Читать книгу Jesus und das Landrecht - Henrike Manuwald - Страница 18

3.2 Konrad von Heimesfurt, Diu urstendeKonrad von HeimesfurtDiu urstende 3.2.1. Entstehungsumfeld und Textgrundlage

Оглавление

Die literarische Tätigkeit Konrads von Heimesfurt, dessen Beiname auf den heutigen Ort Heinsfarth (bei Oettingen) verweist,1 lässt sich relativ sicher in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts datieren: Aus Anlehnungen an Werke Hartmanns (auch den IweinHartmann von AueIwein) ist ein terminus post quem zu erschließen, aus der Erwähnung im Autorenkatalog des Alexander Rudolfs von EmsRudolf von EmsAlexander3189–3191 ein terminus ante quem.2Wolfram von EschenbachParzival Innerhalb dieses Zeitraums spricht die stilistische Nähe zu Konrad von Fußesbrunnen dafür, dass das Wirken Konrads von Heimesfurt3Reinbot von DurneGeorg eher zum Jahrhundertanfang hin anzusiedeln ist;4 allerdings ist die allgemein angenommene Abfolge, dass er von seinen beiden überlieferten Werken (mit namentlicher Kennzeichnung)5Konrad von HeimesfurtUnser vrouwen hinvart zunächst Unser vrouwen hinvartKonrad von HeimesfurtUnser vrouwen hinvart und dann Diu urstende abgefasst habe, nicht zu sichern.6 Dazu, dass der Autor am Anfang des 13. Jahrhunderts tätig gewesen sein könnte, passt die vierfache urkundliche Überlieferung eines Konrad von Heimesfurt aus den Jahren 1198 bis 1212, wobei er in den Urkunden Bischof Hartwigs (1196–1223) aus den Jahren 1198 (zweimal) und 1204 als Ministeriale des Eichstätter Bischofs ausgewiesen ist.7 Die Zuordnung des Autors zu dem urkundlich überlieferten Namen wäre nicht nur für die Datierung von Bedeutung, sondern auch für die Bestimmung seines Bildungsgrads und seines möglichen Publikums im Umkreis des Eichstätter Bischofshofs. Nicht zuletzt ließe sich aus den Urkunden auch eine Kenntnis bestimmter Vorgänge des ,Verwaltungsrechts‘ (Gütertrennung, Schenkung, Belehnung) ableiten.

Da im fraglichen Zeitraum keine weitere Person namens Konrad von Heimesfurt überliefert ist,8 spricht nichts dagegen, dass der in den Urkunden genannte Konrad tatsächlich mit dem Autor identisch ist.9 Kontrovers ist diskutiert worden, wie sich dann sein Ministerialienstatus zur Selbstbezeichnung als phaffe (v. 20) in Unser vrouwen hinvart10 verhält. Bekanntlich muss phaffe jedoch nicht einen geistlichen Stand implizieren, sondern kann wie lat. clericus auch jemanden bezeichnen, der (wie ein Geistlicher) gelehrte Kenntnisse hat.11

Dass es sich bei Konrad von Heimesfurt um einen in der Schriftkultur versierten Autor handelt, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass sich das Akrostichon in Diu urstende über das gesamte Werk erstreckt.12 Lateinkenntnisse Konrads von Heimesfurt lassen sich daraus ableiten, dass er für die zwei überlieferten Werke lateinische Quellen benutzt hat.13Nikodemusevangeliumdeutsche ProsafassungenProsafassung E In beiden Fällen hat er neben apokryphen Vorlagentexten Bibelstellen verarbeitet, die er offenbar vor allem aus der Liturgie kannte.14PassionsharmonienEvangelienharmonienPassionsharmonien Die Liturgie ist auch in seinen – primär an ein nicht lateinkundiges Publikum gerichteten15 – Werken präsent, insofern an einigen Stellen aus liturgischen Zusammenhängen besonders bekannte Bibelverse lateinisch zitiert und dann übersetzt werden.16 Konrads Bildung lässt sich weiterhin aus seinem Wortschatz erschließen: Kurt Gärtner und Werner J. Hoffmann (1989) weisen darauf hin, dass sich in den Übersetzungen von Bibelzitaten viele selten belegte Wörter finden und „[m]ehrere aus Bibel und geistlichen Texten stammende Lehnwörter“ verwendet sind.17 Allerdings ist in Bezug auf den Wortschatz Konrads das Erkenntnispotenzial noch nicht vollständig ausgeschöpft. Für die folgenden Überlegungen ist vor allem relevant, dass ihm auch in Rechtsfragen eine präzise Ausdrucksweise zuerkannt wird.18

