Читать книгу Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie - Harvey Patton - Страница 28
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ОглавлениеÜbergangslos fand er sich in einer gänzlich anderen Umgebung wieder. Er schenkte ihr jedoch vorerst keinen Blick, trat rasch vor, um für die anderen Platz zu machen, und sah sich nach eventuellen Gegnern um. Es gab jedoch keine.
Er sah weit und breit keinen Menschen. Der zweite Transmitter stand in einer großen Kuppelhalle, die sich von der Unterwelt der nimboidanischen Hauptstadt sehr deutlich unterschied. Wandung und Decke waren in bunten Farben gehalten, der Steinboden mit farbigen, futuristisch anmutenden Mosaiken verziert. Bis auf den Transmitter und eine große Anzahl fremdartiger Schalt- und Kontrollelemente an den Wänden war die Halle vollkommen leer. Sie war von hellem gelblichem Licht erfüllt, ohne dass irgendwo eine Lichtquelle zu erblicken war.
»Wirklich verblüffend«, murmelte Luca, der als nächster in dem Raum erschienen war. »Dieser Bau könnte sich auch irgendwo in der Basis 104 befinden, aber auf Terra können wir unmöglich sein. Was sagst du dazu, Taff?«
»Vorsichtshalber zunächst einmal gar nichts«, gab Caine zurück. »So, jetzt sind alle da, verschiebe das Wundern auf später und schalte diesen Transmitter ab. Man könnte seine Aktivität anmessen und nachsehen kommen, und damit wäre der Überraschungseffekt dahin.«
Ladora nickte und kam seinem Verlangen nach. Inzwischen hatten sich auch die anderen umgesehen und gaben gedämpfte Kommentare ab. Sie wunderten sich nicht weniger als Taff und Luca, aber Dorit Grenelle machte schon nach kurzer Zeit eine erste sachliche Feststellung.
»Wir können nicht mehr auf Nimboid sein, Taff! Dies ist eine andere Welt, die Gravitation hier ist merklich geringer als dort.«
Caine stutzte und nickte dann. »Du hast recht, Dorit-Mädchen, es scheint sogar weniger als ein Gravo zu sein. Auch der Luftdruck ist hier wesentlich niedriger, und der leichte Geruch nach Schwefel fehlt. Du scheinst dich also in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des Transmitters geirrt zu haben, Computerschreck.«
Luca Ladora zuckte mit den Schultern.
»Schon möglich«, gab er ohne Verlegenheit zu. »Du weißt ja selbst, wie das so mit den Erzeugnissen fremder Technik ist: Ihre Funktionsweise zu erkennen heißt noch lange nicht, gleichzeitig alle Zusammenhänge zu begreifen. Übrigens sehe ich dort hinten etwas, das den Anschein eines großen Tores erweckt; oder sollte ich mich auch hier irren?«
Taff folgte seiner weisenden Hand, sah aber erst nach einigen Sekunden die Umrisse, denn das Tor unterschied sich in der Farbe nicht von seiner Umgebung. Langsam ging er, die Waffe noch immer schussbereit, darauf zu, während die anderen die Instrumente an den Wänden misstrauisch musterten.
Sie alle waren verunsichert, denn sie hatten etwas gänzlich anderes vorzufinden erwartet. Sie waren darauf vorbereitet gewesen, hier auf die Entführer Alexandros’ zu stoßen und mit ihnen kämpfen zu müssen. Stattdessen befanden sie sich nun auf einer anderen Welt, wo keine Spur von diesen zu entdecken war, es gab nur diese leere, absolut fremdartige Kuppelhalle.
Was hatte das zu bedeuten?
