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Ein Flug mit Hindernissen
ОглавлениеDie Al Italia Maschine landete auf dem Flughafen von Rom. Mein Weiterflug war für den nächsten Tag vorgesehen. Gelassen suchte ich den Schalter der Al Italia auf und legte mein Flugticket auf den Counter, um die Einscheckprozedur am nächsten Tag abzukürzen und das Hotel, in dem ich auf dem Ticket übernachten konnte, zu erfragen. Die freundliche Stewardess hinter dem Schalter forderte meinen Pass. Sie blätterte seelenruhig den Pass Seite für Seite durch und fragte dann nach meinem Visum für Kamerun, da der Weiterflug in den Tschad noch nicht datiert sei. Ich hatte keines und die Erklärung, ein Mitarbeiter des DED in Douala sei mit dem Visum vor Ort, war nicht hilfreich. Vom DED hatte die Dame noch nie etwas gehört. Sie lehnte es ab, mich ohne Visum mit fliegen zulassen. Ich wurde langsam ärgerlich. Ich holte meinen Dienstausweis hervor, in dem in drei Sprachen bestätigt wurde, dass ich Mitarbeiter des Deutschen Entwicklungsdienstes war und im Auftrag der Bundesregierung arbeitete. Er half mir auch nicht weiter. Die verbindlich lächelnde Dame führte schließlich ein Telefonat, offenbar mit dem Zentralbüro der Al Italia. Es stand fest: Das Risiko, mich auf Kosten der Gesellschaft wieder mit zurück nehmen zu müssen, war zu groß. Immerhin konnte ich das Hotel für eine Nacht nutzen. Für alles Andere sollte ich mich mit dem Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Verbindung setzen. Das Word Merde rutschte mir während des Gespräches nicht nur einmal heraus.
Da ich keinen Aufenthalt in Rom vorgesehen hatte, befand sich in meiner Geldbörse natürlich auch keine einzige Lire. Das ein Telefongespräch mit dem Deutschen Konsulat auf Kosten der Al Italia doch noch möglich war, hatte ich wohl meiner Hartnäckigkeit zu verdanken. Die Dame war wohl froh, den ärgerlichen und mittlerweile nicht mehr sehr freundlichen Passagier los zu werden. Eine freundliche Herrenstimme vertröstete mich nach einigen Vermittlungsversuchen auf den nächsten Tag 10:00 Uhr. Ich sollte ein Taxi nehmen und den Fahrer bitten, zur Bezahlung mit herein zu kommen.
Die freundliche, allerdings auch hartnäckige Dame der Al Italia bestellte mir ein Taxi für den Transfer zum Hotel. Ich nahm mein Handgepäck, Reisetasche und Teleobjektiv und verließ die Flughafenhalle Richtung Taxistand. Mein Koffer würde die Reise in den Tschad allein angetreten. Dieser Tag war gründlich daneben gegangen. Was wartete morgen auf mich? Was konnte ich tun? Nichts.
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Nach einer unruhig verbrachten Nacht traf ich kurz vor zehn im Konsulat ein. Der Taxifahrer erhielt sein Geld und ich wurde, nachdem ich Pass und Dienstausweis vorgelegt hatte, in einen Warteraum gebeten. Hier saßen schon andere gestrandete Deutsche, eine junge Frau, ein Baby auf dem Arm, ein älterer Herr, vielleicht bestohlen, ein junges Pärchen, vielleicht ohne Geld für die Heimreise. Dies war ein Warteraum für die verschiedensten Schicksale, aber keines war wohl so ungewöhnlich wie meines. Mittellos im Auftrag des eigenen Landes unterwegs.
Nach einigen Minuten trat der Herr mit der freundlichen Telefonstimme ein, und ich wurde in eines der Büros geführt. Hier musste ich die Geschichte der Versetzung von Tunesien in den Tschad über Kamerun noch einmal erzählen. Immerhin verhalf mir mein Dienstausweis zur Glaubwürdigkeit.
