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aa) Voraussetzungen des Erlasses

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Man unterscheidet zwischen persönlicher und sachlicher Unbilligkeit. Persönliche Unbilligkeit setzt Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit voraus. Erlassbedürftigkeit liegt vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des StPfl vernichten oder ernstlich gefährden würde; erlasswürdig ist nur derjenige StPfl, der seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht selbst schuldhaft herbeigeführt hat und seine steuerlichen Pflichten nicht in grober Weise vernachlässigt hat.

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Ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit kommt in Betracht, wenn (1) die Steuerfestsetzung zwar „äußerlich“ dem Gesetz entspricht, nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers aber angenommen werden kann, dass er die im Einzelfall zu entscheidende Frage des Erlasses iSd Billigkeitsmaßnahme geregelt hätte, wenn er sie erkannt hätte (Überhang des gesetzlichen Tatbestands)[33], oder wenn (2) die Erhebung der Steuer im Einzelfall zu einem Grundrechtsverstoß führen würde[34]. Der Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit dient somit der Gesetzeskorrektur im atypischen Einzelfall[35]. In Ausnahmefällen können auch (3) Gründe des Vertrauensschutzes einen Erlass rechtfertigen, etwa wenn der StPfl im Vertrauen auf ein BMF-Schreiben Dispositionen tätigte und dabei auf eine ihm günstige Rechtslage vertraute, die im Widerspruch zur Gesetzeslage stand[36]. Eine generelle Erlassregelung als Ersatz für eine aufgehobene Gesetzesnorm (Sanierungserlass nach Aufhebung des § 3 Nr 66 EStG[37]) ist nicht zulässig[38] (jetzt: § 3a EStG, Rn 606).

Beispiele:

Zu (1): Die (vollständige) Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 240 Abs. 1 AO (dazu unten Rn 285 f) für die Zeit nach Zahlungsunfähigkeit ist sachlich unbillig, weil der Zweck der Säumniszuschläge als Druckmittel verfehlt wird[39]. Zu (2): Eine Steuerfestsetzung von Erbschaftsteuer nach Wertverfall kann sachlich unbillig sein[40] (Rn 1540). Zu (3): Ein Billigkeitserlass kann auch gerechtfertigt sein, wenn sich zwei Unternehmer aufgrund eines gemeinsamen Irrtums über die zutreffende steuerrechtliche Beurteilung vor höchstrichterlicher Klärung einer Streitfrage ohne Missbrauchs- oder Hinterziehungsabsicht gegenseitig Rechnungen mit unzutreffendem Steuerausweis erteilen (Rn 1729)[41]. Ein Steuererlass aus Gewissensgründen (Art. 4 Abs. 1, 2 GG), um einen finanziellen Beitrag zum Verteidigungshaushalt zu vermeiden, kommt demgegenüber nicht in Betracht. Die Rspr[42] trennt insoweit zutreffend zwischen staatlichen Einnahmen (Steuererhebung) und Ausgaben (Steuerverwendung). Die Steuer unterscheidet sich gerade dadurch von anderen Abgaben, dass sie voraussetzungslos und ohne Zweckbindung auferlegt ist (vgl § 3 Abs. 1 AO); über die Mittelverwendung entscheidet allein der demokratisch legitimierte Gesetzgeber. Gleiches gilt für die Steuerverweigerung mit Blick auf ein (vermeintliches) Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG[43].

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