Читать книгу Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie - Harvey Patton - Страница 26
6
ОглавлениеIn dem Bereitschaftsraum fand Taff dann endlich etwas, das er sehr gut brauchen konnte: einen Plan des Palasts der Kriegsgötter. Er studierte ihn kurz und nickte dann Mitani zu, die solange mit schussbereiter Waffe die Halle und die einmündenden Korridore im Auge behalten hatte.
»Schnell in den ersten Stock, dort liegen Toburus Gemächer. Da hinten die Treppe hoch, der Lift dürfte kaum funktionieren, dazu reicht der Notstrom nicht aus.«
Sie rannten durch die Halle und hetzten in großen Sprüngen die Steintreppe hoch. Einzelne Stufen hatten sich gelockert, aber sie achteten nicht darauf. Taff wandte sich nach links, sicherte kurz, aber auch dieser Korridor lag verlassen da. Er lief sofort weiter, stoppte dann abrupt und näherte sich vorsichtig der Eingangstür zum Apartment des Regierungschefs. Sie stand weit offen, und das gab Anlass zu den schlimmsten Befürchtungen.
Caine nahm einen von der Decke gefallenen faustgroßen Brocken auf, holte aus und warf ihn durch die Tür. Dort fiel er polternd zu Boden, aber es erfolgte keine Reaktion. Das einzige vernehmbare Geräusch war, neben dem ständigen leisen Murren des Vulkans, das gepresste Atmen der beiden Raumfahrer.
Sie sahen sich kurz an und drangen dann in das Apartment ein. Der Vorraum und das Wohnzimmer waren verlassen, aber im Schlafraum fanden sie Toburu. Er lag, nur mit einem Schlafanzug bekleidet, auf dem Teppich und in seiner linken Schulter klaffte eine hässliche Wunde mit verbrannten Rändern. Auch hier gab es Spuren eines Kampfes, ein schwerer Handstrahler lag unter einem umgestürzten Sessel.
Mitani beugte sich rasch über den Nimboiden und legte ein Ohr auf seine Brust. »Er lebt!«, stellte sie dann aufatmend fest. »Nur eine Handbreit tiefer, und der Schuss hätte sein Herz getroffen. Komm, wir müssen ihm helfen und ihn wieder zur Besinnung bringen.«
Taff holte Wasser aus dem Badezimmer, und sie bemühten sich gemeinsam um den Verletzten, der nach kurzer Zeit wieder zu sich kam. Toburu-Chan stöhnte und sein Gesicht war schmerzverzerrt, aber er richtete sich sofort ruckartig auf. Caine wollte ihn stützen, aber er wischte seine Hand brüsk zur Seite.
»Verräter!«, stieß er verächtlich aus. »Wie konnten gerade Sie mir das antun, Commander?«
Taff sah ihn verwundert an. »Was meinen Sie damit?«, fragte er, aber der Shogun schnitt ihm sofort das Wort ab.
»Spielen Sie mir hier kein großes Theater vor, ich weiß Bescheid. Schließlich waren es TERRANER, die mich hier überfallen haben und umbringen wollten! Sind Sie jetzt gekommen, um ihr Werk zu vollenden?«
Das alte Misstrauen des Nimboiden war wieder erwacht, aber der Commander protestierte sofort energisch. »Sie müssen sich getäuscht haben, Toburu; außer uns gibt es keine Terraner in Vulcanus, das versichere ich Ihnen. Es wäre ja geradezu absurd, wenn jemand von der Erde ausgerechnet den Mann umbringen wollte, der den Frieden mit ihr will. Außerdem sind nicht Sie allein betroffen – gleichzeitig wurde auch Alexandros Demosthenes entführt!«
Toburus Gesicht wurde noch grauer als zuvor. »Dann müssen es Kreaturen von Ninigi-Chan gewesen sein, als Terraner maskiert, um uns alle zu täuschen. Ich wusste, dass er eines Tages gegen mich angehen würde, um wieder an die Macht zu kommen, aber so bald hatte ich nicht damit gerechnet. Jetzt heißt es rasch handeln, ehe noch mehr Unheil geschieht. Meine Leibwache ...«
»... liegt paralysiert in ihrer Unterkunft«, unterbrach ihn Taff. »Man hat sie ausgeschaltet, ehe man losschlug, um leichtes Spiel zu haben, wir haben die Männer entdeckt, ehe wir zu Ihnen kamen.«
»Dann werde ich sofort die 2. Raumlandedivision alarmieren«, sagte Toburu und erhob sich trotz seiner Schmerzen. »Diese Männer sind mir treu ergeben, sie müssen Ninigi-Chan und seine Clique umgehend festnehmen. Haben wir sie in der Hand, können wir auch die Freigabe von Alexandros erzwingen.«
Er ging zum Visiphon und schaltete, aber die Bildfläche blieb dunkel. »Man hat die Verbindung unterbrochen«, stellte er bitter fest, aber Caine schüttelte den Kopf.
