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Wiedersehen in Garoua
ОглавлениеOffenbar hatte die Kommunikation zwischen Yaoundé und Garoua keine Probleme bereitet, denn Gerd Baumann wartete bereits auf dem Rollfeld auf mich. Hier im Norden war es wesentlich wärmer, doch ich empfand es wegen der trockenen Luft nicht als unangenehm.
Gerd Baumann kutschierte mich mit seinem älteren, etwas klapprig wirkenden Landrover in den Ort. Wir verließen die Asphaltstraße, die vom Flugplatz in die Stadt führte und hielten vor einem eingeschossigen Gebäude im Kolonialstil. Das Dach, mit etwas 18 Grad Neigung und glitzernden Wellblech, vor nicht langer Zeit neu gedeckt. Im Giebel die typischen Lamellen, die als Auslass für die Stauwärme im Dachraum dienten. Neben dem Haus ein Schuppen, wohl eine Garage und zwei alte, Schatten spendende Bäume. Der Garten, sofern man davon sprechen konnte, mit kurzen, widerstandsfähigen Bodendeckern bepflanzt. „Hier wohnt Gudrun. Sie hat mehr Platz für Gäste und Besucher als ich in meinem kleinen Haus, und sie weiß, dass Du kommst. Wir deponieren deine Sachen hier und fahren dann zu mir ins Büro.“
Dass der Landrover vorgefahren gefahren war, musste wohl jemand gehört haben, denn die Haustür wurde geöffnet und ein dunkelhäutiger Mann, vielleicht Mitte Dreißig, in kurzer, weiser Hose und weißem Hemd empfing uns. „Oh, Monsieur Baumann, bon jour, du bringst unseren Gast?“
Das war Gaston, der Hausboy, den Gudrun eingestellt hatte. Er hütete das Haus, wenn sie nicht da war, kochte, wusch und bügelte, kurz, er war so was wie Zina in Tunis. Der gute Geist des Hause, der alles und jedes sehr diskret erledigte.
Mein Gepäck wurde im angenehm kühlen Flur abgestellt und es ging zurück zur Asphaltstraße. Die Häuser am Straßenrand wurden massiver und schließlich bog der Landrover von der Hauptstraße auf einen mit niedrigen Bäumen bewachsenen Platz ein. Hinter den Bäumen ein flaches, weiß gestrichenes Gebäude mit einem Arkadengang. Am Eingang ein Schild „Geni rural de Garoua“. Gerd meldete sich bei seinen Mitarbeitern und fragte, ob es etwas Neues gebe. Er erhielt einen längeren Bericht, wohl über eine Baustelle und zeigte mir danach das für mich reservierte Büro, führte mich durch die Behörde und erklärte ihre Aufgaben. Von hier waren alle öffentlichen Gebäude zu verwalten und die erforderlichen Baumaßnahmen, von der Planung bis hin zum Unterhaltungsanstrich durchzuführen.
Auch hier galten Arbeitszeiten wie in Yaoundé. Mittags anderthalb Stunden Siesta. Es war zwar noch kein Feierabend, wir verließen aber trotzdem das Büro und fuhren zu Gudruns Kolonialvilla zurück.
Im Krankenhaus wurde im Schichtdienst gearbeitet und so war Gudrun schon von der Arbeit zurück. Sie begrüßte uns und führte uns in ein großes, kühles Wohnzimmer. Sie rief etwas, in einer mir fremden Sprache, in die Küche und einen Augenblick später erschien Gaston mit einer Karaffe Apfelsinensaft, Wasser und Gläsern, stellte alles auf dem großen, flachen Holztisch ab und verschwand wieder in der Küche, nachdem er nach der Personenzahl für das Abendessen gefragt hatte. Gerd hatte an diesem Abend noch etwas vor. Was, das wollte er nicht verraten. Gudrun grinste ihn an und er wurde leicht verlegen. Abendessen also für zwei Personen.
Gudruns Haus war auch so etwas wie ein Gästehaus. Neben dem Wohnzimmer gab es noch zwei weitere große Zimmer. Eines davon sei für mich. Auf ihren Einkaufsfahrten kämen Ilse und Ingrid auch hierher. Der nächste reguläre Termin der beiden sei in einer Woche, man wisse aber nie genau wann die beiden kommen. Falls irgendetwas im Krankenhaus fehlt, kämen sie auch früher, erfuhr ich.