»Man könnte uns hereingelegt haben«, mutmaßte Orvid unbehaglich. »Vielleicht wurde der Transmitter durch Fernbedienung auf eine ganz andere Frequenz umgeschaltet, so dass wir zwangsläufig in einem anderen Gerät herauskommen mussten. Die Entführer dagegen sitzen mit Alexandros irgendwo auf Nimboid, wo wir sie nie finden werden.«
»Kann sein, muss aber nicht«, sagte Caine, der wieder zu seiner Crew zurückgekehrt war. »Jetzt sind wir einmal hier, also werden wir uns auch gründlich umsehen; nach Nimboid zurückkehren können wir immer noch. Das Tor ist nicht elektronisch verriegelt, sondern besitzt nur ein einfaches Wärmeschloss, das durch Handauflegen betätigt werden kann. Vielleicht finden wir dahinter gerade das, was wir suchen.«
»Er ist immer so herrlich optimistisch, unser großer Kommandant«, spöttelte Luca Ladora. »Ebenso gut können wir aber auch auf eine neue Hinterlassenschaft des Drajur stoßen, auf Mharuts oder ähnlich unerfreuliche Dinge! Der Teufel schläft bekanntlich nie.«
»Dann werden wir ihm eben zu einem kleinen Narkoseschlaf verhelfen, du Miesmacher«, sagte Mitani und hob ihren Handlaser. »Hör nicht auf ihn, Taff, denke an den Ruf, den die glorreiche PROKYON-Crew zu verteidigen hat. Wer der Gefahr aus dem Weg geht, stirbt zwar vielleicht an Altersschwäche, versäumt dafür aber in seinem Leben eine Menge, wie das alte Sprichwort sagt.«
Caine grinste kurz und nickte dann. »Du sagst es, meine schwarze Perle«, bestätigte er. »Die Aussichten, Alexandros hier zu finden oder nicht, stehen pari, also werden wir auf jeden Fall durch dieses Tor gehen, allerdings mit der gebührenden Vorsicht. Los jetzt!«
Er ging voran und legte seine Handfläche auf das Wärmeschloss, das sich in halber Mannshöhe befand. Nach kurzer Zeit ertönte ein leises Scharren, und die beiden Torflügel zogen sich in die Wand zurück. Die sechs Raumfahrer sprangen zur Seite und hoben ihre Waffen, aber nichts geschah. Auch hinter diesem Tor befand sich niemand, der als Gegner für sie in Frage kam.
Sie sahen in einen gleichfalls hell erleuchteten, rechteckigen Korridor von etwa vier Meter Breite und drei Meter Höhe. Er war ungefähr dreißig Meter lang, dahinter pulsierte ein undurchsichtiges, bläulich leuchtendes Energiefeld. Lars hob enttäuscht die Schultern.
»Ein Schutzschirm, der das, was dahinter liegt, gegen unbefugte Eindringlinge absichert! Dagegen kommen wir mit unseren beschränkten Hilfsmitteln nie an.«
Taff winkte ab und wandte sich an den Astrogator. »Du hast doch immer einen Detektor bei dir, mit dem sich die Natur eines solchen Feldes feststellen lässt. Vielleicht hilft er uns auch hier weiter, ohne dass wir lebensgefährliche Versuche anstellen müssen.«
Orvid Bashkiri nickte, schob den linken Ärmel seiner Kombination zurück und aktivierte das kleine Gerät. Es gab ein leises Summen von sich, dann zuckten in rascher Folge Ziffern über die Digitalanzeigen. Orvid wartete, bis sie zur Ruhe gekommen waren, und las sie dann aufmerksam ab. Als er wieder aufsah, flog ein leichtes Lächeln über sein Gesicht.
»Diesmal hast du zu schwarz gesehen, Lars! Dieses Feld sieht zwar gefährlich aus, besteht aber nur aus harmlosen Lichtquanten, die lediglich eine polarisierende Wirkung haben. Lebewesen aller Art können es unbedenklich durchschreiten, ohne irgendwie Schaden zu nehmen.«
»Gut, dann habe ich mich eben geirrt«, gab Gunnarsson zurück und fuhr sich durch sein weißes Haar. »Das ist Luca vorhin auch schon passiert, ich befinde mich also in guter Gesellschaft, soweit man das bei unserem Schmalspur-Casanova sagen kann. Wenn ich daran denke ...«
»Denke lieber später darüber nach«, unterbrach ihn Taff. »Mit jeder verstreichenden Minute kann das Risiko größer werden, für uns ebenso wie für Alexandros Demosthenes. Weiter, wir gehen durch das Feld, natürlich wie immer mit der nötigen Vorsicht.«
Sie durchschritten den Korridor, dessen Wände wie die der Kuppelhalle von bunten Farbmustern bedeckt waren. Kurz vor dem bläulichen Feld hielten sie an, um zu lauschen, aber sie hörten nichts. Entweder war hinter der Lichtbarriere alles still, oder sie schluckte etwaige Geräusche ebenso, sie sie die Sicht auf alles versperrte, was hinter ihr lag.
