Читать книгу Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie - Harvey Patton - Страница 39

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Taff Caine träumte so lebhaft wie nie zuvor.

Es erging ihm so, wie vielen Menschen kurz vor dem Erwachen: Er wusste, dass er nur träumte, dass alles, was nun geschah, nicht Wirklichkeit war. Es gelang ihm jedoch nicht, sich aus diesem Traum zu lösen, obwohl er es unbewusst versuchte. Der Bann, dem er unterlag, war selbst für seinen starken Willen zu mächtig.

Im Traum erhob er sich, und alle anderen folgten seinem Beispiel. Er drehte sich um und sah die Felswand der Höhlung vor sich, vom bläulichen Nebel umwallt. Seine blicklosen, offenen Augen waren imstande, metertief durch den Felsen zu sehen und die Gesteinsadern darin zu erkennen. Dann zwang ihn irgend etwas, nach rechts zu gehen, die schlüpfrige Felsleiste entlang, und die anderen kamen hinter ihm her. Er sah auch sie, obwohl sie sich hinter ihm befanden.

Er erreichte das Ende des schädelartigen Überhangs, ging langsam weiter und stand dann vor der steilen Felswand, zwei Meter vor dem Ende der Leiste. Hier drangen die Sonnenstrahlen schwach durch den Nebel und ließen ihn wie ein sich bewegendes Wesen aus lichtblauem Nichts erscheinen.

Irgend etwas sagte Taff, dass er in Wirklichkeit noch immer am alten Platz saß, doch in diesem seltsamen Traum stand er vor der Wand. Er starrte sie lange an, und irgend etwas ging in seinem willenlosen Hirn vor. Erneut sah er die Felsstrukturen ganz deutlich, doch dann begannen sie plötzlich zu verschwimmen. Der skurrile Traum trat in eine neue Phase.

Caine träumte, dass in dem soliden Felsen übergangslos ein fast zwei Meter breiter Spalt erschien, oben durch einen Spitzbogen begrenzt. Wieder veränderte sich etwas in seinem Hirn, eine fremde Kraft verlieh ihm eine bisher ungeahnte Macht. Er träumte eine Fortsetzung des Spaltes, die schräg in die Höhe führte. Er stieg diese Schräge hinauf und sah wieder auf unbegreifliche Weise, dass ihm die anderen folgten. Sie schritten im Gänsemarsch durch eine Spalte, die es nicht gab, gar nicht geben konnte!

Das Vorankommen auf dieser steilen Schräge war nicht einfach, zumal der Fels unter ihren Füßen seltsam nachgiebig schien. Taffs Hirn schuf jedoch bald Abhilfe. Er träumte Stufen auf den Grund der Felsspalte, und sie bildeten sich auch prompt aus. Es war wie in einem Märchen, in dem jeder Wunsch in Erfüllung ging.

Wie lange noch – wann würde das Erwachen in der alten, trostlosen Umgebung kommen?

Noch kam es nicht. Caine stieg die Stufen empor und träumte immer weitere dazu. Seine Freunde waren dicht hinter ihm, er sah ihre blicklosen, weit geöffneten Augen, ihre starren Gesichter. Ein seltsames Gefühl der Zeitlosigkeit kam über seinen träumenden Geist. Jeder Schritt voran schien eine Ewigkeit zu dauern, obwohl er das Gefühl hatte, sich in normalem Tempo vorwärts zu bewegen. Doch was spielte das schon für eine Rolle – dieses seltsame Geschehen war in Wirklichkeit ja nur ein Traum.

Immer wieder schien der Fels vor Taff zurückzuweichen, er wurde zuerst durchsichtig und verschwand dann ganz. Immer wieder entstanden neue Stufen unter seinen Füßen, und er stieg sie geduldig empor. Dann überkam ihn plötzlich eine seltsame Unruhe, und er spürte, dass er nahe daran war, zu erwachen.

Er sträubte sich dagegen, denn irgend etwas sagte ihm, dass er sich dann unten auf der Felsleiste wiederfinden würde, ohne jede Aussicht, der trostlosen Lage zu entkommen. Sein Geist flüchtete sich förmlich in den Traum und erzwang seine Fortsetzung. Wieder wurde der Fels vor ihm instabil, weitere Stufen formten sich, und er erstieg sie.