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Für den nächsten Morgen fuhr ich mit Gerd zum Büro. Dabei erfuhr ich einiges über meine neue Aufgabe. Es gehe im Tschad nicht so recht voran. Die Fundamente seien bei seinem letzten Besuch noch nicht fertig gewesen und die Lehmziegel noch nicht trocken genug. Die Bauweise der Häuser in dem Projekt sei an die regionale Bauart angepasst, Rundhäuser aus Lehmziegeln mit Grasdeckung. Bei dem Wort Grasdeckung muss ich wohl etwas ungläubig aus der Wäsche gesehen haben, denn Gerd erklärte: „Die Grasdeckung musst du dir ungefähr so vorstellen wie die Reedeindeckung in Norddeutschland. Das Ganze nur als Kegel.“
„Aber warum Lehmziegel?“ wollte ich wissen.
„Mmh, das wirst Du merken, wenn Du zur Siesta bei mir warst.“
Gerds Haus war rechteckig, außen verputzt und weiß gestrichen. Nicht sehr groß, gerade mal zwei kleine Räume, eine Duschemit WC und auch Stromanschluss als Komfort. Es erinnerte mich an eine etwas zu große Gartenlaube. Das kleine Grundstück grenzte auf der einen Seite an das Nachbarhaus und war ansonsten von einer hohen, weiß gestrichen Mauer umschlossen. In der äußersten Ecke kämpfte ein junger Baum ums überleben. Wir traten ein und es strömte uns eine unerträgliche Hitze entgegen. Gerds erster Gang war zu dem kleinen Fenster unter dem eine Klimaanlage angebracht war. Er schaltete das Gerät ein. Es begann leise zu surren und die Anlage kämpfte gegen die Hitze an, doch die Temperatur ging nur unmerklich zurück. Im Gegensatz zu der alten Kolonialvilla war das hier der reinste Brutkasten.
„Ohne Klimagerät kaum zu ertragen. 15 cm Hohlkammersteine aus Zementmörtel als Außenwände. Dach aus Wellblech und die Decke eine Konstruktion aus Hartfaserplatten und Latten. Das ist im Grunde schon die ganze Baubeschreibung“ erklärte Gerd.
„Und warum baut man so?“ wollte ich wissen.
„Es gilt eben als modern und fortschrittlich in einem solchen Haus zu wohnen.“
Eine ähnliche Einstellung kannte ich doch irgendwoher. Meine Mutter war in einem alten Heuerhaus groß geworden und wollte mit alten Sachen, auch wenn sie gut und haltbar waren, nichts mehr zu tun haben.
Die Temperatur in dem kleinen Raum sank nur unmerklich. Ich lag schwitzend auf dem schmalen Gästebett und döste vor mich hin. Ich war froh, nach der Siesta wieder im kühleren Büro zu sein.
Mir war nicht ganz klar, was ich in diesem Büro überhaupt sollte und fragte Gerd, ob es nicht möglich sei den Besuch auf meiner Baustelle vorzuziehen. Noch eine Woche wollte ich mich nicht langweilen, denn Pläne durchsehen und in Zeichnungen kleine Verbesserungen vornehmen zu lassen, füllten mich nicht aus und hatten wohl auch nichts mit meiner neuen Aufgabe zu tun. Ich sollte ja schließlich keine Bauverwaltung aufbauen, obwohl meine spätere Tätigkeit im Tschad dem sehr nahe kommen sollte.
Im Büro gab es eine Telefonverbindung nach Yaoundé. Gerd hatte schließlich ein Einsehen, rief im Regionalbüro an und fragte, ob wir auch früher in den Tschad fahren könnten. Auf die Antwort des Regionaldirektors mussten wir jedoch warten. Am Morgen des nächsten Tages kam der Rückruf aus Yaoundé. Wir konnten einen Termin in der nächsten Woche frei wählen, je nach Gerds Arbeitseinteilung. Ich war erleichtert. Der Termin wurde auf den nächsten Dienstag festgelegt. Heute war schon Freitag. Nur noch das Wochenende und einen Tag. Das war d’acore.