»Ich gehe zuerst«, sagte Orvid Bashkiri und schob sich durch den pulsierenden Vorhang, ehe ihn jemand aufhalten konnte. Im gleichen Moment entschwand er den Blicken der anderen, die unwillkürlich den Atem anhielten. Gleich darauf erschien jedoch sein linker Arm wieder vor ihnen und winkte ihnen einladend zu. Taff atmete geräuschvoll aus und trat dann als nächster durch das Lichtfeld, die übrigen folgten nach.
Dann starrten sie verblüfft auf die seltsame Szene, die sich ihren Blicken darbot.
*
Sie standen vor dem Eingang zu einer kleinen Schlucht, deren Felswände viel zu regelmäßig geformt waren, um natürlichen Ursprungs sein zu können. Auf ihrem Grund gab es Humusboden, in dem Büsche und blütenbesäte, staudenartige Pflanzen wuchsen, von einem Bach durchflossen, der sich in einiger Entfernung als glitzernder Wasserfall über eine Felsklippe ergoss. Über allem spannte sich ein derart intensiv blauer Himmel, dass auch er zu schön war, um echt zu sein.
Das alles hätte aber nie zu mehr gereicht, als den sechs Menschen nur ein müdes Lächeln abzuringen. Sie hatten, neben viel anderem, Shardeeba gesehen, den Planeten der Illusionen, und ausreichend viele Abenteuer auf den Phantastischen Planeten der Dara erlebt. Jeder von ihnen wusste also zur Genüge, wie eine unechte, simulierte oder künstlich geschaffene Landschaft aussah, und kannte alle Gefahren, die sich dahinter verbergen mochten. Hier gab es zwar keinen Anschein einer Gefahr, dafür aber eine Idylle, die fast noch unglaubwürdiger wirkte als die Umgebung und der Himmel darüber.
Ein Mann saß auf dem Stumpf einer umgestürzten steinernen Säule – Alexandros Demosthenes!
Er trug aber nicht mehr den Schlafanzug, wie zum Zeitpunkt seiner Entführung. Stattdessen hatte er eine enge blaue Hose an, die unten in niedrigen weichen Stiefeln verschwand, sein Oberkörper war mit einer lose fallenden bunten Jacke bedeckt, deren schreiende Farben den Augen geradezu weh taten. Das allein wirkte schon kitschig genug, aber es war längst noch nicht alles.
Alexandros hielt ein gitarrenähnliches Instrument vor sich, seine Finger zupften eifrig auf den Saiten herum. Dazu sang er laut ein Lied in einer Sprache, von der Taff vermutete, dass es Griechisch war. Den visuellen Höhepunkt bildeten jedoch neun bildhübsche, nur spärlich bekleidete Mädchen, die malerisch gruppiert rings um ihn im Kreis saßen!
Sie lauschten verzückt dem Gesang und ließen kein Auge von dem Terraner. Seine Apollfigur schien es ihnen ebenso angetan zu haben wie sein Lied. Alexandros strahlte sie der Reihe nach an, seine ebenmäßigen Zähne blitzten. Dorit Grenelles Gesicht war zu einer Studie in Essig erstarrt, als sie sich an Taff wandte.
»Siehst du auch, was ich sehe?«, raunte sie ihm empört zu. »Wir jagen hinter ihm her und machen uns die größten Sorgen, während er vor einem ganzen Harem schmachtende Liebeslieder singt! Sag mir, dass das nicht wahr ist, Taff!«
»Anscheinend ist es doch wahr«, gab Caine genauso leise zurück. »Ich sehe aber auch etwas, das dir bisher entgangen zu sein scheint: Dieser Harem ist offenbar doch nicht ganz so harmlos, wie es auf den ersten Blick aussieht! Diese Mädchen haben Waffen neben sich liegen, archaisch anmutend zwar, aber zweifellos durchaus echt. Speere, Pfeile und Bögen, dazu kurze Schwerter – sie dürften in den Händen dieser Amazonen recht wirkungsvoll sein!«
Luca Ladora sagte etwas, das Taff nicht verstand, aber jedenfalls um eine Spur zu laut. Die Gruppe vor ihnen war nicht mehr als zwanzig Meter entfernt, und die Amazonen schienen scharfe Ohren zu haben. Eine von ihnen wandte sich um, erblickte die sechs Raumfahrer und stieß einen schrillen Warnschrei aus.
