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Eine Wand bricht ein

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Am Donnerstag drängte ich meinen Maurer, die Trennwand in der Küchenhütte an diesem Wochenende auf die endgültige Höhe hoch zu bringen. Der Anreisetermin der Kollegen drückte. Der Mann protestierte heftig. Er war der Meinung, dass die Fugen der unteren Schichten noch nicht ausreichend tragfähig seien. Das Risiko eines Einsturzes sei sehr hoch. Ich setzte trotz der Warnung meine Anordnung durch.

Am Abend ging ich in der Schule von Haus zu Haus und fragte jeden, ob ich aus Garoua etwas besorgen sollte. Nur Max gab mir einen Zettel mit einigen technischen Dingen, Dichtungen und spezielle Schrauben für die Groupe électrogène und natürlich, wenn ich sie bekommen konnte, Sicherungen, damit endlich die Provisorien aus Stanniolfolie verschwanden, ach und eine Rolle Stacheldraht, der Zaun bei den Ochsenstallungen musste repariert werden.

Gut gelaunt starte ich am nächsten Morgen kurz nach Sonnenaufgang. Der neue Landrover schnurrte nur so dahin. In Pala fuhr ich die kleine Anhöhe zur Zollstation hinauf, hielt und kramte meinen Pass aus der Tasche. Niemand kam heraus, also ging ich hinein. Das Haus war verlassen. Auch der Gewährständer war leer. „Jemand da?“ rief ich mehrmals. Keine Antwort. Ich ging zum Wagen, hupte und wartete auf die Zöllner. Als nach mehrfachen Hupen niemand erschien, entschloss ich mich zur Weiterfahrt. Ich passierte die kameruner Zollstation, die wieder nicht besetzt war, die Bar an der ich mit Gerd eine Pause eingelegt hatte und die Brücke über den Mao Kébbi. Bisher hatte keine Panne meine Fahrt unterbrochen und so war ich gut in der Zeit. Vor mir lagen jetzt nur noch wenige Kilometer bis zur Hauptstraße nach Garoua.

In der Ferne sah ich die Brücke über den Benue. Das satte Grün hatte sich langsam in ein tristes Graubraun mit einigen grünen Inseln verwandelt. Die Brücke führte jetzt über einen Benue, der um mehr als die Hälfte in der Breite geschrumpft war.

Ich erreichte Gudruns Haus nach nicht einmal fünf Stunden Fahrzeit. Unter den Bäumen stand die Ambulanz aus Kali. Insgeheim hatte ich ja gehofft, dass sie da stehen würde.

Den Motor des Landrovers hatte ich noch nicht abgestellt, da erschien Gaston und kam mir entgegen. Er begrüßte mich wie einen Patron. Er berichtete sofort, dass auch Mademoiselle Ilse da sei und dass sie sich bestimmt freuen werde, mich zu sehen. Im Moment sei aber keine der Damen im Haus. Gaston nahm mir die Tasche ab und ging hinein. Ich folgte ihm. Gaston holte frische Handtücher, brachte sie ins Bad und bot mir an, nach der langen Fahrt erst einmal zu duschen.

Als ich geduscht und mit frischer Kleidung ins Wohnzimmer kam, fragte Gaston diskret nach, wie es mir in den letzten Tagen ergangen sei. Ich hatte mich in einen Sessel gesetzt und erzählte. Gaston blieb die ganze Zeit stehen. Dann musste ihm wohl eingefallen sein, dass er etwas vergessen hatte, denn er entschuldigte sich: „Pardon Patron, ich habe noch was zu erledigen.“ Sagte es und verschwand in der Küche.

Ich dachte noch darüber nach, warum Gaston mich mit Patron angeredet hatte, als eine Frauenstimme fragte: „Gaston, wer ist da gekommen?“

„Monsieur Herbert, Madame, er hat jetzt einen eigenen Camion.“ Gudrun kam herein, hielt den Zeigefinger vor den Mund und begrüßte mich mit einem herzlichen Händedruck. „Gudrun, erwartest du Besuch?“ Diese Stimme kannte ich.