»Diese Mühe wird man sich kaum gemacht haben, man hielt Sie vermutlich für tot. Ich fürchte, dass alle Verbindungen nach außen durch das Beben zerstört worden sind.«
Der Shogun sah ihn verwundert an. Er war fast eine Stunde lang besinnungslos gewesen und hatte noch keine Ahnung, dass der Vulkan inzwischen voll aktiv geworden war. »Auch das noch!«, stöhnte er, nachdem ihn Taff unterrichtet hatte. »Dann muss ich sofort zur Hyperfunkstation, ein normales Funkgerät durchdringt die Mauern des Palasts nicht.«
»Aber nicht in diesem Zustand!«, sagte Mitani energisch. »Zuvor werde ich Ihre Wunde versorgen, Sie brauchen Tetanusserum und ein Stimulans, sonst halten Sie nicht durch. Gib mir deine Medobox, Taff, ich habe meine nicht bei mir.«
Caine nestelte das Kästchen vom Gürtel und reichte es ihr. »Folgender Vorschlag«, sagte er dann. »Du bleibst bei Toburu und begleitest ihn zur Funkstation, sobald er verarztet ist. Ich gehe wieder los, um Alexandros und die Entführer zu suchen. Können Sie mir einen Tipp geben, wo sie sich verborgen halten mögen, wenn sie den Palast noch nicht verlassen haben?«
Der Regierungschef stöhnte, denn das Mädchen war dabei, die eingebrannten Stoffreste aus der Schusswunde zu entfernen. »In den alten Kellerräumen vielleicht«, überlegte er. »Unter dem Gebäude gibt es eine Anzahl von Gängen und Gewölben, die noch von den ersten Kolonisten stammen. Sie wurden aufgegeben, als die Stadt im vorigen Jahrhundert nach einem schweren Beben neu aufgebaut wurde, aber es existieren noch Zugänge dahin.«
Er bezeichnete einen davon, so gut es ging, und Taff nickte. »Dann also auf in die Unterwelt, um die Unterweltler zu jagen! Achte auf dein Funkgerät, Mitani, ich unterrichte euch sofort, falls ich etwas finde und eventuell Verstärkung brauche.«
Das Mädchen sah ihm nach, bis sich die Tür hinter ihm schloss. »Etwas wird er mit Sicherheit finden«, prophezeite es dann. »Neue Schwierigkeiten!«
*
»Gespenstisch!«, murmelte der Commander vor sich hin. »Solch ein riesiger Kasten, und doch ist nirgends auch nur ein Mensch zu sehen. Man sollte meinen, dass das Beben auch Halbtote noch aus den Betten gejagt haben müsste. Oder sollten die fremden Eindringlinge alle ausgeschaltet haben, die sich im Palast befanden? Ortskundig waren sie auf jeden Fall, das beweist die Tatsache, dass sie sich Alexandros und Toburu zielstrebig herausgepickt haben.«
Er aktivierte das Funkgerät, und auf seinen Ruf hin meldete sich Lars Gunnarsson.
»Fehlanzeige in jeder Hinsicht, Taff, für beide Gruppen. Es ist uns gelungen, zwei Schleusentore zu finden, die nach draußen führen, aber die elektronischen Verriegelungen sind infolge des Energieausfalls blockiert. Durch sie können die Entführer jedenfalls nicht hinausgelangt sein. Wir haben inzwischen Dorit und Luca getroffen und unsere negativen Erkenntnisse ausgetauscht.«
»Außerdem sitzen wir im Moment fest«, mischte sich Ladora in die Unterhaltung ein. »Der Korridor, in dem wir uns befinden, ist durch einen Mauereinsturz versperrt. Wir kehren jetzt um und suchen einen anderen Weg zum Palastzentrum.«
Caine unterrichtete sie kurz über die Geschehnisse im Zusammenhang mit Toburu-Chan und bezeichnete ihnen den Ort, an dem er in die alten Gewölbe eindringen wollte. »Versucht, mir dorthin zu folgen, ich werde eine Markierung hinterlassen. Sollte ich auf die Entführer stoßen, unterrichte ich euch sofort und warte dann ab, bis ihr da seid, sofern die Lage nichts anderes gebietet.«
»Ja, die Lage«, sagte Orvid Bashkiri. »Sie ist hoffnungslos, aber nicht ernst, um einen alten Kalauer zu gebrauchen. Falls man Alexandros inzwischen umgebracht haben sollte, sehe ich verdammt schwarz. Das ergibt Verwicklungen von lichtjahreweiten Ausmaßen.«
»Mal den Teufel nicht an die Wand!«, murmelte Taff verdrossen. »Beeilt euch, ich habe das Gefühl, dass hier bald wieder die Wände wackeln werden, der Vulkan wird schon wieder lauter. Bis später.«
Er bahnte sich seinen Weg durch den allgegenwärtigen Schutt und erreichte schließlich eine Treppe, die hinunter in einen Lagerraum führte. Dort befanden sich Regale mit technischen Ersatzteilen verschiedener Art, die nun zum großen Teil auf dem Boden verstreut lagen. Im Hintergrund fand er die von Toburu beschriebene Stahltür, die durch große Riegel gesichert war.
