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6.1.3 Kundenorientierung bei Patienten mit eingeschränkten Selbstbestimmungsmöglichkeiten

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Im Idealfall sollte der Kunde einer Dienstleistung die Anforderungen an diese beschreiben können. Im Gesundheitswesen setzt dies voraus, dass ein Patient in der Lage ist, Ausmaß, Auswirkungen und Risiken einer geplanten diagnostischen, therapeutischen oder rehabilitativen Maßnahme zu erfassen, zu beurteilen, Vor- und Nachteile von Alternativen zu bewerten und dann eine kompetente, individuelle Entscheidung zu treffen.

Dazu ist eine Anzahl von Patienten bei geeigneter Aufklärung in der Lage. Es setzt allerdings voraus, dass der Therapeut sich individuell auf die patienteneigenen Möglichkeiten einstellt und seine Aufklärung entsprechend gestaltet. Es gelingt jedoch nicht bei allen Patienten gleichermaßen, obwohl die patientenseitigen Voraussetzungen dazu vorhanden wären. Für die Leistungsanbieter muss dies ein Ansporn sein, geeignete Instrumente zu entwickeln, die unterstützend dabei wirken, den Patienten die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung zu geben.

Häufig finden wir im Gesundheitswesen jedoch die Situation, dass Patienten Voraussetzungen mitbringen, die die Selbstbestimmungsmöglichkeiten einschränken. Hierunter fallen z. B.

• Kinder,

• bewusstlose, verwirrte, nicht ansprechbare oder desorientierte Patienten,

• psychisch Kranke, Suchtkranke, geistig Behinderte oder

• Patienten im Maßregelvollzug und in geschlossenen Einrichtungen.

Für diese Patienten übernehmen andere Personen oder Institutionen Entscheidungen. Die kundenorientierte Ausrichtung von Dienstleistungen erfordert hier spezielle Überlegungen der Leistungsanbieter.

• Wer ist der Kunde? Sind es neben dem Patienten selbst die Eltern bzw. Angehörige, das Gesundheitsamt oder die Justizbehörde?

• Bei wem können Kundenbedürfnisse eruiert werden? Ist es möglich, bei Selbsthilfegruppen, ehemaligen Betroffenen oder Angehörigen Auskünfte über Kundenbedürfnisse zu erhalten?

• Wie weit können oder müssen bei Entscheidungen Bedürfnisse des Patienten selbst berücksichtigt werden, wie weit die Bedürfnisse Dritter?

Oft genug wird in diesen Fällen eine Entscheidung in Bezug auf Diagnostik oder Therapie stark vom Leistungserbringer selbst geprägt. Wichtig ist es, nach Möglichkeiten zu suchen, die Qualitätsanforderungen an Dienstleistungen generell sorgfältig zu definieren und die Einbeziehung der Kundenperspektive zu ermöglichen. Für Patientengruppen und einzelne Patienten mit eingeschränkten Selbstbestimmungsmöglichkeiten erfordert dies besondere Kreativität, Sorgfalt und Vorbereitung.

Als Weg in die richtige Richtung ist die Verwendung von Patientenverfügungen zu nennen. Der Wille zur Berücksichtigung von Patientenverfügungen als Instrument der Formulierung von Kundenwünschen und -erwartungen nimmt nach einer Untersuchung der Abteilung Medizinische Soziologie der Universität Ulm in Kooperation mit dem Tumorzentrum des Ulmer Universitätsklinikums zu.108 Die Autoren zeigen auf, dass bei der Erarbeitung einer Patientenverfügung mehrere Voraussetzungen eine herausragende Rolle spielen:

1. Der Patient muss über Hintergründe und Folgen eines solchen Dokumentes genau unterrichtet sein. Es muss seinem Wunsch entsprechen, eine solche Verfügung zu verfassen.

2. Der Arzt muss den Patienten gut kennen.

3. Der Erstellung der Patientenverfügung sollten ein, besser mehrere ausführliche Gespräche mit dem Patienten vorausgehen, in denen eine Aufklärung über die Krankheit, deren Konsequenzen und die Handlungsoptionen besprochen werden.

4. Die Gespräche müssen zu einem Zeitpunkt stattfinden, zu dem der Patient die Möglichkeit hat, bei klarem Verstand und nach ausreichender Auseinandersetzung seine Entscheidungen zu treffen und die Verfügungen formulieren zu können.

Dazu ist es notwendig, dass der Arzt selbst sich rechtzeitig mit der Möglichkeit einer Patientenverfügung beschäftigt und die Patienten, die nicht selbst über diese Möglichkeit informiert sind, auf diese aufmerksam macht und ggf. bei der Erarbeitung behilflich ist.

Handbuch Qualitätsmanagement im Krankenhaus

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