Damit war das Idyll abrupt beendet.
Die neun Mädchen sprangen auf und sahen nun durchaus nicht mehr bildhübsch aus. Ihre Züge verzerrten sich in aufkommender Wut, ihre Hände griffen nach den Waffen. Einige Speere flogen der Crew entgegen, waren jedoch zu schlecht gezielt, um zu treffen, dazu waren Überraschung und Erregung zu groß.
Die Amazonen quittierten das mit einem lauten Wutgeschrei. Wie auf Kommando griffen sie nach ihren Schwertern und stürzten damit auf die Menschen los. Alexandros Demosthenes, der mit wenig geistreichem Gesicht sitzenblieb, war restlos vergessen.
Taff Caine reagierte schnell und folgerichtig. »Auf Betäubung schalten!«, rief er den Gefährten zu und hob seine Waffe. Er dachte nicht daran, hier ein Risiko einzugehen, denn er vermutete, dass es außer den streitbaren Mädchen noch weitere Gefahren in dieser unechten Umgebung gab. Die erste unliebsame Überraschung erlebten die Raumfahrer auch sofort.
Ihre Waffen funktionierten nicht!
Als sie das bemerkten, war es schon fast zu spät. Die Amazonen kamen mit gezückten Schwertern auf sie zu – zum Glück nicht allzu schnell, weil sie einer Buschgruppe ausweichen mussten. Die Crew nahm sie nicht recht ernst, Luca machte noch eine seiner berüchtigten Bemerkungen, ehe er abdrückte. Sein Grinsen erstarb jedoch sehr schnell, als er sah, dass die beabsichtigte Wirkung ausblieb. Die Mädchen meinten es offensichtlich ernst und waren zudem in der Überzahl.
Was zuerst nur den Anschein einer Farce gemacht hatte, wurde nun zum bitteren Ernst.
Die Raumfahrer betätigten mehrmals die Abzüge ihrer Strahler, ehe sie begriffen hatten. Taff dachte flüchtig daran, dass die Amazonen vielleicht genauso unecht sein könnten, wie alles andere ringsum; keine wirklichen Menschen, sondern nur Projektionen. Als ihn aber eine der Angreiferinnen erreicht hatte, duckte er sich sehr rasch unter dem Schwert hinweg. Er spürte den Luftzug, mit dem die Klinge über ihn hinweg pfiff und wusste im gleichen Moment, dass dieses Geschehen sehr real war.
Das Mädchen stieß einen schrillen Schrei der Enttäuschung aus und hob den Arm, um ihm die Schwertspitze in die Brust zu rammen. Der Commander wich abermals aus, ließ seine nutzlose Waffe fallen und stellte sich notgedrungen mit bloßen Händen zum Kampf. Es gelang ihm, durch eine blitzschnelle Wendung in den Rücken der Angreiferin zu kommen, ein kurzer Hebelgriff, und dann polterte das Kurzschwert zu Boden. Die Amazone gab jedoch nicht auf, sondern stürzte sich nun mit einem wahren Panthersatz auf ihn. Sie besaß erstaunliche Kräfte, und Taff hatte auch hier wieder Hemmungen, einem weiblichen Wesen so entgegenzutreten wie einem männlichen Kämpfer. Er beschränkte sich auf die Verteidigung, bis er dann sah, dass sich ein weiteres Mädchen auf ihn zu bewegte, das Schwert zum Schlag erhoben. Aus den Augenwinkeln sah er, dass auch die anderen Mühe hatten, sich ihrer Haut zu wehren, und nun agierte er so, wie es dem Ernst der Lage angemessen war.
Ein schneller Handkantenschlag schickte die erste Angreiferin benommen zu Boden. Caine tänzelte zur Seite, der Schwerthieb der zweiten ging ins Leere, und der Mann stellte ihr ein Bein. Auch sie fiel, Taff entwand ihr die Waffe und betäubte sie durch einen Karateschlag. Dann beeilte er sich, Lars zu Hilfe zu kommen, der einen schweren Stand gegen gleichfalls zwei Amazonen hatte. Die Luft war erfüllt vom Stampfen, Keuchen und Schreien der Kämpfenden. Mitani befand sich im Clinch mit einer Amazone, und beide schenkten sich nichts, Dorit rang mit einer weiteren um den Besitz ihres Schwertes. Luca hatte ein Mädchen zu Boden geschickt, besaß nun seine Waffe und focht ein mörderisches Duell mit einem anderen aus.
