Читать книгу Rayan - Der Einsame Falke - Indira Jackson - Страница 21
23. Mai 2016 – Oase von Zarifa – Die veränderte Situation
ОглавлениеKurz bevor die acht unterschiedlichen Männer den kleinen Palmenhain inmitten der Oase von Zarifa leise verlassen konnten, explodierte Rayan so unvermittelt in Marvins Klammergriff, dass dieser keine Chance hatte, sein Opfer weiter festzuhalten. Es kam dem Scheich zugute, dass sich der Amerikaner angesichts der am Feuer sitzenden Tarmanen entspannt hatte, die dort scheinbar völlig ahnungslos miteinander sprachen und scherzten.
Das Bild, das sich ihnen darbot, wirkte in der Tat so vollkommen natürlich und friedlich, dass auch noch der letzte Zweifel von Marvin abgefallen war, dass man ihn in eine Falle führen könnte. Er hätte wohl besser weiterhin auf seinen Instinkt vertraut! Es war den Tarmanen meisterlich gelungen, auch noch den letzten skeptischen Gedanken auszuräumen. Außerdem war es hilfreich, dass Marvin keine Ahnung von der intensiven Kampfausbildung haben konnte, die Rayan in der Spezialeinheit der amerikanischen Armee genossen hatte. Insofern glaubte er, einen weit unterlegenen Gegner in seinen Fängen zu haben. Eine Fehleinschätzung, die er nur allzu bald revidieren musste.
Also sprengte Rayan relativ mühelos den Griff des Söldners. Das große und überaus scharfe Kampfmesser des Amerikaners ritzte trotzdem gefährlich nahe an der Schlagader Rayans Haut auf, doch er Scheich spürte in diesem Moment weder Schmerz, noch fühlte er das Blut an seinem Hals herabrinnen. Er riss sich los, während im gleichen Moment seine Rechte mit einer derartigen Geschwindigkeit nach oben schnellte, dass der Amerikaner mit einem verwunderten Gesichtsausdruck zu Boden sank, weil die Faust des Scheichs mit voller Wucht auf seinen Unterkiefer traf und ihn ins Land der Träume schickte.
Eine Sekunde lang überlegte Rayan, ob er vielleicht zu fest zugeschlagen hatte. Es wäre eine Schande, wenn der Schlag den Amerikaner getötet hätte. So einen schnellen Tod hätte dieser nicht verdient. Dann vergaß er für den Moment Marvin und sondierte stattdessen die Lage.
Der Scheich konnte zufrieden sein. Seine Männer hatten mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerkes die Eindringlinge ins Visier genommen, sodass keiner von ihnen eine Chance auf Flucht oder Gegenwehr hatte. Gut abgestimmt hatten sie sich lautlos darauf geeinigt, wer welche Person überwältigen würde und so sahen sie zeitgleich die grellroten Laserpunkte der Zielvorrichtungen diverser hochmoderner Gewehre auf sich gerichtet, sodass die meisten so überrumpelt waren, dass sie sich ohne zu zögern ergaben. Lediglich einer der Amerikaner fuhr trotz der Bedrohung herum und versuchte mit dem Mut der Verzweiflung entgegen aller Chancen sein Heil in der Flucht. Er kam nicht einmal einen Meter weit. Nihats Klinge drang tief in seinen Körper ein und tötete ihn unmittelbar. Gespenstisch lautlos sank er zu Boden. Der Mann hatte die Zusammenhänge aufgrund seiner Erfahrungen bei anderen Einsätzen in der Region korrekt eingeschätzt: dass sie im Grunde ohnehin dem Tod geweiht waren. Er hatte es bevorzugt, zumindest einen Versuch zu wagen und damit wenigstens in gewisser Weise sein Ende selbst bestimmen zu können.
„Gut gemacht, Nihat!“, lobte Rayan zufrieden und begrüßte seinen Reiterführer mit einer kurzen Umarmung. „Kümmert euch um sie. Ich will, dass sie durchsucht und ihre Taschen geleert werden. Bei diesen Cowboys dürfen wir kein Risiko eingehen!“, befahl er dann.
Da es langsam hell wurde, sah er aus den Augenwinkeln, wie Mathéo ihn mit verschreckten Augen musterte. Der sogenannte Gelehrte schien nicht so richtig zu verstehen, was gerade passiert war. Er hatte offenbar keinerlei Kampferfahrung und war daher mit der veränderten Situation restlos überfordert.
Rayan wartete nicht ab, als zwei seiner Männer den bewusstlosen Marvin in die Nähe des Feuers schleppten, wo sie ihm sämtliche Waffen und andere Gegenstände aus den Taschen entfernten.
Auch die anderen Gefangenen wurden an die gleiche Stelle getrieben, akribisch durchsucht, aller Waffen und sonstiger Besitztümer entledigt, auf die Knie gezwungen und an Händen und Füssen gefesselt. Der Scheich wusste, dass er nun die Lage Nihat und den Männern überlassen konnte. Er vertraute seinem Reiterführer blind und ging daher ohne sich weiter umzusehen in das Zelt, das man schon für ihn vorbereitet hatte.