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11. Februar 2017 - Alessia: Auf dem Basar – Ein unsportlicher Verlierer

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Als Carina und Fatima die Kinder ins Auto packten und sie zusammen mit drei tarmanischen Leibwächtern in Richtung Basar aufbrachen, registrierte die Scheicha nur am Rande, dass Jamal einen Mann an ihnen vorbei in den Garten führte. Sie kannte die Prozedur der Audienzen und daher war ihr klar, dass der Fremde einer der Bittsteller sein musste. Es war auch wenig überraschend, dass Jamal dem Mann ihren Namen und Titel nannte und ihn nötigte, sie respektvoll mit einer Verneigung zu grüßen.

„Jamal und seine Etikette“, dachte sie kopfschüttelnd. Ihr war es schon immer lieber gewesen, unerkannt zu bleiben. Sie hatte einen atemberaubenden Mann geheiratet, der die Liebe ihres Lebens war. Dass dieser eine wichtige Stellung innehatte empfand sie eher als hinderlich. Dass man sie, die einfache Carina aus einem Vorort von München, deshalb respektvoll behandeln sollte, wollte noch immer nicht in ihren Kopf.

„Ich möchte, dass ihr auf dem Basar Abstand haltet“, befahl sie den drei tarmanischen Kriegern scharf. „Ich freue mich auf einen ungestörten Einkauf und möchte mich zusammen mit meinen Kindern und Fatima in Ruhe umsehen!“, fügte sie nachdrücklich hinzu. „Am allerwenigsten will ich, dass alle euch von weitem sehen und sich vor Angst auf den Boden werfen“, erklärte sie nun doch bei der Vorstellung ein wenig spitzbübisch grinsend.

„Ja, Herrin“, der Anführer der drei Beschützer lächelte nicht, sondern antwortete in ernstem Tonfall. Sein Gesicht verriet Besorgnis, doch der Respekt gebot ihm, seine Meinung für sich zu behalten. Abstand halten, das hieß, dass es eventuellen Feinden leichter fallen würde, seine Herrin anzugreifen. Als er mit seinen beiden Stammesbrüdern den Auftrag übernommen hatte, die Scheicha auf den Basar zu begleiten, war ihnen klar gewesen auf was sie sich da einließen: Der Schutz der Ehefrau ihres obersten Herrn war nicht nur eine große Ehre, es war vor allem eine Verpflichtung. Denn sollte der Scheicha auch nur ein Haar gekrümmt werden, würden sie es bitterlich bereuen. Dass ihr Herr Rayan nie halbe Sachen machte, war hinreichend bekannt – dass er jedoch im Hinblick auf die Sicherheit seiner geliebten Gattin hochsensibel reagierte, war wie Öl ins Feuer gießen.

Als der großräumige Geländewagen das Zentrum erreichte, nickten sich die Krieger nochmals entschlossen zu, dann sprangen alle aus dem Auto und halfen den Frauen beim Aussteigen.

Carina hatte ihre Begleiter angesichts der vielen kleinen Geschäfte bald vergessen. Für sie waren die Krieger zur Gewohnheit geworden, jedoch empfanden die meisten anderen Passanten die drei Männer als furchteinflößend. Es dauerte eine Weile bis sie ein gutes Arrangement gefunden hatten, das beide Seiten zufriedenstellte: den richtigen Abstand, um weiterhin die Sicherheit zu gewährleisten, aber nicht sofort durch zu große Nähe alle Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen.

„Schau mal Fatima! Was für tolle Lampen“, begeisterte sich Carina und eilte in einen kleinen Laden hinein. Wenig später hielt sie das handgefertigte Prachtstück hoch. Es gelang ihr geschickt, dabei zu verhindern, dass Zahir auf ihrem Arm mit seinen neugierigen Babyfingern ebenfalls nach dem kostbaren Glas tatschte. Fatima lachte und beide Frauen begannen, über einen geeigneten Platz im Herrenhaus von Zarifa zu diskutieren.