Lars benutzte einen dürren Ast dazu, die Schläge der Amazonen notdürftig zu parieren. Taff stürzte sich auf die rechte von ihnen und drehte ihr den linken Arm auf den Rücken, doch sie wirbelte herum und stach mit dem Schwert zu.
Die Klinge streifte seine linke Schulter und schlitzte die Kombination auf. Ein sengender Schmerz durchfuhr Caine. Rein automatisch stieß er Daumen und Mittelfinger der Rechten in die Nieren des Mädchens, das sich schreiend zusammenkrümmte und zu Boden fiel. Die zweite Amazone fuhr herum, um sich gegen ihn zu wenden, aber Gunnarsson schlug ihr mit dem Ast das Schwert aus der Hand.
Nun hatten es die beiden Männer nicht mehr schwer, beide durch wohldosierte Hiebe mit den Handkanten restlos kampfunfähig zu machen. Nun geriet Orvid Bashkiri in ihr Blickfeld, der gegenüber den anderen körperlich benachteiligt war. Ein Mädchen hatte ihn von hinten angesprungen, seinen rechten Arm um seinen Hals geschlungen und drückte erbarmungslos seine Kehle zu. Der kleine Astrogator begann bereits zu röcheln, sein Gesicht war blau angelaufen.
Taff befreite ihn und schickte die Amazone ins Land der Träume. Indessen hatten auch Dorit und Luca ihre Gegnerinnen überwunden, nur Mitani kämpfte immer noch verbissen mit der ihren. Caine sprang hinzu, wartete einen günstigen Augenblick ab und griff dann zu. Die Amazone wand sich kreischend unter seiner Hand, sie schien die Stärkste von allen zu sein. Erst mit Lars’ und Dorits Hilfe gelang es, sie ganz zu überwältigen und ihr provisorische Fesseln anzulegen. Luca stopfte ihr ein Taschentuch in den Mund, denn sie schrie auch jetzt noch immer, ihre Augen waren hasserfüllt.
»Ich kann mir nicht helfen, Taff«, sagte er dann und massierte seinen linken Arm, den ein Hieb mit der flachen Klinge getroffen hatte. »Mir scheint fast, als hätten diese reizenden Mädchen etwas gegen uns.«
»Wie schnell er immer schaltet, unser Scherzbold vom Dienst«, kommentierte Orvid und hielt sich den schmerzenden Hals. »Bist du in Ordnung, Mitani?«
»So halbwegs«, sagte das dunkelhäutige Mädchen, doch dann weiteten sich seine Augen. »Du blutest ja, Taff! Dorit, schnell deine Medobox her, wir müssen ihn verarzten.«
Die beiden weiblichen Crewmitglieder kümmerten sich um Caine, der aber nur einen oberflächlichen Schnitt davongetragen hatte, der allerdings sehr schmerzhaft war. Die anderen Männer begannen damit, die besiegten Amazonen zu fesseln, was auch jetzt noch nicht immer ohne Gegenwehr abging. Im Großen und Ganzen war die Crew mit dem berühmten blauen Auge davongekommen, was bei Lars sogar wörtlich zu nehmen war.
Die Lage war bereinigt, zumindest für den Augenblick.
*
Taffs Blick suchte Alexandros Demosthenes, der noch immer unbeweglich auf dem Säulenstumpf saß. Er hatte die Gitarre zur Seite gelegt, lächelte und schüttelte anhaltend den Kopf.
»Ihr wart wirklich sehr beeindruckend, Freunde!«, rief er pathetisch aus. »Ich kann nicht umhin, euch allen meine Anerkennung auszusprechen, wenn ich auch sagen muss, dass das alles gar nicht nötig gewesen wäre. Ich war auf dem besten Wege, die Amazonen ganz in meinen Bann zu schlagen, auch ohne euer Dazwischentreten.«
»Wie denn, Sie misslungene Imitation eines Barden?«, knurrte Caine missmutig zurück. »Mit dem Schmalz in Ihrer Stimme etwa?«
Demosthenes nickte ungerührt.