Caine löste diese und wuchtete dann die schwere Tür auf. Hinter ihr führte ein breiter gewölbter Tunnel mit etwa zehn Grad Neigung in die Tiefe. Zu seiner Erleichterung gab es auch hier Notlampen, so dass er nicht nur auf seine Handleuchte angewiesen war.
Er kehrte noch einmal um, nahm seine Waffe, fokussierte ihren Strahl auf stärkste Bündelung und brannte dann eine fortlaufende Reihe von Pfeilen in den Boden. Mit Unbehagen registrierte er das Einsetzen neuer schwacher Erdstöße, sein Instinkt hatte ihn also nicht getrogen.
Der Tunnel war in gutem Zustand und vollkommen mit Stahl ausgekleidet. Der Boden war geriffelt, so dass Taff trotz der starken Abschrägung guten Halt fand. So leise wie möglich bewegte er sich voran und erreichte etwa dreißig Meter weiter eine geräumige Kaverne, von der aus drei Gänge in verschiedene Richtungen führten. Sie verliefen nun waagerecht, waren jedoch gekrümmt, so dass nicht zu erkennen war, wie es weiter hinten aussah. Doch welchen sollte er nun nehmen?
»Im Zweifelsfall: die angeblich goldene Mitte«, knurrte er und versah den Boden mit einem entsprechenden Pfeil. Langsam drang er in den Gang ein, der mehrere Windungen beschrieb und dann in einen großen Hohlraum mündete. Hier war es fast dunkel, nur undeutlich erkannte Taff die Umrisse von niedrigen, buckelförmigen Bauwerken. Ihr Alter manifestierte sich in den zahlreichen Rissen und Sprüngen, die sie überzogen, einige waren vollkommen eingestürzt. Die Luft war schlecht und warm, so dass er bald zu schwitzen begann.
Er überlegte kurz und bewegte sich dann an der rechten Seitenwand der Kaverne entlang, nachdem er einen weiteren Pfeil hinterlassen hatte. Der Raum erwies sich als sehr groß, denn als er etwa dreihundert Meter zurückgelegt hatte, war immer noch kein Ende abzusehen. Offenbar war dies bereits ein Teil der alten Stadt, die nach Toburus Auskunft aus mehreren separaten Gewölben bestanden hatte.
Zuweilen hielt Taff an und lauschte, aber ringsum war es, vom ständigen Rumoren des Mont Mortus abgesehen, vollkommen still. Er erreichte schließlich das Ende des Hohlraumes und sah sich einem wahren Labyrinth von neuen Gängen gegenüber, von denen jedoch nur ein Teil noch passierbar war. Er entschied sich für den am besten erhaltenen und drang langsam in ihn ein.
Hier gab es keine Lampen mehr, es war aber dennoch nicht dunkel. Die gewölbte Wandung war mit einer selbstleuchtenden Kunststoffmasse ausgekleidet, die einen schwachen bläulichen Schimmer verbreitete. Taff grinste kurz, als er daran dachte, in welch unmöglicher Situation er sich hier befand.
»Genau das Richtige für einen Raumfahrer, der bereits Dutzende von Malen die Erde gerettet hat!«, murmelte er sarkastisch. »Die PROKYON ist mehr als einhundertfünfzig Kilometer weit weg, und ich krieche hier herum wie ein Maulwurf.«
Der Tunnel mündete nach etwa achtzig Metern in eine weitere große Kaverne. Caine verließ ihn fast sorglos, denn er glaubte kaum noch daran, dass sich die Entführer in dieser Umgebung aufhalten könnten. Um so größer war dann sein Erschrecken, als irgendwo vor ihm ein Lichtschein aufblitzte und die Entladung einer Strahlwaffe ganz nahe neben ihm in die Höhlenwand einschlug.
Trotz seiner Überraschung reagierte er folgerichtig. Er warf sich zu Boden, rollte sich ab und gelangte in die Deckung einer niedrigen Ruine. Trotz seiner misslichen Lage kam ein Gefühl der Befriedigung in ihm auf – er war auf der richtigen Spur!
Der Gegner feuerte erneut, verriet damit aber seinen Standort. Taff erwiderte das Feuer, schoss aber absichtlich zu hoch. Er musste unbedingt vermeiden, das Leben von Alexandros Demosthenes zu gefährden, falls dieser sich in unmittelbarer Nähe befand.