Wenn von ,Konrads Sprache‘ die Rede ist, hat man selbstverständlich zu berücksichtigen, dass die Überlieferung erst um 1300 mit der Handschrift V einsetzt, die das einzige Zeugnis für den gesamten Text bildet.19WienÖNBCod. 2696 [V]MünchenBSBCgm 5249/61b [M] Die textkritische Qualität der Handschrift gilt als hervorragend;20 ob darin aber „der ursprüngliche Text […] ausgezeichnet erhalten“ ist,21 wird sich – vom Akrostichon abgesehen – nicht mehr sichern lassen. Zwar ist ein Drittel des Textes auch in einigen Handschriften der Weltchronik Heinrichs von MünchenHeinrich von MünchenWeltchronik (W+) belegt,22 und die Exzerpte sind so gestaltet, dass sie textkritischen Wert haben;23 mit den Mitteln der klassischen Textkritik haben Gärtner und Hoffmann (1989) jedoch auf einen gemeinsamen Archetypus von V und W+ geschlossen, sodass auch die Weltchronik-Exzerpte nicht hinter V zurückführen.24 Insgesamt zeugt die Überlieferung – ganz im Sinne des Prologs von Diu urstende (vv. 14–18) – nicht von einem unfesten Text. Mit der Ausgabe von Gärtner und Hoffmann (1989) liegt überdies eine verlässliche Zitiergrundlage vor.

Die in V überlieferte Rubrik Daz bůch heizzet deu vrstende25 gibt keinen Aufschluss darüber, dass zunächst vom Passionsgeschehen erzählt wird, bevor Ereignisse nach Jesu Tod geschildert werden (die Erlebnisse Josephs von Arimathia und die Höllenfahrt Christi).26 Hauptquelle für die Erzählung vom Prozess vor Pilatus und von den Erlebnissen Josephs von Arimathia muss ein Text gewesen sein, der zur Rezension Lateinisch BNikodemusevangeliumRezension Lateinisch B des Nikodemusevangeliums gehörte.27 Offensichtliches Anzeichen dafür ist, dass im Prolog von Diu urstende als Quelle ein Augenzeugenbericht eines Juden namens EnêasZeugennamentliche Nennung genannt wird (vv. 53–68)28 – eine Referenz auf das in der Rezension Lateinisch B bewahrte ,Vorwort‘, in dem der folgende Text als auf Prozessakten beruhend gekennzeichnet wird. Dem Abschnitt über die Höllenfahrt liegt dann offensichtlich die Rezension Lateinisch ANikodemusevangeliumRezension Lateinisch A zugrunde. Hoffmann (2000) hat plausibel machen können, dass eine Handschrift, die die Gesta PilatiNikodemusevangeliumGesta Pilati B (in einer Fassung ohne Kürzungen)29 mit dem DescensusNikodemusevangeliumDescensus Christi ad Inferos A kombiniert, aller Wahrscheinlichkeit die konkrete Vorlage für Konrad von Heimesfurt gewesen ist.30SalzburgErzabtei St. PeterCod. a V 27NikodemusevangeliumRezension Lateinisch ANikodemusevangeliumRezension Lateinisch B Neben dem Nikodemusevangelium verwendete er (wohl liturgisch vermittelte) Bibelstellen, sowohl bei der Ausgestaltung von bereits im lateinischen Nikodemusevangelium vorhandenen Szenen (vor allem Kreuzigung und Grablegung, vv. 743–822) als auch zur Ergänzung der darin geschilderten Handlung (Passionsgeschehen vor dem Prozess, vv. 69–258; Himmelfahrt und Pfingsten, vv. 1111–1224).31Canticum triumphale Cum rex gloriae

Der gesamte Text von Diu urstende lässt sich folgendermaßen gliedern:32

Prolog (vv. 1–68)

Passionsgeschehen vor dem Prozess (vv. 69–258)

Prozess (vv. 259–742)

Kreuzigung und Grablegung (vv. 743–822)

Auferstehung Jesu und Befreiung Josephs von Arimathia (vv. 823–1110)

Himmelfahrt und Pfingsten (vv. 1111–1224)

Befragungsszenen: Joseph; drei Rabbis; Simeonsöhne (vv. 1225–2162

[Bericht von der Höllenfahrt Jesu: vv. 1693–2116])

Die einzelnen Teile sind sorgfältig ineinander gearbeitet.33 Bei einer genetischen Betrachtung wird klar, dass die jeweiligen Quellentexte für den Verfasser offenbar eine unterschiedliche Autorität hatten: Während er der Bibel genau folgt, ist der Umgang mit dem Nikodemusevangelium recht frei.34 Eine eigenständige Gestaltung der Handlung ist also gerade auch im Prozessteil von Diu urstende zu beobachten.35

Jesus und das Landrecht

Подняться наверх