»Das alte folkloristische Liedgut meiner griechischen Heimat«, dozierte er, »hat das gewisse Etwas, dem sich niemand auf die Dauer entziehen kann. Millionen von Touristen haben das seit vielen Jahrhunderten erfahren – nicht ganz umsonst, wie ich zugeben muss. Ich hatte zwar keine echte Bouzuki zur Verfügung, aber doch einen halbwegs passablen Ersatz. Die wilden Mädchen waren ganz hingerissen und hatten bereits vergessen, dass sie mich streng bewachen sollten. Nicht mehr lange, und ich hätte sie soweit gehabt, dass sie mich zum Transmitter zurückgebracht hätten. Bald wäre ich wieder auf Nimboid gewesen!«
»Dass wir jetzt auf einer anderen Welt sind, haben wir bereits bemerkt«, warf Lars ein. »Alles andere ist uns aber noch ziemlich unklar, Alexandros. Männer, die wie Terraner aussahen, haben Toburu überfallen und zu ermorden versucht, Frauen verschleppten Sie und brachten sie zum Transmitter in den alten Gewölben von Vulcanus. Mit diesen Amazonen waren sie aber bestimmt nicht identisch.«
Der Minister wiegte den Kopf.
»Alles weiß ich leider auch nicht, denn ich war einige Zeit ohne Bewusstsein. Zwei Männer überfielen mich im Schlaf, ich wehrte mich und rief über Funk um Hilfe, aber sie waren zu stark für mich. Sie hatten die Statur von Nimboiden, sahen jedoch wie Terraner aus. Sie überwältigten und betäubten mich, ich erwachte erst hier wieder. Da hatten mich drei überaus kräftige Frauen in ihrer Gewalt, übergaben mich diesen Mädchen und verschwanden wieder. Ich habe dann versucht, das Beste aus meiner Lage zu machen, bis Ihr Auftreten alles verdarb.«
»Die PROKYON-Crew hat schon vielen Leuten so manches verdorben«, sagte Taff zweideutig. »Ob Ihre Gesänge allerdings wirklich die gewünschte Wirkung gezeitigt hätten, wage ich stark zu bezweifeln, Alexandros. Diese Amazonen mit ihrer anachronistischen Bekleidung und Bewaffnung können nichts weiter als untergeordnete Helferinnen der Entführer sein, ohne eigene Entscheidungsfreiheit.«
»Das ist allerdings richtig«, gab Demosthenes zu. »Sie kooperieren zumindest mit denen, die mich überfallen und verschleppt haben. Auf dieser Welt haben sie aber einen besonderen Status, wie ich von ihrer Anführerin erfuhr, der Mitani einen so exzellenten Kampf geliefert hat. Sie nennen sich selbst die Dienerinnen der Zauberer von Valholl.«
Luca Ladora lachte laut auf.
»Das ist wirklich köstlich!« prustete er. »dass es hier eine Menge von falschem Zauber gibt, haben wir längst bemerkt, teurer Freund und Minnesänger. Da ist einmal diese bildhübsche Landschaft, wie aus dem Prospekt eines zweifelhaften Reisebüros, genauso unecht und kitschig. Sie mag auf einem fremden Planeten liegen, ist aber nur eine künstlich geschaffene Kulisse, davon sind wir überzeugt. Schließlich gibt es im gesamten Alderamin-System keinen Planeten, der auch nur annähernd die Bedingungen aufweist, die hier herrschen.«
Demosthenes sah ihn gekränkt an.
»Ich kann Ihnen auch nur das wiedergeben, was ich selbst erfahren habe«, erklärte er und stieg von seinem Podest. »Viel ist es nicht, denn diese – zugegebenermaßen recht ansehnlichen – Amazonen beherrschen nur einige Brocken unserer Umgangssprache. Sie verständigen sich in einem fremden Idiom, das ich nie zuvor vernommen habe.«
»Wir werden das nachprüfen«, versprach Caine und sah hinüber zu den gefesselten Mädchen, die noch immer an den Klebestreifen zerrten, mit denen man ihnen Hände und Füße umwickelt hatte. Vergebens, denn dieses Material diente in Notfällen zur Abdichtung von Rissen in Raumanzügen und war extrem fest. »Sie ahnen ja nicht, wie dumm sich manche Leute stellen können, wenn es darauf ankommt.«
Nun lächelte Alexandros ironisch.