Dann öffnete sich die Wand plötzlich über ihm, es gab nichts mehr, das es fortzuräumen galt. Eine letzte Stufe entstand vor ihm, er erstieg sie und sah dann eine ebene Fläche vor sich. Sie war nur undeutlich zu erkennen, denn ringsum war es fast vollkommen dunkel. Nur das schwache Licht von Sternen und das eines nahen Mondes erhellten die unwirkliche Szene.

War sie wirklich so unwirklich?

Erstmals kamen Taff Zweifel daran, dass dies alles nur ein Traum sein sollte. Sein Geist löste sich ein wenig aus der Fesselung und vermochte in beschränktem Rahmen wieder eigene Denkprozesse zu vollziehen.

Das Fremde, das Taff bisher beherrscht hatte, schien zumindest teilweise die Macht über ihn zu verlieren. Plötzlich war er gar nicht mehr so sicher, noch immer auf der Felsleiste zu sitzen und alles nur geträumt zu haben. Dort war es feucht und kalt gewesen, hier aber strich ein warmer Wind um sein Gesicht und erinnerte ihn wieder an die Wüste, die nicht allzu weit entfernt war.

Gleichzeitig schwanden die Fähigkeiten, die er in seinem Traum besessen hatte. Er sah nicht länger seine Gefährten hinter sich, sondern hörte nur ihre Schritte und ihre schweren Atemzüge. Das löste einen weiteren Teil des Bannes, dem er zuvor unterlegen war. Taff Caine drehte sich um, das Leben kehrte in seine Züge zurück, seine blicklosen Augen wurden wieder halbwegs klar. Er sah Mitani, die dicht hinter ihm stand und ihn wie erwachend anblickte.

»Was war das, Taff?«, flüsterte sie stockend. »Mein Verstand will mir einreden, dass ich noch immer unten auf der Felsleiste sitze und träume, aber meine Augen zeigen mir etwas ganz anderes. Wie kommen wir hier herauf, Taff?«

Caine zuckte hilflos mit den Schultern.

»Frage mich nicht, ich weiß es selbst nicht«, gab er mit tonloser Stimme zurück. »Das, was wir alle nur zu träumen glaubten, scheint auf irgendeine Art doch Realität gewesen zu sein. Aber wie soll es möglich sein, dass in der stabilen Felswand ein Gang entsteht, dass sich Stufen bilden? Habe ich dies alles tatsächlich geschaffen, auf eine mir selbst unbegreifliche Weise, unter dem Einfluss unbekannter fremder Mächte?«

Lars Gunnarsson erschien neben dem Mädchen und nickte.

»Es muss wohl so gewesen sein, Taff. Das Cavora hat etwas ausgelöst, das über alle unsere Begriffe geht, meine ich. Falls es eine Erklärung dafür gibt, werden wir wohl kaum imstande sein, sie zu finden. Anscheinend existieren tatsächlich Zauberer hier auf diesem seltsamen Mond.«

Die anderen kamen nach und gesellten sich zu ihnen. Der Traum war von ihnen gewichen, aber ihr freier Wille war noch nicht vollständig zurückgekehrt. Sie vermochten zwar die Veränderung und ihre seltsamen Begleitumstände zu erkennen, doch noch immer spürten sie in ihren Hirnen einen fremden Einfluss, der sie hemmte und sich nicht verdrängen ließ.

Dann, von einem Augenblick zum anderen, ergriff er wieder die volle Herrschaft über sie.

Diesmal blieben sie bei vollem Bewusstsein, der Realtraum kehrte nicht zurück. Sie spürten nur den brutalen Zugriff eines fremden Willens, der ihnen einen Befehl erteilte. Dieser war nicht klar akzentuiert, aber seine Tendenz war nicht zu verkennen. Jemand oder Etwas befahl ihnen, sich umzudrehen und loszugehen, in jene Richtung, aus der gedämpft das Rauschen des Flusses zu ihnen drang.