Dann verließ die freundliche Stimme den Raum. Als der Beamte, wie mir schien, nach einer Ewigkeit, wieder eintrat, sagte er, dass man die Angelegenheit regeln werde. Das könne jedoch dauern. Ich solle am Nachmittag gegen 16:00 wieder kommen, dann wisse man vielleicht weiter. Ich hatte mich damit abgefunden, in einer Bank von meinem Konto in Deutschland Geld abzuheben, griff nach meinem Handgepäck und wollte gehen. Doch der Beamte rief mich zurück. Mein Handgepäck brauche ich nicht mitzunehmen, dass könne man im Konsulat deponieren und ein paar tausend Lire brauche ich ja auch, damit ich mir etwas zu essen kaufen könne. Ich sollte doch bitte zur Kasse mitkommen. Es ging in ein weiteres Büro, wo man mir Lire auszahlte und mein Gepäck in einem Schrank verstaute. Dann stand ich in Rom auf der Straße.
Ich suchte ein Restaurant in der Nähe, aß eine Pasta, bestellte noch einen Kaffee und stand dann wieder auf der Straße. Wohin sollte ich mich wenden. Es waren noch etwa anderthalb Stunden bis 16:00 Uhr. Die linke Seite erschien mir vielversprechend, warum konnte ich nicht sagen. Vielleicht lag es an dem Bücherladen, den ich entdeckt hatte. Da ich Rom heute wohl nicht mehr verlassen konnte, entschloss ich mich, in der Bücherei einen Stadtplan zu kaufen. Ich wollte wissen, wo ich war und was man mit dem angefangenen Abend noch anstellen konnte, außer auf dem Hotelzimmer zu hocken, sich zu langweilen oder darüber zu grübeln, wie es wohl weiter geht.
Mit dem Stadtplan setzte ich mich im nächsten Restaurant an einen freien Tisch, bestellte einen Kaffee und breitete den Stadtplan aus. Das Konsulat der Bundesrepublik Deutschland fand ich schnell. Immer wieder schaute ich auf die Uhr. Die Zeit schien still zu stehen. Seit dem letzten Hinsehen hatte sich der große Zeiger gerade mal ein paar Minuten bewegt. Ich bezahlte den Kaffee und stand auf. Anhand des Stadtplans wollte ich über kleine Umwege zum Konsulat zurück gehen.
Als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, war es höchste Zeit, auf dem kürzesten Weg zum Konsulat zurück zu kehren. Ich hatte mich in die alten Mauern der Häuser verguckt und so manche alte Haustür bewundert.
Kurz nach sechzehn stand ich wieder vor dem Empfangstresen des Konsulates und wurde angemeldet. Der Herr mit der freundlichen Telefonstimme holte mich am Empfang ab. Wie mir Rom gefiele und was ich in Tunesien gemacht habe, wollte er wissen, während wir die Treppe zu einem weiteren Büro empor stiegen. Es fehlte nur noch die Frage: „Warum sind Sie Entwicklungshelfer geworden.“
Als wir in seinem Büro saßen, die freundliche Stimme hinter einem voluminösen Schreibtisch und ich davor, kam diese Frage. Ich zögerte mit der Antwort. Mir war selbst nicht ganz klar, warum ich zum DED gegangen war, jedenfalls konnte ich es nicht richtig erklären. Meine Freunde hatten fast alle ihre 18 Monate BW schon hinter sich. Geschwärmt hatte keiner davon. Dass ich keinen Wehrdienst machen wollte, allein war es wohl nicht. Die Gewissensprüfung als Kriegsdienstverweigerer hätte ich bestimmt nicht bestanden. Als kleiner Junge, ich weiß nicht mehr wie alt ich war, hatte mein Vater mich zu einer großen Veranstaltung der katholischen Mission mit genommen, hier war immer von der grünen Hölle die Rede. Es gab Palmen und man hatte eine Hütte im Urwald nachgebaut. Komisch, das mir das jetzt wieder einfiel, als ich auf dem Weg in eine anders gefärbte Hölle war. „Herr Winter, ist ihnen nicht gut?“
„Nein, nein. Ich habe mich nur an etwas erinnert. Wissen Sie, ihre Frage kann ich gar nicht richtig beantworten. Wie geht’s denn jetzt weiter?