»Meinen Sie, Taff? Vergessen Sie nicht, dass ich Minister bin! Was ich in meinem Amt schon an Verstellungskünsten erlebt habe, prädestiniert mich hervorragend dazu, die Wahrheit oder Unwahrheit dessen zu erkennen, was andere von sich geben. Diplomatie ist ein Geschäft ...«
»... mit dem wir uns jetzt nicht weiter beschäftigen sollten«, unterbrach ihn der Commander. »Hier gibt es weit dringendere Probleme zu klären, und wir wissen nicht, wie lange man uns hier noch in Ruhe lassen wird. Was wissen Sie über die angeblichen Zauberer, Alexandros? Haben Sie eine Ahnung, wo sie sich aufhalten mögen?«
»Nicht die geringste«, gab Demosthenes zurück. »Ich habe nur den nackten Begriff erfahren, mehr nicht. Natürlich hätte ich mich gern in der weiteren Umgebung umgesehen, aber das ließen meine überaus tüchtigen Wächterinnen leider nicht zu. Sobald ich die geringsten Anstalten machte, mich zu entfernen, hielten sie mir ihre Speere und Schwerter unter die Nase. So versuchte ich es auf die sanfte Tour, nachdem ich dieses Instrument unter ihrem wenigen Gepäck entdeckt hatte. Auch eine Art von angewandter Diplomatie, und sie hätte bestimmt noch zum Ziel geführt.«
»Bis zum Transmitter vielleicht, aber weiter wohl kaum«, sagte Mitani nüchtern. »Diese Dienerinnen sehen nicht so aus, als ob sie imstande wären, eine solche Anlage zu begreifen, viel weniger erst, sie zu justieren und in Betrieb zu nehmen. Selbst Lars und Luca haben etwa eine Stunde gebraucht, bis sie mit der Gegenstation ins reine gekommen waren.«
Sie nahm ihren Handlaser in die Hand.
»Hier ist etwas, das uns im Augenblick am meisten zu denken geben sollte: Weshalb haben die Amazonen nicht auf den Beschuss mit den Lähmstrahlen reagiert? Kein Lebewesen, dessen Metabolismus auf dem Kohlenstoff-Protoplasma-Zyklus basiert, ist sonst dagegen immun! Sie hätten umfallen müssen – warum ist das nicht geschehen?«
»Verdammt!«, entfuhr es Taff. »An diese Tatsache habe ich infolge der Aufregung durch den Kampf gar nicht mehr gedacht. Die Mädchen sind aber humanoid, daran kann es nicht den geringsten Zweifel geben. Sie sehen zwar reichlich exotisch aus, gleichen aber sehr weitgehend uns Terranern.«
»Unser großer Häuptling hat etwas übersehen und gibt das auch noch zu!«, feixte Luca. »Nur weiter so, Taff, vielleicht wird eines Tages doch noch ein brauchbarer Mensch aus dir. Im Ernst: Verwunderlich ist es schon, dass unsere guten alten Handlaser plötzlich in einen wilden Streik getreten sind. Kann es hier in dieser unechten Umgebung physikalische Anomalien geben, auf die ihr Versagen zurückzuführen ist?«
»Vielleicht sogar wirklich Zauber?«, spöttelte Dorit. Sie nahm ihre Waffe, schaltete sie auf Wirkungsfeuer um und richtete sie dann auf einen der Felsen. Sie drückte auf den Auslöser, einmal, zweimal, dreimal – nichts geschah! Der Felsblock, der sich normalerweise in glühende Fragmente hätte auflösen müssen, blieb vollkommen unversehrt.
Sechs sehr blasse Menschen sahen sich an. Nacheinander probierten alle ihre Strahler aus, ebenfalls ohne jeden Erfolg. Nach einem langen, drückenden Schweigen fand Lars als erster die Sprache wieder.
»Wir müssen weg von hier, Taff!«, sagte er tonlos. »Falls jetzt ein wirklich ernstzunehmender Gegner auftaucht und über uns herfällt, ist die PROKYON-Crew einmal gewesen!«