»Taff!«, stieß Mitani alarmiert hervor. »Das Fremde will uns in den Abgrund treiben – wir sollen über den Rand des Schädelfelsens in die Tiefe springen, in den reißenden Strom!«

Die Raumfahrer zuckten zusammen, denn was das für sie bedeuten musste, war ihnen klar. Sie befanden sich jetzt in schätzungsweise siebzig Meter Höhe über dem Flussniveau. Ein Absturz oder Sprung in die tosenden Fluten war gleichbedeutend mit einem Todesurteil für alle sieben Personen!

Caine und seine Gefährten versuchten sofort, sich gegen diese Vergewaltigung ihres Willens aufzulehnen. Sie waren durch ausgezeichnete psychische Schulungen gegangen – vor langer Zeit, noch unter Marschall Drechsler – und geistig besonders stabil. Sie stemmten sich gegen den fremden Befehl und errangen auch einen Anfangserfolg.

Ihre Füße, die sich ohne ihr Zutun bereits in Bewegung gesetzt hatten, stockten wieder. Nur Alexandros Demosthenes ging wie in Trance weiter, Taff griff rasch zu und hielt ihn zurück.

Der Minister wehrte sich jedoch heftig. Orvid Bashkiri kam dem Commander zu Hilfe, erhielt einen Stoß vor die Brust und stolperte über irgendeinen in der Dunkelheit unsichtbaren Gegenstand. Orvid schlug zu Boden und war für kurze Zeit benommen, was bewirkte, dass sich die geistige Fessel in seinem Hirn lockerte. Während Caine weiter mit Demosthenes rang, lag er auf dem Rücken, atmete schwer, und seine Augen starrten in den Nachthimmel.

Er sah eine Gruppe hell leuchtender Sterne, und sein geschultes Astrogatorenhirn identifizierte sie sozusagen automatisch als bekannt. Doch irgend etwas störte ihn an diesem Bild, etwas daran war durchaus nicht so, wie es hätte sein sollen. Als er endlich erfasst hatte, was es war, stieß er einen lauten Schrei aus, denn zu ungeheuerlich war die Schlussfolgerung, die sich aus dem Vorhandensein dieses Störfaktors ergab.

Dieser Schrei riss die anderen wieder aus dem fremden Bann, dem sie erneut zu unterliegen drohten. Statt weiterzugehen, wie es ihnen der oder das Fremde diktieren wollte, wandten sie sich Bashkiri zu, und Taff fragte besorgt: »Was ist los, Orvid? Hast du dich verletzt?«

Er hielt Demosthenes mit einem festen Hebelgriff am gesunden Arm, sein Blick suchte die nur undeutlich wahrnehmbare Gestalt des Astrogators. Lars half Orvid auf die Beine, und dann erklärte der Astrogator aufgeregt: »Da oben – seht ihr die Formation der hellen Sterne? Dies sind die Plejaden, und wir können sieben dieser Sonnen sehen!«

*

»Moment mal«, sagte der Commander und ignorierte weiterhin den fremden Befehl, während er hastig überlegte. »Stimmt, das ist der offene Sternhaufen der Plejaden, dessen hellste Sterne auch auf der Erde zu sehen sind. Weshalb erregt dich ihr Anblick so sehr?«

»Weil ich eben etwas begriffen habe«, gab der kleine Astrogator zurück. »Man nennt dieses Bild auch das Siebengestirn, obwohl wir auf Terra paradoxerweise mit bloßem Auge nur sechs seiner Sonnen sehen können. Zählt einmal nach – wie viele sind es jetzt?«

»Sieben«, sagte Dorit lakonisch und leicht befremdet. Immerhin wurde sie durch den Vorfall, genau wie die anderen, soweit abgelenkt, dass sie dem Befehl zum Selbstmord widerstehen konnte. »Das kann aber daran liegen, dass wir uns hier in einem fremden System befinden, wo die Gegebenheiten anders sind.«

Orvid schüttelte entschieden den Kopf.