„Nein! Nicht das ich wüsste.“

„Wem gehört denn der Wagen da draußen?“ Gudrun bedeutete auch Gaston nicht voreilig zu antworten. Ilse kam mit zwei Taschen beladen herein und stellte sie in der Küche bei Gaston ab. „Gaston, was ist? Du hast doch was!“ Gaston kniff den Mund zu und griff grinsend nach den Taschen. Ich saß still in einer Ecke und wartete ab. Als Ilse ins Zimmer trat, brach es aus ihr heraus: „Herbert, was machst du denn hier? Ach ist das schön dich zu sehen.“ Sie ging mit ausgebreiteten Armen auf mich zu und umarmte mich lange.

Ich erklärte den beiden, dass ich in Zukunft wohl häufiger nach Garoua kommen würde. Die Materialbeschaffung im Tschad sei doch sehr langwierig und schwierig. Ich hoffte, hier alles zu bekommen.

Von den drei Pannen auf meiner Hinfahrt hatten sie gehört und berichteten, dass Gerd auch auf der Rückfahrt noch einmal einen Plattfuß hatte. Er sei vor einigen Tagen abgereist und wird die letzten Tage seines Aufenthalts in Yaoundé verbringen. Gudrun war nun die einzige DED’lerin in Garoua. „Solange du hier bist, wissen wir ja, wo wir beim Einkaufen schlafen können. Du wirst die beiden Mediziner nicht los.“ meinte Ilse.

„Und den Mann aus dem Tschad auch nicht.“ ergänzte ich

Nach dem Austausch der wichtigsten Neuigkeiten gingen wir drei wieder dem alltäglichen Dingen nach. Ilse packte einige der mitgebrachten Packungen Medikamente aus der Kühltasche in den Kühlschrank. Gaston erhielt den Auftrag, das Essen für drei Personen zu verlängern, doch damit hatte er schon begonnen.

Beim Abendessen wurden die Aktivitäten für den weiteren Abend und den morgigen Tag besprochen. Gudrun, hatte ein Problem mit den Lampen in ihrem Zimmer und das könnte ich vielleicht beheben. Ilse hatte noch weitere Einkäufe zu erledigen und wollte in ihrer Ambulanz einige Sachen umbauen, damit die Kisten und Taschen besser verstaut werden konnten, weil sie auch dies Mal wieder eine Patientin mit zurück nehmen musste. Die Trage war sowieso in Kali geblieben. Ich wollte mich nach meinen Baumaterialien umsehen und Gudrun hatte in der Wohnung noch einiges zu erledigen. Sie hatte Gaston für das Wochenende freigegeben. Er wollte gerne seine Familie besuchen.

Für den heutigen Abend hatte wir uns darauf geeinigt, im Haus zu bleiben und gemütlich eine Flasche Rotwein zu köpfen. Gudruns Küche hatte zum Wein noch Baguette und Käse zu bieten.

Der Wein stand auf dem Tisch, die Gläser waren eingeschenkt. Mitten im Tratsch kam Ilse mit dem Vorschlag: „Lasst uns doch Mensch-ärger-dich-nicht spielen.“ Gesagt, getan. Gudrun kramte einen zerschlissenen Karton mit der Aufschrift „Brettspiele für Jung und Alt“ aus dem Schrank. Das Spiel war schnell aufgebaut und der Würfel machte die Runde.

Als Ilse nach schenken wollte, winkte Gudrun ab. „Ich habe schon den ganzen Tag leichte Kopfschmerzen. Seit nicht böse, wenn ich mich jetzt hinlege. Ihr könnt ja noch weiter spielen.“ Ilse und ich spielten weiter. Als die letzten Tropfen aus der Karaffe fielen, stand die Frage im Raum, wer schläft denn heute wo? „Wir schlafen beide im Gästezimmer.“ war Ilses spontane Antwort.

„Ja, da ist aber kein zweites Bett vorbereitet.“

„Brauchen wir auch nicht, das Bett ist breit genug für zwei, oder meinst Du nicht? Der Gewinner geht zuerst ins Bad. Der Verlierer räumt ab.“ Das war Berechnung, denn Ilse hatte bereits drei Männchen im Haus und ich leider nur eins. Wir leerten die Gläser und als ich als Verlierer feststand, wurde nach der Vereinbarung verfahren. In dieser Nacht schliefen wir das erste Mal nebeneinander. Ich wünschte mir, ich könnte Ilse in die Arme nehmen. Ob sie ähnlich fühlte, habe ich nie erfahren.