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Die Siesta wollte ich nicht noch einmal in Gerds Brutkasten verbringen. Ich traute mir zu, den Weg zur Villa zu finden und ging allein herüber. Als ich von der Straßenecke das Haus sehen konnte, stand unter dem weit ausladenden, alten Mangobaum neben der Villa ein beschfarbener VW-Buss mit rotem Kreuz und Blaulicht. Ich wusste, dass Gudrun eigentlich noch nicht zurück sein konnte. Hatte eine Kollegin sie gebracht? Als ich in den kühlen Flur eintrat, kam mir Gaston entgegen und berichtete, dass Mademoiselle Ilse und Dr. Ingrid mit ihrer Ambulanz eingetroffen waren.
Meine Freude, die beiden wieder zu sehen, wurde von Gaston sofort getrübt. Er eröffnete mir, dass sich die beiden bereits auf „Einkaufstour“ im Krankenhaus befinden und erst am Nachmittag zurück sein werden. Gaston bereitete mir einen Salat und verschwand wieder in den Räumen und traf irgendwelche Vorbereitungen.
Nachdem ich meinen Salat gegessen und noch einen Zitronengrastee, das Gras wuchs übrigens direkt hinter dem Haus, getrunken hatte, schlenderte ich wieder zum Büro zurück. Gerd hatte auch schon gehört, dass die Ambulanz aus Kali angekommen war und meinte: „Mach heute Nachmittag ruhig frei. Wir treffen uns sicher irgendwann am Wochenende. Sonst sehen wir uns Montag morgen.“
Ich verabschiedete mich von seinen Mitarbeitern und ging zur Villa zurück. Irgendwie schien der gute Geist des Hauses einen siebten Sinn für Ankömmlinge zu haben, denn er öffnete mir die Tür. Mich erwartete nicht nur Gaston, auch die beiden Mademoiselle’s standen erwartungsvoll im Flur. Ilse freute sich riesig und umarmte mich, als sei ich von einer langen Reise zurück gekehrt. Die Begrüßung von Dr. Ingrid fiel nicht ganz so stürmisch aus, offensichtlich freute sie sich aber auch über das Wiedersehen mit dem ‘Sorgenkind’ von Berlin.
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Die Zeit verging schnell, es gab ja eine Menge zu erzählen. Gudruns Roller knatterte auf den Hof. Sie stieg ab und stellte das Gefährt in dem Schuppen. Sie war spät dran, denn sie hatte sich nach Dienstschluss noch mit einer Kollegin auf einen Kaffee verabredet. Als sie den Wohnraum betrat, saßen wir drei an dem großen Tisch und beratschlagten, was wir am Abend unternehmen sollten. Zunächst stand aber die Frage nach den Schlafgelegenheiten an.
Nun erfuhr ich, warum Gaston am Mittag so geschäftig in den Zimmern hantierte. Gudrun hatte ihn angewiesen, das Besucherzimmer für drei Personen herzurichten. Wir Gäste mussten uns Zimmer und Doppelbett teilen. In den letzten Monaten hatte ich mich an so viel ungewöhnliche Übernachtungen gewöhnt, dass es mich nicht störte, wenn die beiden ‘Damen’ auch zustimmten. Sie waren mit der Lösung einverstanden, denn hier fühlte man sich wohl und gut versorgt.
Für den Abend verabredeten wir uns im Restaurant „Belle Amies“. Es lag etwas außerhalb der Stadt auf dem Weg zum Flugplatz. Nicht ganz so weit draußen wie das Hotel Benue. Das Hotel war mir aufgefallen, weil es mit seinen drei Stockwerken weithin sichtbar war und mir die Lage so weit außerhalb der Stadt ungewöhnlich erschien. An ein Restaurant ‘Belle Amies’ konnte ich mich nicht erinnern.
Dr. Ingrid hatte am Nachmittag noch einen Termin mit einem Arzt des Krankenhauses, um mit ihm einen Fall in ihrer Klinik zu besprechen. Gudrun wollte noch einige Sachen für das Wochenende einkaufen. Ilse und ich blieben den Nachmittag allein. Sie schlug vor, runter zum Hafen zu gehen. Dort gebe es ein Restaurant, in dem man das beste selbstgemachte italienische Eis in ganz Garoua bekommen könnte. Was ich noch nicht wusste, es gab nur hier selbstgemachtes Eis und ob es italienisch war, stand auch in den Sternen.