»Die Sonne Alderamin ist nur etwa vierzig Lichtjahre von der Erde entfernt, und der Blickwinkel auf die Plejaden ist fast derselbe. Diese sind aber vierhundert Lichtjahre weit weg, hier wie bei uns, es ist also völlig ausgeschlossen, dass wir unter normalen Umständen plötzlich einen Stern mehr sehen können. Es gibt nur eine einzig mögliche Erklärung für das Phänomen: Wir befinden uns weit in der Vergangenheit!«

»Entschuldige, wenn ich immer noch begriffsstutzig bin, Freund«, meldete sich Taff wieder zu Wort. »Vielleicht liegt es an dem blauen Nebel oder dem Fremden in meinen Gedanken, dass ich dir im Augenblick nicht folgen kann. Sei also bitte so nett und erlöse mich und die anderen aus der Unwissenheit.«

Bashkiri nickte eifrig.

»Faktor Eins: Seitdem Menschen systematisch Sternenbeobachtung betrieben haben, waren von den etwa 250 Sonnen dieses Haufens stets nur die sechs hellsten ohne Instrumente sichtbar. Faktor Zwei: Es müssen aber vor langer Zeit einmal sieben gewesen sein, sonst hätte das Bild nie den aus grauer Vorzeit überlieferten Namen eines Siebengestirns erhalten können! Aus diesem ergibt sich Faktor Drei: Wir müssen uns weit, zumindest einige Jahrtausende in der Vergangenheit befinden, als es diesen siebenten Stern noch gab. Leuchtet euch das jetzt ein?«

»In etwa schon«, sagte Luca, ehe Caine etwas erwidern konnte. »Einer dieser hellen Sterne muss also irgendwann erloschen oder sonst irgendwie abhanden gekommen sein. Dass wir ihn jetzt und hier sehen, bedeutet also, dass wir uns in einer Zeit befinden, als es ihn noch in voller Pracht gab. Habe ich das korrekt formuliert, Herr Sternengucker?«

»Gut nachgebetet, möchte ich sagen«, schwächte der Astrogator ironisch ab. »Jetzt erhebt sich aber folgende Frage: Wie sind wir so weit in die Vergangenheit gelangt?«

»Durch den Transmitter in der Kuppelhalle!«, sagte Taff, denn der Begriff »Zeitreise« war ihm wie der übrigen Crew seit diversen Erlebnissen durchaus nicht mehr fremd. »Er hat uns nicht nur auf diesen Mond hier gebracht, sondern auch in eine andere Zeit. Das erklärt auch, weshalb es auf diesem Trabanten der Rhea noch eine Atmosphäre und Leben in vielerlei Formen gibt.«

Es gab eine plausible Erklärung, und das milderte den sonst unausbleiblichen Schock für die Menschen um einiges ab. Sie dachten intensiv über ihre Lage nach und verdrängten dadurch völlig den fremden Einfluss auf ihre Hirne. Er wurde zu einem fernen Ruf irgendwo im Hintergrund, den sie mühelos ignorieren konnten.

Das gelang sogar Demosthenes, der nun fragte: »Wie kommen wir aber jetzt wieder in unsere Zeit zurück?«

Das war eine Frage, die unausbleiblich auch die anderen beschäftigte.

Sie waren, auf dem Umweg über die Unterwelt auf Nimboid, in all dies buchstäblich hineingestolpert, ohne es zu wollen. Ihre Lage war alles andere als beneidenswert, aber keiner dachte daran, sich einfach mit ihr abzufinden. Dieser fremde Mond war nicht ihre Welt, sie gehörten weder auf ihn noch in die Vergangenheit!

Ihre Erlebnisse mit den Amazonen, die gespenstische Fahrt auf dem subplanetaren Fluss und das, was danach gekommen war, wurden für sie bedeutungslos. Ihr Überlebenswille erwachte, der Wille, in die Zeit zurückzukehren, in der sie ihre Aufgabe als »Hüter der Menschheit« wahrzunehmen hatten.

