, das von hier ausgeht, ebenso das leichte Vibrieren des Bodens in der Umgebung. Ich habe schon mehrere solche Stellen entdeckt und bin sicher, dass jenseits der Hallenwandung eine Anzahl von starken Aggregaten läuft. Es ist wirklich bedauerlich, dass es keine Möglichkeit gibt, dort hinaus zu gelangen, dann wüssten wir einiges mehr.«
»Es müsste aber mindestens einen zweiten Ausgang aus der Halle geben«, überlegte Orvid Bashkiri. »Irgendwie müssen diese Aggregate doch auch gewartet werden können, auch bei völlig autarken Einheiten kann es immer einmal zu Störungen kommen.«
Taff zuckte mit den Schultern.
»Ich bin derselben Meinung, aber dieser Ausgang ist jedenfalls zu gut getarnt, als dass wir ihn finden können. Zweifellos gibt es hier irgendeine Schalttafel, von der aus er sich offenen lässt, aber welche mag das sein? Wenn wir alle Anlagen in dieser Riesenhalle durchprobieren würden, hätten wir tagelang zu tun, abgesehen von der Tatsache, dass ein solches Tun nicht ratsam ist.«
Mitani lächelte melancholisch und bemerkte: »Da wir diesmal das Pech gepachtet zu haben scheinen, wäre es dann auch todsicher die letzte Schalttafel in der langen Reihe. Wenn wir wenigstens unsere Waffen noch gebrauchen könnten, dann wäre es nicht schwer, einen Durchbruch zu schaffen.«
»Sofern wir den Dusel hätten, dass hinter der betreffenden Stelle gerade ein Hohlraum liegt«, warf Luca ein. »Vergiss nicht, dass die Halle in den Fels hineingebaut ist – wie tief, darauf lässt die Länge des Ausgangstunnels schließen. An den Stellen, hinter denen sich die Energieanlagen befinden, durchzubrechen, wäre auch nicht ratsam, weil wir dabei ...«
»Genug der hypothetischen Überlegungen«, unterbrach ihn Caine. »Da diese schöne bunte Kuppel nach dem Ausfall des Transmitters für uns ohne jeden Nutzen ist, werden wir sie jetzt wieder verlassen und in die Schlucht hinausgehen. Vielleicht gibt es dort einen Weg, der weiter hinausführt; falls nicht, werden wir uns eben im Bergsteigen üben müssen.«
»Alles wie hundertmal gehabt«, kommentierte Dorit mit humorlosem Auflachen. »Es ist nun einmal das Los der glorreichen PROKYON-Crew, dass es für sie keine leichten Aufgaben gibt. Alles, was wir tun, ist in irgendeiner Weise immer von unvorhersehbaren Schwierigkeiten begleitet.«
»Die wir aber stets noch gemeistert haben!«, stellte Taff fest und setzte sich in Bewegung. »So wird es auch dieses Mal sein, verlasst euch darauf.«
Als sie durch den Tunnel schritten, murmelte Mitani: »Der Lichtvorhang da vorn erinnert mich immer an die Lichtflutbarrieren in der Basis 104 zu Zeiten des seligen Marschalls Drechsler. War das Leben damals nicht doch in mancher Hinsicht einfacher und schöner? Sicher, wir hatten unseren Ärger mit den Frogs, den Aashaps und einigen anderen. Dafür machten uns aber keine kriegerischen Kolonisten Schwierigkeiten, vom unberechenbaren Erbe des Drajur ganz abgesehen.«
»Das täuscht, Mädchen«, gab Caine nüchtern zurück. »Die sogenannte gute alte Zeit gibt es nicht, es hat sie nie gegeben! Jede Zeit hält ihre eigenen Herausforderungen für die bereit, die in ihr leben. Der Mensch aber wächst mit der Größe der zu meisternden Aufgaben, das hat sich oft genug erwiesen. Versteht er das nicht mehr, ist seine Existenzberechtigung dahin, sein Untergang ist nur noch eine Frage der Zeit.«
»Und soweit sind wir noch lange nicht!«, sagte Lars Gunnarsson mit Nachdruck.
ENDE