Am Samstag morgen wurde vor der Einkaufstour in aller Ruhe gefrühstückt. Ich besuchte den Baustoffhandel in der Nähe des Hafens und ging mit dem Verkäufer, einem Libanesen, meine Liste durch und handelte einen Rabatt aus. Nicht jeden Tag kam hier jemand mit einer so großen Bestellung. Ich suchte Waschbecken, Toiletten und Armaturen aus. Obwohl, von aussuchen konnte eigentlich keine Rede sein. Bei einigen Materialien gab es nichts zum wählen. Wasserrohre gab es nur mit ein Zoll Durchmesser und größer. Also musste ich alle Fittings neu durchdenken. „Ich hoffe, ich habe alles richtig zusammen gestellt. Sonst bin ich in zwei Wochen wieder hier.“

„Monsieur, wie wollen sie dass den alles verladen? Mit was für einem Camion sind sie da?“

„Mit einem Landrover.“ sagte ich ganz selbstverständlich, denn über den Transport hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht.

„Da wird nicht alles reingehen. Was wollen sie den heute mit nehmen?“ Ich dachte kurz nach. Der Mann hatte recht, für das alles war mein Auto zu klein. „Ich nehme die Abwasser-, Wasserrohre und einiges von dem Kleinkram.“

„Sollen wir die Rohre teilen?“ wollte der Verkäufer wissen.

„Nein, die binden wir auf´s Dach. Mit den kurzen Enden habe ich soviel Verschraubungen und jede Verschraubung ist eine potenzielle Undichtigkeit. Am besten, ich hole die Sachen erst Montag ab, sonst fahre ich das ganze Wochenende mit den Rohren auf dem Dach herum.“ Ich lies die Ladung für Montag zusammenstellen.

Ilse hatte in der Zeit ihren Vorrat an Lebensmitteln, die es in ihrem kleinen Ort nicht gab, aufgestockt und war dabei, alles in der Ambulanz zu verstauen, als ich meinen Wagen vor dem Lebensmittelgeschäft parkte, um meinen eigenen Haushalt mit Dingen aufzustocken, die es in Pala nicht gab. Ilse ging noch einmal mit mir in den Laden zurück. Plötzlich sprach sie jemand auf deutsch an. „Ilse, ich hab Dich ja lange nicht gesehen. Wie geht es in Kali?“

Ilse drehte sich um: „Da ist alles in Ordnung, uns fehlt halt mach mal Diesel für das Stromaggregat. Seit Du es repariert hast, läuft es ohne Probleme.“

„Du hast Besuch in Kali.“

„Nein, das ist Herbert. Er arbeitet in Pont Carol im Tschad und kommt zum Einkaufen hierher. Wir waren zusammen in Berlin.“

„Herbert, das ist Erich, falls Du in Maroua einmal Probleme mit dem Auto haben solltest, geh zur Präfektur, in der Autowerkstatt findest Du mit Sicherheit jemanden der Dir hilft. Du brauchst nur nach Monsieur Erik zu fragen.“

„Habt ihr beiden noch Lust auf ein Eis? Ich lade euch ein.“ fragte Erich.

„Ja, was meinst Du, Herbert?“

„Warum nicht, wenn ich hier fertig bin, habe ich alles erledigt oder wisst ihr wo ich noch eine Rolle Stacheldraht bekomme?“

„Wenn die hier keinen haben, dann weiß ich auch nicht wo du den findest. Geht doch schon mal rüber. Bei mir dauert’s noch ein bisschen.“ Erich verschwand zwischen den Regalen.

Ich bezahlte und wir verstauten meine Einkäufe, gingen hinüber zum Restaurant und setzten uns an einen der vor dem Lokal aufgestellten Tische. Wir waren die einzigen Gäste. Ilse begann zu erzählen, was sie von Erich wusste.