Es würde neue Gefahren für sie geben, aber daran waren sie längst gewöhnt. Sie brannten nun förmlich darauf, mit jenen Wesen dieses Trabanten zusammenzutreffen, die hochtrabend Zauberer von Valholl genannt wurden. Es war ihnen eben gelungen, den verderblichen, fremden Bann abzuschütteln, und dieses Erfolgserlebnis gab ihnen Auftrieb und Zuversicht. Falls diese Fremden sie in ihre Zeit geholt hatten, um ihr Spiel mit ihnen zu treiben, sollte dieses zukünftig nach anderen Regeln ablaufen – nach denen der PROKYON-Crew!

Taff Caine ließ den Minister los und streckte sich tatendurstig.

»Irgendwie werden wir es schaffen, Freunde«, erklärte er ernst. »Denkt nur einmal einige Zeit zurück, an unseren Irrweg durch den Transmitterkreis. Damals war unsere Lage so aussichtslos wie selten zuvor. Wir gingen ebenfalls durch Transmitter und gerieten dabei per Zeitsprung immer näher an einen Weltuntergang heran, dem wir dann aber doch entkamen. Auch hier wird sich ein Ausweg für uns finden lassen, dessen bin ich sicher. Die angeblichen Zauberer werden zweifellos nicht nur die eine Anlage in der Kuppelhalle besitzen, sondern vielleicht eine Vielzahl davon. Sie mögen uns wohl in mancher Hinsicht überlegen sein, diese Fremden aus der Vergangenheit, aber sie sollen in der PROKYON-Crew ihren Meister finden.«

Luca Ladora grinste breit.

»Wohl gesprochen, hoher Kommandant!«, rief er pathetisch aus. »Präsentieren wir ihnen unsere Rechnung für alles, was uns hier an Unannehmlichkeiten begegnet ist, und das war nicht eben wenig. Der Gipfel war ihr Befehl an uns, Selbstmord zu begehen; das zeugt von wenig feiner Lebensart.«

»Wir sollten wirklich versuchen, ihnen etwas davon beizubringen«, sagte Mitani, die sich kurzerhand auf den Boden gesetzt hatte. »Ich bin allerdings dafür, dass wir uns zuvor noch eine Weile ausruhen. Meine Knie sind so merkwürdig weich, der geistige Kampf scheint auch an der körperlichen Substanz gezehrt zu haben.«

»Meinetwegen«, sagte Taff, obwohl er selbst nichts dergleichen spürte. »Allerdings sollten wir vorher diesen Ort verlassen, er ist nicht gerade ein idealer Aufenthalt. Falls es auf dieser Seite des Flusses weitere Amazonen gibt, könnten sie leicht auf uns gehetzt werden, nachdem die Psychoattacke fehlgeschlagen ist. In diesem Fall hätte ich gern etwas anderes im Rücken als den Abgrund unterhalb des Schädelfelsens.«

»Ein weiches Kissen, ich weiß«, meinte Dorit. »Dies, und dazu ein großes Glas voll Archer’s Tears und sonstige Annehmlichkeiten. All das werden wir hier aber wohl schwerlich finden, irgendwo tief in der Vergangenheit.«

»Mir genügte schon ein anständiges Essen«, meldete sich Alexandros Demosthenes. »Nach all diesen Aufregungen rebelliert mein Magen doppelt, und seit dem Gastmahl bei Toburu-Chan habe ich nichts Vernünftiges mehr zu mir genommen.«

»Wir werden von dem Rest unserer Konzentrate den Löwenanteil für Sie abzweigen«, versprach ihm Caine und sah sich prüfend um. Der andere Mond war inzwischen höher gestiegen und verbreitete ein milchiges Halblicht. Man erkannte die Silhouetten niedriger Büsche, die auf der dünnen Humusauflage wuchsen, der sich im Laufe der Zeit auf dem Fels gebildet hatte. Zwischen ihnen lokalisierte Taff eine schmale Schneise, die etwas tiefer als die Umgebung lag und den Eindruck eines Pfades erweckte, der regelmäßig begangen wurde.

