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23. Mai 2016 – Oase von Zarifa – Gespenstisch lautlos

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Jassim wusste nicht genau, was sein Herr Rayan mit ihren Stammesbrüdern abgesprochen hatte, denn sie hatten keine Chance mehr gehabt, direkt miteinander zu kommunizieren, seitdem sie sich im Innenhof in Rabea Akbar getrennt hatten. Aber er ahnte, dass ein Eingreifen der tarmanischen Krieger nicht mehr lange auf sich würde warten lassen. Phasenweise hatte er das Schauspielen sogar genossen – die meiste Zeit war er in den letzten Tagen jedoch extrem besorgt gewesen. Wie machte ein stolzer Mann wie der Anführer der Tarmanen es nur, dass er die Misshandlungen durch einen Ehrlosen wie Marvin ertragen konnte? Das Beispiel von Rayan vor Augen, setzte Jassim alles daran, seinem Herrn zumindest durch eine perfekte Vorstellung zu unterstützen.

Jetzt grübelte er darüber nach, ob er sich vielleicht in seiner Rolle zu sehr hatte hinreißen lassen? Was war in ihn gefahren? Er hatte seinen Herrn geschlagen! Jassim ließ sich die Szene noch einmal voller Verwunderung durch den Kopf gehen. Wie sollte er nach diesem derben Schlag vor den Anführer der Tarmanen hintreten und so tun als wäre nichts gewesen? Andererseits hatte er dadurch Marvins Misstrauen erfolgreich zerstreut. Rückblickend konnte Jassim damit zufrieden sein. Er hatte erreicht, was er wollte. Doch würde Rayan das auch so sehen? Jassim glaubte seinen Herrn gut genug zu kennen, dass dieser ihm nichts nachtragen würde, doch ein Restzweifel blieb. Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als sich um sie herum auf einmal der Wüstenboden zu bewegen schien. Marvin, Rayan und die anderen sechs Männer waren vielleicht seit einer halben Stunde im Dunkel der noch verbleibenden Nacht verschwunden, als eintrat, was Jassim schon vermutet hatte: Der Sand kam gespenstisch lautlos rund um sie herum in Bewegung und schnell war auch dem letzten der nun umzingelten Männer klar, dass sie keine Chance hatten. Ohne dass ein einziger Schuss abgefeuert worden war, wurden die Söldner entwaffnet, und auch die Wüstenbewohner übergaben ihre Gewehre und Messer an grimmig dreinblickende Tarmanen. Die gesamte Aktion war in wenigen Minuten über die Bühne gegangen. Jassims anfängliche Angst, dass es den Amerikanern gelingen könnte, ihre Kumpane in der Oase irgendwie zu warnen – zur Not durch Schüsse – war unnötig gewesen. Offenbar kannten die Söldner genug Geschichten über die Tarmanen, dass ihnen klar war, dass diese Krieger keinen Spaß verstanden und ihnen ohne mit der Wimper zu zucken die Kehle durchschneiden würden.

Der tarmanische Krieger, der den Angriff geleitet hatte, band Jassim erleichtert los und erzählte ihm, dass sie schon eine ganze Weile jede Bewegung der Fremden beobachtet und genau überwacht hatten. Jassim war nicht ganz klar, woher Rayan gewusst hatte, dass die Tarmanen exakt hier an dieser Stelle unter ihren Decken perfekt getarnt im Sand auf sie gewartet hatten, sodass er sie für das Nachtlager hierher gelotst hatte. Die ganze Befreiung war fast zu gut gelaufen. Aber der Leibwächter vermutete, dass der Scheich wie üblich seine manchmal fast unheimliche Intuition genutzt hatte. Zudem hatte er natürlich gewusst, wonach er Ausschau halten musste. Also lag es auf der Hand, dass er die sanften Hügel aus Sand, unter denen sich seine Männer geduldig verbargen, richtig interpretiert hatte.

Auf jeden Fall waren sie erfolgreich gewesen: Jassim war befreit, die Fremden entwaffnet und gefesselt, und obendrein war niemand verletzt worden. Der Leibwächter wollte nun so schnell wie möglich zu Rayan, um sich zu überzeugen, ob auch für seinen Herrn alles gut gelaufen war.

Also vereinbarte er mit dem Anführer des Angriffstrupps, dass diese die Gefangenen im Auge behalten würden – dann eilte er los in Richtung der Oase. Sein Herz klopfte etwas schneller, wenn er daran dachte, was ihn dort erwarten würde: war sein Herr unverletzt? Und vor allem: was würde dieser zu den Schlägen sagen, die Jassim ihm verabreicht hatte? Je länger der Leibwächter darüber nachdachte, desto mehr kam ihm zu Bewusstsein, dass eines ihrer Gesetze besagte, dass es absolut tabu war, den Scheich ohne sein ausdrückliches Einverständnis überhaupt zu berühren. Jeglicher Verstoß war schon mit hohen Strafen, wie zum Beispiel dem Verlust der Hand, belegt. Jegliche aggressive Handlung wurde sogar mit der Höchststrafe geahndet: dem Tod. Jassim war klar, dass ein brutaler Schlag ins Gesicht diese Strafe durchaus rechtfertigte.

Rayan - Der Einsame Falke

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