Er arbeitete für die GAWI und war nicht nur für die staatlichen Fahrzeuge verantwortlich, sondern mit seinen Leuten auch für die Wartung der Motoren in den staatlichen Einrichtungen. Erich hatte vor acht Wochen, das Stromaggregat im Krankenhaus von Kali repariert. Seit dem war das Aggregat zwar nicht mehr ausgefallen, da aber das Geld für Diesel fehlte, lief es nur, wenn die Pumpe im Brunnen gebraucht wurde. Die Zeit ohne Pumpe sei schrecklich gewesen. Das Wasser für die gesamte Anlage musste mit Eimern heraufgeholt, in Fässer gefüllt, einen kleinen Hang hinauf gerollt und mit einer Handpumpe in den Hochbehälter gepumpt werden.

Erich kam herüber. Seine Einkäufe in der Hand: „Habt ihr schon bestellt?“

„Ne, es dauert hier öfter mal länger, das kennst Du doch.“ Erich warf einen Blick in die Karte. „Für mich den großen Eisbecher mit Sahne.“ und ging mit seinen Einkäufen die Außentreppe zum Obergeschoss hinauf. Erst jetzt bemerkte ich, dass hier auch ein Hotel betrieben wurde.

Als Erich wieder herunterkam, standen drei große Eisbecher auf dem Tisch, alle ohne Sahne. „Sahne ist aus.“ quittierte Ilse den fragenden Blick. „Wir haben alles richtig bestellt.“

Erich war ein paar Jahre älter als ich und hatte schon länger im Ausland gearbeitet. Er erzählte Ilse, wie es in den anderen Krankenhäusern, die er zuletzt Besucht hatte, zuging. „Ilse, sei froh, dass du in Kali bist. Das ist gegenüber den anderen kleinen Häusern wie ein Paradies. Ihr habt wenigstens ein erträgliches Klima, auch in den Gebäuden. Die neuen Häuser aus Zementsteinen sind brütend heiß.“

„Wir liegen ja auch 800 Meter hoch, da ist es ja sowieso angenehmer.“ Dann sah sie mich an, legte ihre Hand auf meinen Arm und sagte: „Du musst mich unbedingt mal besuchen kommen. Bei uns in den Bergen ist es richtig schön. Übernächste Woche muss ich hier was abholen. Dann fährst du so, dass wir Freitags hier abfahren. Wir haben dann das ganze Wochenende.“ Ich bemerkte, wie sich Erichs Gesichtszüge ein wenig veränderten. Erich war offenbar nicht besonders erbaut über Ilses Einladung an mich. Er bemerkte nur trocken: „Sie hat recht, es ist da wirklich schön.“ Ich zögerte einen Moment mit der Zusage, die restlichen Materialien könnte ich dann wieder am Montag abholen. Ich stimmte zu.

Als wir wieder bei Gudrun ankamen, erfuhren wir, dass Gudrun den Abend für alle verplant hatte. Sie hatte für alle die Einladung eines kanadischen Ehepaares aus Ngaoundéré angenommen.

Am Sonntag besuchten Ilse und ich den Markt in einem kleinen Ort auf der anderen Seite des Benue. Hier war nur Sonntags Markttag. Es war bunter und größer als in Garoua. Neben dem Markt auf einem großen freien Platz der Gare de Camion. Die Lkw, schon hoch beladen, warteten auf die letzten Passagiere, die noch auf der Ladung platz fanden. Mit der Abfahrt wurde gewartet bis der letzte Platz besetzt war oder das Ziel gerade noch bei Tageslicht erreicht werden konnte.

Wir schlenderten über den Markt, blieben vor einigen Ständen stehen, und ich erfuhr, dass nicht alle Bananen ohne kochen genießbar waren. An einem Stand bestellten wir uns ein gebratenes Hähnchen, kauften noch etwas Obst und fuhren zurück. Die Ambulanz musste noch richtig beladen werden, denn Ilse wollte am Abend wieder in Kali sein. Sie hatte zwei Stunden Fahrzeit und wollte nicht im Dunkeln fahren.

Gudrun und ich verbrachten den Nachmittag damit, die Beleuchtung im Hause zu reparieren.

Am Montag morgen hatte Gudrun zeitig das Haus verlassen. Ich verabschiedete mich von Gaston, fuhr zur Baustoffhandlung und belud den Rover.