Dort hatte man einen weiten Blick in die Ebene des Benue, einem Fluss, der vom Niger her bis zur Brücke von Garoua auch für größere Schiffe befahrbar war, zumindest in der Regenzeit. Der Beton der Brücke setzte sich weislich schimmernd vom satten Grün der Ebene ab. Beim Eis erzählten wir, wie es uns in der Zwischenzeit ergangen war. Ilse machte dabei ihrem Unmut über die Franzosen Luft, denn offenbar verkauften die nur Ladenhüter. Und das einzige was die von ihr wollten, wäre mit ihr schlafen. Als sie eine Einladung zum Essen abgelehnt habe, hätte der Mann gesagt, die Deutschen bleiben ja lieber und sich. „Ich hatte danach das Gefühl, man müsse sich mehr vor den Franzosen in acht nehmen, als vor den Afrikanern.“ kommentierte sie diese Begegnung.
Das Eis hatten wir genossen und nun schlug Ilse vor, auf dem Markt noch ein paar Mangos zu kaufen. Ich kannte die bunten, quirligen Märkte in Tunesien. Dies hier war etwas ganz anderes, noch bunter, greller. Ilse prüfte die Qualität der Früchte bei verschiedenen Händlern und kaufte schließlich bei einer Marktfrau, die ihr Kind bereits auf dem Rücken trug und eigentlich schon einpacken wollte. Ilse kramte eine Tüte aus ihrer Hosentasche. Sie hatte immer eine Tüte dabei, man kann ja nie wissen was kommt, verstaute die Mangos und wir gingen zum Haus zurück.
In der Villa stand Gaston in der Küche am Bügelbrett und schwenkte weit ausladend, das Bügeleisen in der Hand, den rechten Arm. Die Holzkohle im Bügeleisen musste noch richtig durch glühen.
„Mit dem elektrischen Bügeleisen arbeitet er nicht gerne, zu viel Magie.“ erklärte Ilse die ungewöhnlichen Bewegungen. „Wir bügeln hier die gesamte Wäsche. Dann sind wir sicher, dass sich keine Parasiten mehr versteckt haben.“ quittierte sie meinen fragenden Blick, stellte die Tüte mit den Mangos auf den Tisch und redete irgendwas auf Fulfulde mit Gaston. Ich verstand kein Wort. Die paar Brocken arabisch, die ich in Tunesien gelernt hatte, halfen hier nicht weiter, außerdem waren sehr viele Schimpfwörter dabei. Ilses Sprachkenntnisse hatte ich bereits auf dem Markt bewundert, als sie mit den Händlern in einer Sprache der Einheimischen über Preise verhandelte.
Sie ließ Gaston seine Arbeit machen, ging in die Küche, wusch die Mango, schnitt sie geschickt auf und legte die Stücke auf einen Teller. Wir setzten uns im Wohnzimmer auf die alte Couch. Es war schön, wieder mit Ilse reden zu können.
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Gudrun betrat das Wohnzimmer, ihre Haare in ein Handtuch gewickelt, ein Badetuch um ihren Körper geschlungen und unter den Achseln fest steckt. „Wenn ihr noch duschen wollt? Das Bad ist jetzt frei. Handtücher hat Gaston hingelegt.“ Im gehen ergänzte sie noch: „Wir sollten bald losfahren sonst sind gleich die besten Plätze besetzt. Ingrid wird übrigens später im Belle Amie abgesetzt.“
Ilse ging als nächste ins Bad und ich nutzte die Gelegenheit mit Gaston einige Worte zu wechseln. Er hatte schon bei Gudruns Vorgängerin gearbeitet und war sehr zufrieden mit seinem Job.
Fertig umgezogen stand Ilse in der Tür. In Rock und Bluse machte sie eine ebenso gute Figur wie in der Jeans, die sie auf dem Markt trug. Ich duschte, zog ein frisches Hemd und eine saubere Hose an, dann setzte Ilse sich hinters Steuer und wir stürzten uns in das Nachtleben von Garoua.
Kurz nach den letzten Hütten der Stadt blitzten bunte Lichter zwischen einigen lichten Bäumen auf. Beim Einlenken auf den Parklatz wurde mir klar, warum ich das Restaurant nicht entdeckt hatte. Es lag abseits der Straße hinter Büschen und Grasmatten versteckt. Bei Tag musste das Gebäude mit dem flach geneigten, mit Wellblech gedecktem Satteldach wie ein Lagerschuppen wirken. Nur durch die abendlichen Beleuchtung fiel es auf. Ilse parkte die Ambulanz neben einem Peugeot 404, dem Dienstwagen des Chefarztes des Krankenhauses. Dr. Ingrid war demnach da.