Der Verkäufer nannte ihnen angesichts ihrer Begeisterung zuvorkommend einen Preis, den es gleich selbstverständlich noch ausführlich zu verhandeln galt. Das war es, was Carina vermisst hatte: Man kannte sie nicht und sie konnte nach Herzenslust das orientalische Flair genießen. Noch dazu, wo sie endlich der Sprache so gut mächtig war, dass ihr niemand mehr ein X für ein U vormachen konnte. Sie freute sich darauf, gleich ihr ganzes Verhandlungsgeschick unter Beweis zu stellen – falls dieses nicht eingerostet war, konnte sich der Händler schon jetzt auf ein hartes Feilschen gefasst machen.

Plötzlich wurde Carina durch die altbekannten Klänge der deutschen Sprache abgelenkt. Sie sah sich neugierig um und entdeckte hinter sich einen jungen Mann, der mit seiner Freundin eine ebensolche Lampe in der Hand hielt, wie sie selbst. Die Scheicha konnte es kaum glauben, aber die beiden unterhielten sich tatsächlich auf Deutsch! Angesichts der wenigen Touristen, die sich nach Alessia zu verirren pflegten, war dies wirklich ein schöner Zufall. Die Scheicha konnte nicht anders. Sie lauschte gespannt dem Gespräch. Es ging um den Preis des Kunststücks. Offenbar hatte der Händler den beiden Touristen einen viel zu hohen Betrag genannt. Die Summe war so unverschämt, dass Carina sich ärgerte. Natürlich sollten die Händler ihren Verdienst erhalten. Und ebenso klar war, dass hier das Feilschen zum Geschäft gehörte. Doch gab sich der Verkäufer so aggressiv und unnachgiebig, dass dies für den Geschmack der Scheicha nichts mehr mit ordentlichem, orientalischem Geschäftsgebaren zu tun hatte.

„Sie sollten sich nicht einschüchtern lassen“, ermunterte sie die beiden jungen Leute auf Deutsch. „Wenn er sich nicht auf ein Gegenangebot einlässt, stellen sie die Lampe zurück und verlassen das Geschäft. Er darf ihnen gar kein Geld abnehmen, nur weil sie die Lampe in die Hand genommen haben.“

Das Pärchen war sichtlich erfreut und auch ein wenig erleichtert, so unvermittelt eine andere Deutsche zu treffen, die ihnen noch dazu beratend zur Seite stand. Sie wechselten einige Worte. Dann nahmen die beiden Touristen einen erneuten Anlauf in Bezug auf die Preisverhandlungen mit dem Verkäufer. Diesem blieb aufgrund Carinas wertvollen Tipps schließlich nichts anderes übrig, als sichtlich wütend die Lampe schließlich zu einem vernünftigen Preis herauszugeben. Die beiden, die, wie sie Carina erzählt hatten, aus Stuttgart stammten, bedankten sich noch einmal bei ihr und verließen dann zufrieden mit ihrem Einkauf das Geschäft.

Lächelnd sah die Scheicha einen Moment lang hinter den beiden her, dann wandte sie sich ihrerseits wieder dem Verkäufer zu. Dessen Mine war so finster geworden, dass Carina ahnte, dass der Handel alles andere als unbeschwert werden würde. Sie seufzte und öffnete den Mund, um etwas Beschwichtigendes zu sagen, doch in diesem Moment riss der Mann ihr die Lampe wutentbrannt aus der Hand. „Du verlässt auf der Stelle mein Geschäft! Dir verkaufe ich hier nichts mehr.“ Carina starrte den Händler mit offenem Mund an – was war bloß in ihn gefahren? Ging es hier nur um ihre Intervention bei den Verhandlungen mit den Deutschen? Offenbar! Aber wie hätte sie ahnen sollen, dass der Verkäufer ein derart unsportlicher Verlierer war? Immerhin hatte er trotzdem noch einen Gewinn an der Lampe gemacht. „Was fällt Ihnen ein!“, ereiferte sich Fatima in diesem Moment. „Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie sprechen?“, fügte sie hinzu.

Doch Carina sagte nur: „Schon gut, Fatima“, und wandte sich zum Gehen. Sie fürchtete ein Eingreifen ihrer Begleiter und wollte keine Szene. Doch sie kam gerade einmal dazu, sich umzudrehen, da standen schon wie aus dem Boden gewachsen die tarmanischen Krieger neben ihr. Alle drei.