»Seltsam!«, murmelte er. »Es müsste ein Pfad ins Nichts sein, denn den Aufstieg durch die Felswand habe ich doch vorhin erst im Traum geschaffen.«

Er drehte sich unwillkürlich zu dem Ausstieg hin um, durch den sie ins Freie gelangt waren, und dann erstarrte er. Es gab diese Öffnung im Fels nicht mehr! Dort, wo sie vorher gewesen war, befand sich nur noch eine kompakte Fläche ohne jede Unterbrechung, keine Spur mehr von den Stufen, die er geträumt hatte – einfach nichts.

Er ging ungläubig einige Schritte zurück, und nun wurden auch die anderen aufmerksam. Sie begriffen schnell, gelangten jedoch zu derselben Erkenntnis wie er, als sie ihn über die betreffende Stelle gehen sahen.

Mitani erhob sich hastig und bemerkte mit spröder Stimme: »Dies ist mir etwas zu viel des falschen Zaubers, Freunde. Lasst uns gehen, ehe es hier zum Auftreten weiterer Absonderlichkeiten kommt; jede von ihnen könnte tödlich für uns sein.«

Sie setzten sich in Bewegung und schritten vorsichtig den Pfad entlang, der sich zwischen den Büschen dahin wand. Lars ging mit Caine voran und fragte gedämpft: »Kannst du mir wenigstens den Versuch einer Erklärung anbieten, Taff? Wie sind wir von der Felsleiste hier heraufgekommen, wo es doch offensichtlich nicht die Spur eines Aufstiegs mehr gibt?«

Der Kommandant der PROKYON X zuckte mit den Schultern.

»Ehrlich, Lars – ich bin nicht klüger, als du auch. Wir haben etliche Stunden verloren, als wir mit offenen Augen träumten, und doch haben wir objektiv nur etwa siebzig Meter realer Entfernung zurückgelegt. Sofern wir das überhaupt getan haben und nicht in Wirklichkeit etwas ganz anderes geschehen ist.«

Nach etwa zweihundert Metern erreichten sie eine flache Mulde, durch die ein schmaler Bach in Richtung des Cañons floss. Dort gab es weiche, moosartige Gewächse. Die Raumfahrer ließen sich darauf nieder und holten den Rest ihrer Notvorräte hervor. Das Wasser aus dem Bach erwies sich als trinkbar, und so konnten die Menschen auch ihren Durst löschen. Nach einer halben Stunde Rast brachen sie wieder auf und gingen weiter, dem Pfad ins Ungewisse nach.

Sie hatten geglaubt, über kurz oder lang einen Abstieg in die Ebene zu finden, doch diese Annahme erwies sich als Trugschluss. Im Gegenteil, das Gelände stieg sogar noch leicht an, wobei sich sein Charakter kaum veränderte. Es gab weiterhin nur die niedrigen Büsche mit lanzettförmigen Blättern, die leise im Nachtwind raschelten. Zuweilen huschten, von ihrer Annäherung aufgeschreckt, kleine Tiere vor ihnen davon, sonst war es fast geisterhaft still.

Während der Pause hatte der Commander Bestandsaufnahme gemacht. Ein Teil ihrer von dem »Amazonenkorps« erbeuteten Waffen war mit dem gesunkenen Boot verlorengegangen. Sie besaßen jetzt nur noch drei kurze Schwerter, die von Taff, Luca und Lars getragen wurden. Die Handlaser, die außer Demosthenes jeder mitführte, zählten nicht, solange es keine vollen Energiezellen für sie gab.

»Mit den drei Eisen werden wir im Ernstfall nicht viel Eindruck schinden können«, bemerkte Luca skeptisch, als Caine auf diesen Sachverhalt hinwies. »Es sei denn, dass es sich um eine Art von magischen Schwertern handelt, die von den Zauberern mit besonderen Eigenschaften ausgestattet worden sind.«

»Dann hätten uns die Amazonen mit ihrer Hilfe leicht außer Gefecht setzen können«, stellte Orvid lakonisch fest. »Damit ist es also jedenfalls nichts. Wir werden uns wieder einmal hauptsächlich auf unseren überlegenen Geist verlassen müssen.«

Taff kniff plötzlich die Augen zusammen, denn er sah im diffusen Mondlicht eine dunkle Wand, die vor ihnen aufragte. Der Pfad führte nun zwischen niedrigen Felsklippen dahin, und die Büsche verschwanden allmählich ganz. Wenig später erreichte die kleine Gruppe einen Aufstieg, der zu einer höher gelegenen Ebene führte.