Die Keramikteile wurden mit viel Papier und Pappe stoß sicher verpackt, die sechs Metern langen Wasserrohre auf dem Dach so verzurrt, dass sie vorne rechts und links an der Stoßstange nach unten gezogen und hinten an der Anhängerkupplung fest gezurrt werden konnten.

Die Zeit mit Ilse hatte mir gut getan. Ich freute mich auf den Besuch in Kali.

Pala erreichte ich ohne Panne. Heute stand der Rover mit der Aufschrift Douane unten an der Hauptstraße. Als die Zöllner meinen Wagen mit der schaukelnden Fracht auf dem Dach sahen, stiegen sie aus und warteten neben ihrem Fahrzeug auf meine Ankunft. Ich hielt an und man bat mich, zur Zollstation zu fahren.

Im Zollbüro saß der Stationsleiter hinter dem Schreibtisch. „Sie haben aber eine Menge zu deklarieren.“ Er holte gleich mehrere Formulare aus einer Schreibtischschublade und ging mit mir zum Rover. „Wir müssen jedes Teil, dass sie einführen erfassen. Das wird eine lange Liste.“ Als erstes holte ich einen Karton mit Bögen für die Abwasserleitungen hervor, öffnete den Karton und fragte: „Müssen wir wirklich alles auflisten? Die Sachen gehen doch in das Eigentum des Tschad über.“

„Ja, wir müssen, auch wenn sie keinen Zoll entrichten.“ Der Zöllner trug fleißig die Teile in seine Liste ein. Ich holte als nächstes den Karton mit Fittings für die Wasserleitung heraus und öffnete ihn. Der Zöllner schrieb wieder Teil für Teil in die Liste. Der Karton war noch nicht einmal halb leer, da gab der Zöllner auf. „Monsieur, sie kommen ja demnächst wohl öfter aus Garoua. Wenn sie mir versprechen in drei Tagen mit einer ausgefüllten Liste hierher zu kommen, dann brechen wir ab und sie fahren weiter.“ Das war ein Angebot.

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht. Wir können aber auch gerne weiter machen.“

„Nein, nein, das geht schon in Ordnung. Kommen sie nur in drei Tagen wieder vorbei.“ Die ausgewählten Kartons mit dem Kleinkram hatten die erhoffte Wirkung erzielt.

Ich bekam meinen Pass mit Einreisestempel und einen Stapel Formulare in die Hand gedrückt. Die Zöllner halfen mir beim verstauen der ausgepackten Kisten und ich verabschiedete mich: „Bis in drei Tagen.“

Die Baustelle erreichte ich spät am Abend. Wie immer hatten sich einige Dorfbewohner zur Begrüßung eingefunden. Eigentlich wohl mehr aus Neugier, was der Allemann, so wurde ich mittlerweile auch genannt, wohl alles mitgebracht hatte. Auch Olivier war gekommen. Er fragte, ob er den Camion ausladen soll und bekam von mir eine kurze Anweisung, wo welche Sachen gelagert werden sollten. Olivier forderte einige der umstehenden Jungen auf, mit anzufassen und hatte das Entladen sicher im Griff.

Mich interessierte der Baufortschritt. Mein Maurer war auch gekommen und wir gingen gemeinsam zu den Hütten. „Warum hast du denn hier weiter gemacht?“ wollte ich wissen. Wir standen vor der letzten Hütte mit halb hohen Mauern. „Monsieur, die Wand in der Küchencase ist zusammengebrochen. Ich habe heute erst mal aufräumen lassen.“ Wir gingen in die Küchencase. Ich traute meinen Augen nicht. Die Trennwand zwischen Küchen- und Essbereich war bis auf wenige Schichten und die Verzahnungen in den Seitenwänden komplett zusammen gebrochen. Das bedeutete zwei, drei Tage zusätzliche Arbeit. Der Maurer bemerkte meine Verärgerung. „Monsieur, ich kann nichts dafür, ich habe dich gewarnt, weiter zu arbeiten.“

„Ja, ja, ich weiß. Es ist trotzdem ärgerlich.“

„Es ist ja eine Innenwand. Lass uns das Dach aufbringen und ich maure die Wand nachträglich. Die Verzahnung ist ja noch da und der Betonring ist außen auch schon drauf. Wenn ich heute diese Wand gemauert hätte, könnten wir in den nächsten Tagen nicht das Dach aufbringen. Die Mauer wäre noch zu weich.“

Olivier war inzwischen zu uns herübergekommen und hatte den Vorschlag mit angehört. „Monsieur Herbert, wir sollten das so machen. Für morgen habe ich einige Leute aus dem Dorf bestellt, die bei der Dacharbeit helfen.“ Olivier war sich sicher, alles richtig eingeteilt zu haben.