„Herr Winter, wir haben mit Godesberg telefoniert, der DED übernimmt alle Kosten und ist bemüht für sie eine Fluggesellschaft zu finden, die Sie ohne Visum nach Kamerun bringt. Heute ist das nicht mehr möglich und ich soll Sie bis zur Klärung in einem Hotel unterbringen. Das Konsulat übernimmt alle Kosten hier vor Ort und rechnet dann mit dem DED ab.“ Die Erleichterung war mir offenbar ins Gesicht geschrieben, denn es kam sofort die Ergänzung: „Normaler Weise holen wir uns das Geld von den Betroffenen in Deutschland zurück. Das kann eine ordentlich dicke Rechnung werden.“ Es folgte eine Pause, als warte der Beamte auf irgendeine Reaktion. „Ich habe für Sie zunächst für eine Nacht in einem Hotel in der Nähe ein Zimmer mit Frühstück gebucht. Morgen Mittag wollen wir dann mal sehen, was die in Godesberg erreicht haben. Ich schlage vor, Sie genießen Ihren Aufenthalt in Rom und wir sehen uns morgen um Vierzehnuhr wieder.“ Er stand auf: „Ich begleite Sie noch hinaus.“
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In der stickigen Empfangshalle des Flugplatzes von Douala stand an diesem Abend jemand mit einem Visum in der Tasche für einen Herrn Winter. Dass der nicht kommen würde hatte niemand mitgeteilt. Alle Passagiere der Al Italia, die gerade gelandet war, waren bereits abgefertigt und die Halle fast Menschen leer. Nur der Schalter der Al Italia war besetzt, denn für heute war es der letzte Flug.
Der junge Weise ging auf die attraktive Kamerunerin in der Uniform der Al Italia hinter dem Counter zu und fragte nach einem Passagier Winter. Nein der stehe nicht auf der Passagierliste. Verärgert verließ der junge Mann die Halle, stieg in seinen Deux Cheveu Kastenwagen und fuhr heim.
Irgendwie klappte es mit der Kommunikation nicht und die Situation sollte sich an den nächsten Tagen wiederholen.
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Den Abend verbrachte ich sehr gelassen. Das Hotel war nicht mehr ganz so komfortabel wie am Vortag. Ich gab den Zimmerschlüssel an der Rezeption ab und bummelte mit dem Stadtplan in der Tasche durch das Zentrum des abendlichen Rom. Wenn ich schon einmal in Rom einen Zwangsaufenthalt einlegen musste und der nächste Vormittag zur freien Verfügung stand, dann musste ich natürlich noch den Petersplatz sehen. Das Programm bis morgen Mittag stand fest. Jetzt genoss ich noch die hell erleuchteten Straßen von Rom und suchte mir ein Lokal für das Abendessen.
Die Sightseeingtour am nächsten Morgen ging zu Ende. Der Termin im Konsulat rückte näher. Meine Anspannung, wuchs mit jedem Schritt in Richtung Konsulat.
Dort angekommen wurde ich in das Büro vom Vortag geführt. Die freundliche Telefonstimme trat ein, begrüßte mich mit Handschlag, setzte sich hinter den Schreibtisch und blätterte wichtig in einigen Akten.
„Also Herr Winter, Godesberg hat uns per Fernschreiben mitgeteilt, dass man bei der Air France für Sie gebucht hat. Das Ticket liegt für Sie zum Abholen im Air France Büro hier in Rom bereit. Das ist nicht weit von hier. Da können Sie gleich zu Fuß hingehen. Die Flugroute ist allerdings etwas ungewöhnlich. Es geht von hier nach Zürich, von dort nach Paris Orly mit Bustransfer nach Paris Le bourge und von dort aber direkt nach Douala. Sie werden von einem Mitarbeiter ihres Dienstes empfangen, der Sie in Douala mit dem gültigen Einreisevisum versorgt. Ach so, Ihr Flug geht neunuhrdreißig ab Rom. Sie haben also noch eine Nacht hier. Ich würde empfehlen, dass Sie das Flugticket direkt abholen. Falls es wieder erwarten noch einmal Probleme gibt, kommen Sie wieder zu mir. Ansonsten wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Erfolg bei ihrer Arbeit.“
Nein, es gab keine Probleme, jedenfalls nicht mehr heute. Im Hotel bestellte für den nächsten Tag ein Taxi und lies mich gemäß der Empfehlung des Empfangs wecken.
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Das Telefon klingelte. Sieben Uhr, Zeit zum Aufstehen. Ich duschte und hätte gern meine Unterwäsche gewechselt, doch die war in meinem Koffer, der die Reise nach Douala allein fortgesetzt hatte. Ich frühstückte, sortierte noch einmal meine Flugunterlagen während ich auf das Taxi wartete.