Hier gab es Stufen, etwa zwei Meter breit und vierzig Zentimeter hoch, die in den Fels geschlagen waren. Sie schienen auch in dieser weit zurückliegenden Zeit schon sehr alt zu sein, denn sie waren in der Mitte sichtlich ausgetreten. Wer mochte sie früher benutzt haben, und zu welchem Zweck? Stellte der schädelartige Felsvorsprung, von dem die sieben Menschen kamen, vielleicht so etwas wie ein mystisches Zentrum auf diesem Mond der »Zauberer« dar? Das wäre eine Erklärung für die seltsamen Ereignisse dort gewesen.

»Unsinn«, bemerkte Caine ärgerlich, als Dorit eine entsprechende Bemerkung machte. »Du solltest dich nicht durch die Umstände und das Mondlicht in deinem Urteilsvermögen beeinflussen lassen. Alles, was man uns im Laufe unserer vielen Einsätze als mystisch vorsetzen wollte, erwies sich im Endeffekt zu etwa neunundneunzig Prozent nur als Mystifikation! Hier dürfte es wohl kaum anders sein.«

Sie stiegen die Treppe empor und brachten mehr als zweihundert Stufen hinter sich. Dann hatten sie ein Hochplateau erreicht, das sich weit in die Ferne zu erstrecken schien. Den eigentlichen Blickpunkt bildete jedoch eine eng begrenzte Zone eines eigentümlichen, bläulichen Leuchtens, das grell in ihre an das schwache Mondlicht gewöhnten Augen stach.

Taff blieb abrupt stehen.

»Entfernung etwa fünfhundert Meter«, stellte er schließlich fest. »Das Licht pulsiert, in Intervallen von etwa zehn Sekunden zwischen Maximum und Minimum, die Differenz zwischen den beiden Extremen beträgt schätzungsweise fünfzig Prozent. Wenn mich nicht alles täuscht, geht es von irgendeinem Bauwerk aus, dessen Formen von hier aus aber nicht eindeutig zu erkennen sind.«

»Dem lässt sich abhelfen, meine ich«, sagte Luca sofort. »Gehen wir hin und sehen wir nach, dann werden wir sehr bald wissen, was es damit auf sich hat. Schließlich sind wir ja im Laufe der Zeit Weltmeister im Erforschen fremder Baulichkeiten geworden.«

»Ich bin ebenfalls dafür«, erklärte Lars Gunnarsson. »Allerdings nicht aus purer Neugier, wie unser stets wagemutiger Freund, sondern aus mehr praktischen Gründen. Wo es ein so helles Licht gibt, müssen auch große Energiemengen erzeugt werden. Und wo das der Fall ist, kann leicht auch ein Transmitter zu finden sein, ähnlich dem in der Kuppelhalle, der uns nach Nimboid und in unsere Zeit zurückbringt!«

»Kann – muss aber nicht unbedingt«, sagte Caine gedehnt. »Natürlich rechtfertigt bereits diese Möglichkeit den Marsch dorthin und die Erkundung der Gegebenheiten.«

Die gesamte Crew stimmte nach kurzer Diskussion dafür, das Bauwerk aufzusuchen.

Taff wandte sich an den Minister.

»Wie steht es mit Ihnen, Alexandros? Fühlen Sie sich kräftig genug, mit uns zu gehen? Falls nicht, kann einer von uns hier bei Ihnen zu Ihrem Schutz zurückbleiben, bis die Lage geklärt ist.«

»Das auf gar keinen Fall«, gab Demosthenes zurück. »Unsere Damen haben mich ausgezeichnet verarztet, ich fühle überhaupt keine Schmerzen mehr. Es gibt also keinen Grund, die Dinge unnötig zu komplizieren.«

»In Ordnung – dann also los!«, bestimmte der Commander.

Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie

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