„Ja, dann machen wir das so.“ antwortete ich etwas niedergeschlagen. Ich verabschiedete mich von meinen Leuten und fuhr durch die Nacht zur Schule zurück. Nicht einmal die Ziegenmelker, die immer wieder im Lichtschein der Scheinwerfer auftauchten, konnten mich heute begeistern. Mir fielen zwei Sprüche ein, die ich mal irgendwo gehört hatte: „Wer andere besucht, soll seine Augen öffnen und nicht den Mund.“ und „Es ist besser mit drei Sprüngen ans Ziel zu kommen als sich mit einem das Bein zu brechen.“

Das erste Dach

Am nächsten Morgen hatte Olivier mit seinen Leuten schon den Grasring auf dem Ringbalken angebracht und war dabei, die dünnen Rickstangen rings um das Gebäude zu verteilen. Ich hatte mir vorgenommen, heute keine Anweisungen zu geben. Nach den Erfahrungen mit der Wand war es vielleicht besser, die Leute nach ihrer Art arbeiten zu lassen. Sie wussten aus Erfahrung, was, wie und wann zu tun war.

Das erste Dach auf den Rundhütten.

Olivier stellte in der Mitte der Rundhütte ein abenteuerliches Gerüst, aus unterschiedlichsten Hölzern und Fässern auf. Auch an den Außenwänden lies er an vier sich gegenüberliegenden Stellen kleine Gerüste errichten. Dann wurden einige der dünnen Holzstangen auf die Außenwand gelegt und Olivier kletterte auf die wackelige innere Gerüstkonstruktion. Er lies sich den kleinsten Flechtring anreichen und dann wurden ihm von den Außengerüsten die ersten Rickstangen gereicht. Er verknotete die Stangen und den Grasring mit aus Gras geflochtenen Bändern. Jetzt kletterten jeweils zwei junge Männer auf die Außengerüste. Olivier hob den Ring mit den vier verknoteten Stangen über seinen Kopf und auf sein Kommando wurden die vier Stangen gleichmäßig nach oben gedrückt und an dem unteren Grasring angebunden.

Als die ersten Stangen befestigt waren, gab es Freudengesänge und es wurde geklatscht. Die schwierigste Aufgabe war erledigt. Olivier erhöhte seine Gerüstkonstruktion, so dass er alle Stangen mit dem oberen Ring verbinden konnte. Nach und nach wurden alle Stangen angereicht und mit Grasbändern befestigt.

Am Ende des Tages stand die Holzkonstruktion und ich war zufrieden. Es war gut, mich nicht in die Anweisungen von Olivier einzumischen. Der Bursche wusste genau, was getan werden musste.

Am nächsten Tag wurden die geflochtenen Grasmatten auf den Hölzern vernäht. Damit war es im Innern der Hütte bereits schattig. Nachdem die letzten Matten verlegt waren, fragte Olivier, wie der untere Abschluss der Grasdeckung aussehen sollte. Stumpf mit der letzten Reihe endend oder mit einem weitem Überstand. Ich entschied mich für einen weiten Überstand der Deckung. Jeder Schatten auf dem Mauerwerk verbesserte das Innenklima der Hütten. Also wurden die ersten Reihen der Grasdeckung mit den dicken Enden nach oben angebracht.

Nachdem einige Reihen mit den Matten vernäht waren, lies Olivier die Verlegerichtung wechseln. Die dicken Enden kamen jetzt nach unten und die Gräser wurden spiralförmig auf die Matten aufgebracht. Die Dicke ergab sich aus den übereinanderliegenden Lagen der Gräser. Oben in der Spitze wurden die Büschel zu einer spitzen Haube zusammen gebunden und mit einem Ring aus Bändern gehalten. Zum Schluss wurde die Haube auf gleiche Höhe geschnitten und das erste Hüttendach war fertig.

