Читать книгу Abelas Amulet - Heinrich Hubert Witte - Страница 5
ОглавлениеDie Ausbildung
Vor dem Einsatz beim Deutschen Entwicklungsdienst (DED) musste ich einen zweitägigen Eignungstest in Bad Godesberg durchlaufen. Den medizinischen Test hatte ich bestanden und saß nun mit etwa 20 Personen in einem Besprechungsraum der Zentrale beim psychologischen Test. An zwei Dinge erinnere ich mich besonders, an den mehrseitigen Fragebogen, dessen Fragen man innerhalb von 15 Minuten mit ja oder nein beantworten musste, mit Fragen wie: ‘Geben sie ihre Briefe immer gleich zur Post?‘ und einige Seiten weiter die Frage: ‘Lassen sie einen Brief auch schon mal ein paar Tage liegen, bevor sie ihn zur Post bringen?‘ Und daran, eine Geschichte nach vier Postkartenmotiven, die nach einer Minute wieder eingesammelt wurden, zu entwickeln. Natürlich hatte ich ein Motiv vergessen. So ließ ich mir eine Geschichte einfallen, in der einfach das Motiv einer Postkarte vergessen wurde. Einige Tage später erhielt ich meinen Vertrag nach § 22 EhfG (Entwicklungshelfergesetz) und man teilte mir mit, dass ich voraussichtlich in Tunesien eingesetzt werde.
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Ich auf den blaugrünen Briefumschlag, Absender „Kreiswehrersatzamt Osnabrück, 4500 Osnabrück, Meller Str. 228“ den ich gerade erhalten hatte. Ich ahnte, das ist mein Einberufungsbescheid. Also, was tun? Ein Telefongespräch mit dem DED am nächsten Tag brachte Klarheit. Den Einberufungsbescheid und den Wehrpass sollte ich einfach zurückgeben und darauf verweisen, dass am 1. Juli, also am Einberufungstermin meine Ausbildung als Entwicklungshelfer in Berlin beginnt. Der Vertrag mit dem DED sei rechtskräftig und im Gesetz stehe, dass bei unterschriebenen Verträgen die Bundeswehr auf die Einberufung verzichten muss.
Der Termin beim Kreiswehrersatzamt verlief alles andere als erfreulich. Die Beamten nahmen den unterschriebenen Vertrag mit dem DED und meinen Hinweis auf das Entwicklungshelfergesetz nicht ernst. Den Wehrpass nahmen sie auch nicht zurück. Für den Fall, dass ich nicht antreten sollte, drohte man mir den Einsatz der Feldjäger an.
Für mich stand fest: Am 01.07. bin ich in Berlin. Berlin war eine gute Wahl, denn dort hatten die Feldjäger wegen des besonderen Status der Stadt keine Befugnis.
Am 01.07. fuhr per Bahn nach Hannover und flog nach Berlin. So konnte man unangenehme Fragen und Aufenthalte an den Grenzkontrollstellen der DDR ausschließen. Von einer Bahnfahrt oder der Fahrt mit dem eigenen Pkw hatte der DED abgeraten. Man ging davon aus, dass die andere Seite wusste, wer beim DED den Dienst begann. Soweit dachte ich allerdings damals nicht. Meinen Wehrpass hatte ich am Tag zuvor per Einschreiben an das Kreiswehrersatzamt geschickt.
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Die Ausbildungsstelle war in einer ehemaligen Villa untergebracht, unweit des Zentrums. Hier sollte ich mit den Kollegen, die in den französischsprachigen Ländern Afrikas arbeiten sollten, die nächsten drei Monate verbringen. Die Gruppe war, wie das Haus vermuten lies, nicht sehr groß. Am Abend waren einundzwanzig junge Leute und das Hauspersonal beisammen.
Die Ausbildung bestand aus theoretischem Unterricht, vor allem Sprachunterricht und hier lagen meine besonderen Schwierigkeiten. Meine schulische Vorbildung bestand aus einem Jahr Berufsaufbauschule mit Englisch als Fremdsprache und da hatte es nur zu einem Ausreichend gereicht. In der Abschlussprüfung hatte ich das Diktat total versiebt, aber die Übersetzung mit einer zwei bis drei hingelegt, so dass meine Lehrer mich anschließend fragten: „Wie hast Du dass gemacht?“ Das war ganz einfach, immer wenn ich nicht wusste wie ein Wort geschrieben wurde, schrieb ich es so, wie ich es gehört hatte. Die Aussprache war mir geläufig und ich verlor so keine Zeit mit Nachdenken über die richtige Schreibweise. Diese Schwäche sollte mir in Berlin noch zu schaffen machen.
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Jetzt wird es aber Zeit zu erklären, welche Aufgabe ich übernehmen sollte. Mein Gastland war Tunesien, ein Glücksfall für mich. Zum Einen weil ich meinem Hobby, der Vogelkunde hier ohne große Umstellung weiter betreiben konnte, zum Andern konnten meine Bekannten und Freunde mich hier leicht besuchen. In Gedanken war ich schon bei den internationalen Wasservogelzählungen am Lac Tunis. Doch zurück zu meiner Aufgabe. Ich sollte an einer berufsbildenden Schule die Ausbildung junger Tunesier zu Maurern übernehmen. Meine Vorbildung als gelernter Maurer und Bauzeichner war offenbar gut genug. Nur die Sprache machte mir zu schaffen. Und eine weitere Entscheidung viel in Berlin. Ich werde in Deutschland kein Berufsschullehrer. Während der drei Monate absolvierte ich ein Praktikum an einer Berufsschule in einer Klasse mit Schülern ohne Schulabschluss. Sicherlich als gute Vorbereitung gedacht, doch zumindest in Deutschland nicht mein späteres Berufsziel.
