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2. Rechtsnatur

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Der Jugendarrest nach § 11 Abs. 3 (Ungehorsamsarrest) ist eine spezifisch für das Jugendstrafverfahren geltende Beugemaßnahme, die den alleinigen Zweck verfolgt, auf die Erfüllung der Weisungen hinzuwirken (Hellmer Erziehung und Strafe, 1957, S. 224 f.; Böttcher/Weber NStZ 1991, 8; nunmehr auch Schaffstein/Beulke/Swoboda Rn. 334; im Erg. nun auch Eisenberg § 11 Rn. 12a, der unter Vermeidung des Wortes „Beugemaßnahme“ zutreffend ausführt, der Ungehorsamsarrest sei eine „besondere jugendstrafrechtliche Reaktionsmöglichkeit auf die Nichtbefolgung … und zwar mit dem Zweck, auf die Befolgung hinzuwirken“). Diese Rechtsnatur des Ungehorsamsarrests wurde durch die Neufassung des § 11 Abs. 3 S. 3 durch das 1. JGGÄndG vom 30.8.1990 (BGBl. I, S. 1853). gegenüber der dem früheren Gesetzeswortlaut noch verdeutlicht (s. Rn. 22); während danach das Absehen von der Vollstreckung des Arrestes nach Erfüllung der Weisung noch in das Ermessen des Gerichts gestellt war, ist dieses nach der Neufassung von Satz 3 nunmehr zwingend. Das Gesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass Weisungen nach § 10 selbst nicht vollstreckbar sind und deren erzieherische Wirkung in der Regel aufgehoben wäre, wenn sie gleichsam im luftleeren Raum stünden und dem Gericht keine andere Möglichkeit bliebe, als der Nichterfüllung seiner Entscheidungen macht- und folgenlos zuzusehen. Der Ungehorsamsarrest nach § 11 Abs. 3 ist insbesondere kein Ahndungsmittel (Zuchtmittel) im Sinne des § 5 Abs. 2, § 13 Abs. 2 Nr. 3 (a.A. Potrykus Bem. 4; Neuheuser NStZ 2017, 623 f.). Dies folgt zum einen daraus, dass er nicht in § 5 als Folge der Jugendstraftat genannt und dementsprechend nicht im Dritten Abschnitt des JGG, sondern im unmittelbaren systematischen Zusammenhang mit § 10 geregelt ist; zum anderen folgt er völlig anderen gesetzlichen Voraussetzungen als der Jugendarrest des § 13 Abs. 2 Nr. 3. Während dieser nur dann verhängt werden darf, wenn zwar Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat, somit also unmittelbar an die dem Urteil zu Grunde liegende Tat anknüpft, setzt der Ungehorsamsarrest gem. § 11 Abs. 3 S. 1 voraus, dass der Jugendliche einer Weisung schuldhaft nicht nachgekommen ist und knüpft somit ausschließlich an die im Urteil ausgesprochene Rechtsfolge und deren Zuwiderhandlung an. Die Straftat selbst bleibt dabei völlig außer Betracht. Unter anderem diese Rechtsnatur des Ungehorsamsarrests als Beugemaßnahme hat schließlich den Gesetzgeber dazu veranlasst, auch an den Formen des Kurz- und Freizeitarrestes als von § 11 Abs. 3 implizierter Ungehorsamsfolge festzuhalten (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 19.6.1990, BT-Drucks. 11/7421, S. 22).

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Der Gegenmeinung, die § 11 Abs. 3 S. 1 als spezifisch jugendrechtlichen Tatbestand des Ungehorsams, gleichwohl aber nicht als Verfehlung im Sinne des § 1 bezeichnet (Dallinger/Lackner § 11 Rn. 7; Brunner § 11 Rn. 4), im Übrigen aber zu denselben Ergebnissen wie nach der hier vertretenen Auffassung kommt (s. Rn. 18, 19, 21), kann daher aus dogmatischen Gründen nicht gefolgt werden. Zudem würde die Annahme eines speziellen strafrechtlichen Tatbestandes des Ungehorsams konsequenterweise dazu führen, dass die Verhängung des Ungehorsamsarrestes einem formell prozessordnungsgemäßen Verfahren (Strafklage, Hauptverhandlung, Verteidigungsmöglichkeiten) zu folgen hätte (Werlich S. 148; Ostendorf § 11 Rn. 8, der auch zutreffend darauf hinweist, dass es ein strafrechtlich geschütztes Rechtsgut des „Gehorsams“ grundsätzlich nicht gibt), was bei dem im Beschlusswege anzuordnenden Ungehorsamsarrest (§ 65) gesetzlich nicht vorgesehen ist. Schließlich wäre die Schaffung eines materiellrechtlichen Straftatbestandes durch das als reines Rechtsfolgenstrafrecht konzipierte JGG systematisch völlig verfehlt. Der Ungehorsamsarrest ist aber auch keine die ursprüngliche Reaktion korrigierende „Ersatzmaßnahme“ (Ostendorf Zbl 1983, 575 f.), mit der Folge, dass die Vollstreckung des Ungehorsamsarrests zu der ersatzlosen Befreiung von der ursprünglichen Weisung zwingt. Die Verhängung des Ungehorsamsarrests lässt, wie § 11 Abs. 3 S. 3 zeigt, die ursprüngliche Weisung nach dem Willen des Gesetzgebers unberührt (s. Rn. 21); eine Vorschrift, die das Gericht nach der Vollstreckung des Ungehorsamsarrests zur Befreiung von der Weisung zwingt, existiert nicht, so dass hiermit der Ersatzcharakter des Ungehorsamsarrests allenfalls de lege ferenda, nicht aber mit dem geltenden Recht begründet werden kann. Eher abwegig erscheint die vereinzelt vertretene Auffassung, der Ungehorsamsarrest nach § 11 Abs. 3 sei eine nachträgliche Ergänzung des „Grundurteils“ im Sinne einer Ahndung der ersten Verfehlung durch Jugendarrest und § 11 Abs. 3 komme damit gar einem auf besondere Art zur Bewährung ausgesetzten Jugendarrest von vier Wochen Dauer gleich (Schnitzerling JZ 1956, 274, 275). Eine solche Sicht lässt die gesetzlich unterschiedlich definierten Voraussetzungen der Folgen der Jugendstraftat (§§ 5, 10, 13 Abs. 1, § 17 Abs. 2) völlig außer Betracht und verkennt, dass eine Aussetzung von Jugendarrest zur Bewährung der den §§ 21 ff. entsprechenden gesetzlichen Regelung bedürfte, die in § 11 Abs. 3 nicht gesehen werden kann.

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