Während der Arbeiten war ich zwar auf der Baustelle, hatte mich jedoch an meinen provisorischen Schreibtisch zurückgezogen und nur gelegentlich nach den Arbeiten geschaut. Die Zollerklärung stand auf der Tagesordnung.

Am Donnerstag startete ich nach Pala. Zollformalitäten, Einkaufen für den täglichen Bedarf, Tanken, Post abholen, Tischler besuchen. Mein „a fait-zettel“ war lang.

Auf der Zollstation ging ich mit dem Stationschef Zeile für Zeile des Formulars durch. Zum Schluss bekam ich Stempel und Unterschrift und erhielt eine Durchschrift. Das Original landete im Ablagekörbchen.

Der Tischler hatte die Beschläge erhalten und war dabei, sie einzubauen. In der nächsten Woche könnten Türen und Fenster abgeholt werden. Die Post war nicht sehr reichhaltig. Zwei Briefe für die Schule und einen für mich.

Uwe hatte mir geschrieben. Er habe sein Büro jetzt eingerichtet und man habe ihn nochmals um Bestätigung gebeten, dass die zwei neuen Mitarbeiter auch wirklich kommen könnten. Falls es ganz eng werden sollte, könne er die Neuen noch einige Tage in Lamy beschäftigen. Ich möge doch jetzt regelmäßig über den Stand auf der Baustelle berichten. Er würde ja gerne selber mal vorbeischauen, doch mit dem Mietwagen, einen R4, traue er sich nicht so weit, außerdem sei der Mietvertrag auf Lamy begrenzt. Kühlschrank und Kücheneinrichtung habe er in Lamy besorgt und werde die Sachen mit bringen, wenn er mit den Neuen runter komme. Bis dahin sollte ein Rover in Lamy als neues Projektfahrzeug eingetroffen sein. Der Rover den ich jetzt fuhr, sollte weiter für mich zur Verfügung stehen. Das war eine gute Nachricht, denn bis jetzt war vorgesehen, dass ich mir den Wagen mit dem Projekt teilen sollte. Uwe hatte richtig erkannt, dass es ohne eigenes Fahrzeug für die Baustellen nicht geht und hatte in Godesberg noch einmal richtig Druck gemacht.

Ich schrieb den gewünschten Bericht. Darin stand, dass es nach der Ankunft der Neuen noch Restarbeiten zu erledigen gebe. Die Küche sei dann aber vorbereitet, Türen und Fenster eingebaut und eine Dusche und Toilette würde auch vorhanden sein. Wenn das ausreiche und den Ansprüchen genüge, könnten die Kollegen kommen.

Von der Schule lieh ich mir die alte Pritsche für den Transport von Türen und Fenstern, denn meine Kabinenausführung des Landrovers war dafür völlig ungeeignet.

Die ersten Türen und Fenster wurden eingebaut. Nun fuhr ich nicht mehr jeden Tag zur Schule zurück. Die Toilette war noch nicht angeschlossen, doch wie war das mit dem ‘sibirischen’ Steppenklo? Ein Spaten und ein Stock zum Löwen zu vertreiben? Es war zwar nicht besonders angenehm, in den Busch zu gehen, aber besser als jeden Tag zwei Stunden mit dem Rover unterwegs zu sein.

Ich überlegte, ob ich es mir leisten könne, die Verabredung mit Ilse einzuhalten. Der Baufortschritt war gut. Mit meinem Maurer und Olivier hatte ich zwei verlässliche Leute. Die Baustelle konnte eigentlich zwei Tage ohne mich auskommen.

Mit den beiden besprach ich, was in den nächsten Tagen zu erledigen war, den Arbeitsablauf überließ ich den beiden. Olivier sollte mit seinen Leuten die Klärgrube ausheben und mit dem Kies, den wir wieder aus dem Bachbett des Mayo heraufgeschafft hatten, die Produktion der Betonsteine beginnen, die für die Wände der Dreikammerklärgrube gebraucht wurden. Die Form hatte ich vor einiger Zeit von der Schule in Fianga besorgt. Es sprach nichts gegen einen vorzeitigen Antritt der Einkaufsfahrt.

Abelas Amulet

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