Die „Franzosen“, so wurde die kleine Gruppe in Berlin intern genannt, wuchsen als Gruppe zusammen. Die Krankenschwestern lernten Moped fahren und reparieren, die Handwerker Verbände anlegen, und nach einem medizinischen Kurs, wenn es um Parasiten und Co ging, waren alle leicht angeekelt. In der Freizeit wurde Berlin erkundet, manchmal bis spät in die Nacht.
Natürlich war auch ein Besuch in Osten angesagt. Dazu gab es die Anweisung: Geht bitte nicht als Gruppe über die Grenze, möglichst nur zu zweit, höchstens zu dritt. Damit sollte es den DDR-Grenzern erschwert werden, uns unter den Besuchern ausfindig zu machen. Allerdings schafften sie es trotzdem. Unsere Gruppe fand sich fast komplett vor dem Tresen in einer abseits stehenden Garage wieder.
Nach einigen Wochen fuhr ich doch mit meinem VW Käfer vom Heimatbesuch nach Berlin. Die Brüder und Schwestern im Osten wussten ja eh, was ich machte und es war ja nicht verboten, es wurde nur nicht empfohlen. 400 km Autobahn, Fahrzeit 4,5 Std. So konnte ich ein Wochenende auch mal bei Eltern und Freunden verbringen, denn Flüge konnte ich mir nicht leisten. Montag morgens um 8:00 begann der erste Kurs und so wurde manche Fahrt zur Nervenprobe. Wann ist die Grenze auf, ist die Grenze noch auf, wenn ich am Checkpoint bin? Schwierig wurde es immer, wenn die Grenzer nur wenige Fahrzeuge abfertigten und danach einige Minuten Pause einlegten. Dann bildeten sich Staus bis zu 30 km, und es ging nur im Stop and Go vorwärts. An schlafen war dann nicht zu denken.
An einem solchen Tag überkam mich auf der Interzonenautobahn die Müdigkeit so stark, dass ich trotz Verbots meinen Käfer auf einen Parkplatz lenkte und mir eine Mütze voll Schlaf gönnte. Am Grenzpunkt in Berlin wurde ich daraufhin prompt gefragt, wieso ich fast eineinhalb Stunden länger für die Strecke gebraucht hätte. Meine Antwort: „Wenn Ihre Kollegen nur wenige Autos abfertigen und so lange Wartezeiten verursachen, wird man irgendwann müde, und bevor ich auf der Interzonenautobahn einen Unfall baue, halte ich es für besser, auf einen Parkplatz zu fahren und eine Mütze voll Schlaf zu nehmen.“ Der Grenzer war offenbar der gleichen Ansicht, denn er kommentierte nur: „Beim nächsten mal fahren Sie durch.“ Er blickte noch einmal in meinen Pass und ließ mich fahren.
Die kleine Gruppe in Berlin wuchs immer mehr zusammen. Trotzdem bildeten sich natürlich Grüppchen, die ihre Freizeit gemeinsam verbrachten. Ich hatte mich mit Kollegen für Kamerun, Dahomey und der Elfenbeinküste zusammengetan. Unser Clübchen bestand aus Krankenschwester Ilse, der Ärztin Ingrid, beide mit dem Ziel Nordkamerun, Elisabeth, einer Kinderkrankenschwester und Frank, einem Telefonfachmann für die Elfenbeinküste, Klaus, ein Schlosser, und Anja einer Krankenschwester für Dahomey.
Wir drei Maurer für Tunesien hatten alle unsere Probleme mit der Sprache. Mit Ilse verstand ich mich sehr gut und lernte mit ihr auch in der freien Zeit. Es half nur bedingt. Meine Schwierigkeiten, beim freien Sprechen, vor allem Schreiben, blieben. Dass mir dieses Problem noch einmal Schwierigkeiten bereiten könnte, hatte ich verdrängt. Ich wollte unbedingt nach Tunesien.
Während der Vorbereitung hatte sich die Schar der potenziellen Helfer verkleinert. Einige waren freiwillig ausgeschieden und einmal wurde der Vertrag vom DED beendet. Vierzehn Tage vor Ende der Ausbildung erhielt ich einen Termin beim Betreuerteam. Eine Anhörung über meinen Einsatz oder mein Ausscheiden war angesetzt. Für meine Stellungnahme durfte ich mir einen Fürsprecher oder eine Fürsprecherin wählen. Meine Wahl fiel auf Ilse, mit ihr hatte ich viel Zeit verbracht.
Bei der Anhörung durch das Leitungsteam und einem Psychologen ging es nur um die Sprache. Ilse hielt, wie erwartet zu mir und brachte ein, dass, wenn ich nicht anders könne, als mich französisch zu verständigen, dies auch schaffen würde. Im übrigen seien die Sprachkenntnisse der beiden anderen Maurer auch nicht besser. Wir wurden entlassen und warteten gemeinsam auf die Entscheidung.
Riesigr Erleichterung als man mir mitteilte, dass ich bleiben könne. Diese Entscheidung wurde mit einem ordentlichen Glas Rotwein gefeiert. Die Kursleitung hatte sich zu einem intensiven zusätzlichen Sprachkurs für alle Maurer im Gastland entschieden. Ich war glücklich und verbrachte vor der Ausreise noch einmal einige Tage bei meinen Eltern. Verabschiedete mich von meinen Freunden, meiner Freundin Elke und besuchte Ilse, die nur 70 km entfernt zu hause war. Unsere Wege sollten sich ja nun trennen. Zweitausend Kilometer und der größte Teil davon Wüste, lag zwischen unseren Einsatzorten. Wir verabredeten in Verbindung bleiben. Wie das funktionieren sollte, war uns nicht klar. Wir waren aber sicher, einen Weg zu finden.