„Gibt es ein Problem, Scheicha?“, fragte der Anführer laut genug, um sicherzugehen, dass der Ladenbesitzer jedes Wort verstand. Dabei verneigte er sich leicht in Carinas Richtung während er seine Hand respektvoll auf seine Brust legte.

Der Händler sah eher erstaunt denn verängstigt von den Kriegern zu Carina und wieder zurück. Er war unsicher geworden. „Scheicha?“, wiederholte er vorsichtig.

Diesen Moment ließ Fatima sich nicht nehmen, die sich bereits vorher über das harsche Verhalten des Verkäufers geärgert hatte. „Aber natürlich!“, sagte sie triumphierend. „Habe ich es Ihnen nicht gesagt, dass Sie darauf achten sollen, mit wem sie sprechen?“, fügte sie hinzu. Und bevor Carina es verhindern konnte, ergänzte sie noch: „Das hier ist die Gattin von seiner Hoheit Rayan Ibn Sedat Suekran al Medina y Nayran – dem Herrn über Zarifa!“

Es hätte Carina angesichts des triumphierenden Gesichtsausdrucks ihrer Begleiterin nicht gewundert, wenn Fatima als nächstes noch die Zunge herausgestreckt hätte, doch zum Glück beherrschte sich das Kindermädchen.

Nun war der Händler blass geworden. Ganz offenbar war ihm der Name ein Begriff – und sein Ruf eilte Rayan wieder einmal voraus. Weiß wie eine Wand verneigte er sich nun vor Carina. „Es tut mir sehr leid, werte Scheicha, wenn ich euch gekränkt haben sollte …“

Das hörten die drei Tarmanen und kamen noch einen bedrohlichen Schritt näher. Carina war überdeutlich klar, warum: Allein die Andeutung, dass eine Kränkung vorliegen könnte, würde die Krieger zum Handeln zwingen. Verlegen versicherte Carina schnell, dass alles bestens sei. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was die Tarmanen mit dem Mann tun würden.

Sichtlich erleichtert und mit zitternden Händen überreichte der Händler Carina die Lampe zusammen mit einer tiefen Verbeugung: „Wenn ich Euch dieses kleine Präsent überreichen darf? Es ist mir eine Ehre, dass Ihr meinen kleinen Laden besucht habt …“

Im Grunde war der Deutschen jegliche Lust am Einkaufen und vor allem an diesem vermaledeiten Schmuckstück vergangen – handgefertigt oder nicht, es war diese Aufregung definitiv nicht wert! Am liebsten hätte sie dem arroganten Ladenbesitzer gesagt, er solle zum Teufel gehen und seine Lampe mitnehmen, doch das traute sie sich nicht. Es wäre ein Zeichen für ihre Krieger gewesen, dass sie doch beleidigt worden war. Was im Grunde auch stimmte, denn ohne das rechtzeitige Auftauchen ihrer Begleiter hätte der Mann sie aus dem Laden gejagt wie einen Dieb!

Doch Carina riss sich zusammen und rang sich ein Lächeln ab.

„Gerne nehme ich Ihr Geschenk an. Vielen Dank“, sie nahm die Lampe, reichte sie mit einem mahnenden Blick, sich weitere spitze Bemerkungen zu sparen, an Fatima und verließ das Geschäft.

Draußen hielt sie einen Moment lang inne und hielt ihr Gesicht in die Sonne. Die warmen Strahlen beruhigten sie. Einer der Krieger warf dem Händler vor Verlassen des Ladens noch einen finsteren Blick zu, der deutlich sagte: „Glück gehabt, mein Freund – beim nächsten Mal kommst du nicht so glimpflich davon!“

Der Verkäufer sah ihnen noch einige Momente lang nach und erst nachdem er sicher war, dass niemand es sich anders überlegte und womöglich noch zurückkäme, atmete er erleichtert auf. Genau wie Carina hatte auch er eine recht gute Vorstellung, was die drei Krieger mit ihm angestellt hätten, und es lief ihm kalt den Rücken herunter.

Rayan - Der Einsame Falke

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