Der Morgen war kühl und ich war froh, in Tunis eine Jacke ins Handgepäck genommen zu haben. Die Fahrt zum Flughafen verlief ohne längeren Aufenthalt. Nachdem ich das Taxi bezahlt hatte, blieben mir noch eine Lire. Ich behielt sie als Reserve für einen weiteren Zwischenfall. Umtauschen war ja an jedem Flughafen möglich.
„Die Passagiere des Flug Nr. 7953 der Al Italia über Zürich nach Paris werden zum Terminal fünf gebeten.“ verkündete eine sonore Frauenstimme aus den Hallenlautsprechern. Ich reihte mich in die Schlange der Passagiere ein. Mein Teleobjektiv fiel auch diesmal wieder auf. In der nur halb besetzten Maschine suchte ich einen Platz am Fenster. Wenn sich das Wetter nicht änderte, hatte ich gute Chancen., beim überfliegen der Alpen einige Fotos zu machen.
Es gab tatsächlich nur wenige Wolken die den Blick versperrten und es gelangen mir einige Aufnahmen. Als die Maschine in Zürich ihre Parkposition erreicht hatte, standen einige Passagiere auf und gingen langsam Richtung Tür. Aus dem Fenster sah ich, wie das Fahrzeug mit dem Treppenaufbau auf das Flugzeug zufuhr. Die Stewardess wartete neben der Tür. Irgendetwas hatte der Fahrer falsch eingeschätzt. Kurz vor der Maschine begann er zu rangieren. Dann berührte die Treppe den Flügel und das Fahrzeug stoppte.
„Die Passagiere mit Ziel Zürich werden gebeten, sich wieder auf ihre Plätze zu begeben. Leider hat es einen Zwischenfall mit der Treppe gegeben. Wir werden Sie informieren, wenn die Treppe angedockt hat. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“ Alle Passagiere begaben sich auf die Seite des Ausgangs, um zu sehen, was da passiert war. Die Treppe stand am Flügel und aus den verschiedensten Richtungen fuhren Autos mit gelben Blinklichtern auf dem Dach auf unserer Maschine zu.
Nach einer Ewigkeit rollte die Treppe an den Ausstieg. Die Tür öffnete sich und es kam die freundliche, für mich nicht beruhigende Durchsage: „Die Passagiere mit Ziel Paris werden gebeten, auf Ihren Plätzen zu bleiben. Der Schaden wird noch untersucht und wir werden Sie danach darüber informieren, ob der Flug fortgesetzt werden kann.“
„Auf dieser Reise geht offenbar alles schief. In Douala wird auch heute wieder jemand vergebens auf mich warten.“ schoss es mir durch den Kopf und langsam setzte sich bei mir Pessimismus durch. „Wenn hier jetzt wieder eine Unterbrechung kommt, fahre ich nach Hause. Dann war’s das mit dem Entwicklungsdienst. Es sind ja nur ein paar hundert Kilometer.“ Wenn ich hier gewusst hätte, was ich in den nächsten Jahre alles erleben sollte, ich glaube, ich hätte meinen Dienst beendet.
Noch war es möglich die Air France nach Douala zu erreichen. Doch die Zeit verstrich unerbittlich. Seit der Landung waren nun schon mehr als zwei Stunden vergangen und wir saßen immer noch in der Maschine.
„Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Schaden wurde soweit erforderlich repariert und wir können den Flug nach Paris fortsetzen.“ Ich schaute auf die Uhr. Es wurde knapp, den Anschlussflug zu erreichen, denn in Paris musste ja noch der Flughafen gewechselt werden.
Meine Gedanken, jetzt in Europa zu bleiben, waren bei der Landung in Paris verflogen. Ich beeilte mich, den Transferbus zu erreichen. Nun ging es einmal Quer durch Paris. Den Eiffelturm nahm ich kaum war. Ich sah immer wieder auf die Uhr. Der Bus hielt vor dem Terminal und als ich die Halle betrat, kam der erste Aufruf für die Air France nach Douala mit Zwischenlandung in Marseille über die Lautsprecher. Nun wurde es spannend. Lies man mich wirklich ohne gültiges Visum einchecken? Alles lief glatt. „Letzter Aufruf für die Passagiere Flugnummer 7218.“ Diese Durchsage kam, als ich gerade den Ausgang erreicht hatte.
Ich saß im Flieger nach Douala.