Durch ein breites, von bunten Lichtern eingerahmtes Tor im Zaun aus anderthalb Meter hohen, kunstvoll geflochtenen Grasmatten betraten wir eine Art Biergarten. Pergolen gliederten den Hof in kleine Nischen mit massiven Tischen und Klappstühlen aus Omas Zeiten. Teelichter in bunten Marmeladengläser standen auf den Tischen.
„Gehen wir rein oder bleiben wir draußen?“, fragte Gudrun.
Ilse sah in den funkelnden Sternenhimmel und entschied: „Heute wird es nicht regnen, wir sollten draußen bleiben.“
Wir setzten uns in eine freie Nische. Ein junger Afrikaner in weißem Hemd und schwarzer Leinenhose brachte die Karten, stellte eine Karaffe Wasser auf den Tisch und die passende Anzahl Gläser dazu. Dann brachte er einen Teller mit gerösteten Weißbrotstückchen und fragte nach den Getränken. Eine Karaffe vom offenen Rotwein war unsere Wahl. Die Speisekarte, an die hiesigen Gegebenheiten angepasst, war reichhaltig. Nach angemessener Zeit kam der Kellner zurück und fragte nach der Bestellung. Wir hatten die Bestellung gerade aufgegeben, da erschien Ingrid, ihr Glas in der Hand und setzte zu uns.
„Na, schlauer geworden?“ Diese Frage konnte nur von Ilse kommen. Sie hatte sich ihre eigene Meinung über den Fall gebildet und war zu der Ansicht gekommen, dass da jemand simuliert und das sehr gut.
„Wir sollen vorschlagen, dass er für ein paar Tage nach Garoua in die Klinik geht. Dort hätte man bessere Möglichkeiten der Diagnose. Es sollte“
„Halt stopp, hier wird nicht gefachsimpelt, sonst erzähl ich euch gleich von meinen niedlichen kleinen Keimen und was sie alles so anrichten können.“ unterbrach Gudrun und führte das Gespräch wieder in allgemeinere Richtungen.
Die Vorspeise wurde aufgetragen und erstaunlicherweise auch ein Gedeck für Ingrid. Sie hatte vorsorglich an dem andern Tisch bestellt.
Wir waren bei der Nachspeise angekommen, als ich ein spezielles Motorgeräusch vernahm. War das nicht der Landy von Gerd? Richtig, Gerd kam in weiblicher Begleitung durch das große Zauntor. Er grüßte uns freundlich und obwohl jedem die Antwort klar war, wurde er höflich gefragt, ob er sich zu uns setzen wolle.
„Nein, danke für die Einladung.“
Gerd hatte wieder einmal für Gesprächsstoff in der kleinen, weißen Gemeinde gesorgt. Es war bekannt, dass er gerne in unterschiedlicher weiblicher Begleitung unterwegs war. Nur diesmal war etwas anders. Es war eine unbekannte weiße Frau. Wer ist diese Frau? Offenbar keine Deutsche, denn die beiden unterhielten sich französisch. Der Klatsch für die nächste Woche war gesichert.
Wasser und der Wein drückten und mich drängte es zur Toilette. Der Weg dorthin führte durch den Gastraum. An der Theke saßen nur zwei Männer und unterhielten sich mit der afrikanischen Bedienung. Die Tür zur Küche stand offen und gab den Blick in den Raum frei. In der Mitte stand ein großer, alter Gasherd und an den Längswänden befand sich auf der einen Seite die Zubereitung und auf der anderen die Abwaschabteilung. An jeder Stelle wurde gearbeitet. Mittendrin ein Weißer der die Kommandos gab. Die nächste offene Tür gestatte mir einen Blick auf einen Innenhof. Hier saß eine bunt gekleidete Afrikanerin mittleren Alters vor einem offenen Feuer über dem aus einem zerbeulten Eimer Wasserdampf aufstieg. Sie war damit beschäftigt, der nächsten Hähnchenbestellung die Federn auszurupfen.
Die Toilette war nicht sehr luxuriös, aber alles sehr sauber. Die Wände mit einem Sockel aus grüner Ölfarbe gestrichen, darüber ein schmuddeliges Gelb. Als ich zurück ging, sah ich den etwa 45-jährigen Mann aus der Küche und die Bedienung von Tisch zu Tisch gehen und sich kurz mit den Gästen unterhaltend. Ich setzte mich und fast gleichzeitig erreichten der Mann und die Frau unseren Tisch.