Der unbekannte Schütze dagegen war nicht mit derartigen Hemmungen belastet. Er schoss zum dritten Mal und so genau, dass Caines Haar zu knistern begann, so dicht fuhr der Strahl an ihm vorbei. Der Commander beschloss, es nun mit einer List zu versuchen. Er rollte sich ein Stück nach rechts hin ab und stieß einen dumpfen Schrei aus, dem er ein halb ersticktes Stöhnen folgen ließ.
Dabei zuckte er selbst zusammen, denn der Schall wurde von allen Seiten zurückgeworfen, so dass ein schauerliches Echo zustande kam. Taff grinste kurz, produzierte ein weiteres Stöhnen, das er mit einem heiseren Röcheln ausklingen ließ, und robbte langsam weiter. Als er die Kavernenwand erreicht hatte, richtete er sich halb auf und wartete ab.
In diesem Gewölbe war es fast dunkel, nur eine einsame Notlampe glomm weit im Hintergrund. Er strengte seine Augen an, konnte aber nichts von dem Gegner entdecken, der vermutlich inzwischen gleichfalls den Standort gewechselt hatte.
Es scheint nur ein Mann zu sein, überlegte er. Man hat ihn wohl hier als Wachtposten zurückgelassen, aber wo er ist, können die übrigen auch nicht weit sein. Ich bin jedenfalls auf der richtigen Spur.
Fast zwanzig Sekunden lang ereignete sich nichts.
Dann hörte Taff ein leises Tappen, das aber auch ein Echo hervorrief, so dass er seinen Ausgangspunkt lokalisieren konnte. Es schien jedoch von halblinks zu kommen, und so konzentrierte er seine Aufmerksamkeit dorthin. Er spähte zwischen zwei Ruinen hindurch in die Richtung, wo die Lampe ihren schwachen Schimmer verbreitete. Falls jemand diese Zone passierte, musste er ihn unbedingt bemerken.
Schließlich tauchte wirklich ein vager Schatten am Rand seines Gesichtsfelds auf. Caine hob den Handlaser, wartete aber noch, um den Gegner näher herankommen zu lassen. Ihm lag nichts daran, diesen Mann zu töten. Er wollte ihn überrumpeln und lebend in seine Hand bekommen, um ihn dann mehr oder weniger nachdrücklich über den Verbleib von Alexandros Demosthenes ausfragen zu können.
Der Unbekannte blieb jedoch vorsichtig. Er nutzte jede Deckung aus, so dass er immer nur für Sekundenbruchteile zu sehen war. Dann kam jedoch eine freie Stelle, die er passieren musste, nur noch etwa zwanzig Meter von Taff entfernt. Der Commander nahm seine Lampe in die linke Hand, hielt sie so weit von sich weg, wie es ging, und schaltete sie ein.
»Stehenbleiben!«, rief er scharf. »Stehenbleiben, oder ich schieße!«
Im gleichen Moment weiteten sich jedoch seine Augen in fassungslosem Staunen. Der Gegner, der geblendet zusammenfuhr, war ganz eindeutig – eine Frau!
Sie war deshalb nicht weniger gefährlich, davon zeugte der schussbereite Strahler in ihrer Hand. Taff jedoch bekam bei ihrem Anblick unwillkürlich Hemmungen. Auch in dieser Zeit der vollkommenen Emanzipation des weiblichen Geschlechts blieb in den meisten Männern immer noch der aus Urzeiten stammende Beschützerinstinkt wirksam. Er brachte Caine dazu, seine Waffe durch einen Knopfdruck auf Betäubungseffekt umzuschalten, und das rächte sich sofort.
Obwohl die Fremde geblendet war, nutzte sie diese winzige Verzögerung aus. Sie schoss blindlings, erst dann warf sie sich zur Seite, um dem Lichtkegel der Lampe zu entkommen.
Der Schuss verfehlte Taff und schlug hoch über ihm in die Wand. Loses Gestein löste sich, und der Mann warf sich instinktiv zur Seite, aber es war bereits zu spät. Ein Steinbrocken krachte schwer gegen seinen Hinterkopf, löschte sein Bewusstsein aus und ließ ihn haltlos zusammensinken.
Er merkte nicht mehr, wie die Frau Sekunden später neben ihm erschien. Seine Lampe war erloschen, als sein Finger vom Kontaktknopf glitt, sie holte eine Stablampe aus ihrer Kleidung und leuchtete ihn an. Er war vornüber gefallen, und sie sah das Blut an seinem Schädel, das zwischen dem Haar hindurchsickerte und einen schaurigen Effekt hervorrief.
»Er ist tot!«, murmelte sie befriedigt, erhob sich wieder und verschwand in der Dunkelheit.