„Alles zu ihrer Zufriedenheit“ fragte der Mann in die Runde.
„Wie immer.“ antwortete Gudrun.
„Ich sehe, Sie haben einen Gast. Ich hoffe es gefällt ihm in Garoua. Werden Sie länger bleiben?“
„Nein, er reist in den nächsten Tagen weiter in den Tschad.“
„Oh, das Land ist schwierig. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Monsieur.“ Ich hatte an diesem Abend fast vergessen, dass ich in drei Tagen von hier Abschied nehmen musste.
Mir war nicht klar warum, aber der weiße Mann und die dunkelbraune Frau weckten mein Interesse und ich erkundigte mich nach ihnen.
„Er ist, als die Straße zum Flugplatz und die neue Brücke gebaut wurden, mit der Baufirma als Koch hergekommen. Dieses Gebäude ist die alte Kantine, die er nach Abschluss der Bauarbeiten weitergeführt hat. Er ist Italiener und hat seit seinem 25. Lebensjahr für Baufirmen im Ausland gearbeitet. Sich in Italien wieder einzuleben, ist ihm wohl schwergefallen, dass ewige herumziehen mit den Baustellen auch. Hier hat er seine Frau kennen gelernt und dann beschlossen, mit dem Herumziehen aufzuhören. Er ist jetzt fünf Jahre hier. Es ist kein Superrestaurant aber er führt das Lokal sehr gut und es ist gemütlich. Viele Weiße kommen hier her. Für die meisten, auch gut verdienenden Afrikaner, ist er noch viel zu teuer. Na ja, wir können uns das auch nicht jeden Tag leisten.“, schloss Ilse das Thema ab.
Die Aufmerksamkeit der Gruppe richtete sich nun auf einen jungen Mann der ohne Begleitung das Gartenlokal betrat.
„Hallo Bernd“ rief Ingrid
„Oh, bon jour, die Damen und der Herr.“
„Komm setze dich zu uns, oder hast Du noch ne Verabredung.“
„Ne, wenn ich darf gerne.“
Bernd war ein wichtiger Mann für alle in Garoua die ein Auto besaßen. Er leitete unter anderem die Kfz-Werkstatt der Telefongesellschaft, die gerade die letzten Funkmasten und -anlagen bis Garoua erstellte. Seine Jungs waren auch schon mal bereit, nach Feierabend einen Motor oder ein Getriebe wieder flott zu machen. Welche Fahrzeugmarke war egal, Hauptsache es gab Ersatzteile, gebraucht oder neu.
Bernd kam viel in der Gegend herum und war so natürlich immer über alles informiert. Er war auch behilflich, wenn es um Transporte ging, die man nicht selber durchführen konnte. Sein Aktionsradius war allerdings durch den Baubezirk begrenzt, doch es fand sich immer ein Weg weiter.
Der Abend ging weit nach Mitternacht zu Ende. Nur gut dass man am nächsten Morgen ausschlafen konnte.
Am restlichen Wochenende erkundete ich mit Ilse den Ort. Dazu nutzten wir Gudruns Roller. Ilse lenkte das knatternde Gefährt. Ich saß auf dem Soziussitz. Wo gab es Baumaterial und Werkzeug, wo Lebensmittel in der kleinen Stadt, ihre Einwohnerzahl wurde auf 20.000 geschätzt, davon etwa 200 Weiße aus den verschiedensten Ländern.
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Am Montag morgen traf ich mich mit Gerd im Büro. Wir ergänzten die Liste der Sachen, die wir mit in den Tschad nehmen wollten und kauften fehlende Dinge ein. Einige Werkzeuge, z. B. die Wasserwaage hatte man extra bestellen müssen. Der Landrover wurde bepackt und zum Schluss kamen noch ein zweites Reserverad, Montiereisen und Flickzeug für die Schläuche der Reifen auf die Ladefläche. Mir kam diese Vorsorge reichlich übertrieben vor.
Ilse und Dr. Ingrid hatten ebenfalls ihre letzten Einkäufe erledigt. Sie holten im Krankenhaus noch zwei entlassene Patienten samt deren Utensilien ab und traten die Heimfahrt an, nicht ohne mich noch einmal an mein Versprechen zu erinnern, sie in Kali zu besuchen.
Gespannt erwartete ich den nächsten Tag.