Читать книгу Affenknacker für Wiederholungstäter - Iris Fritzsche - Страница 16
9.3.2002 Das „Bullentor“
ОглавлениеNach einer ausgesprochen ruhigen Nacht, ohne Mücken und Moskitonetze, hatte die verrückte Elli den Einfall im Atlantik baden gehen zu wollen. Der Strand befand sich nur etwa 100 Meter vom Haus entfernt, war aber sehr steinig. Und dann befand sich im Strandbereich noch so eine merkwürdige ockerfarbene verschmolzene und völlig undefinierbare Masse. Darin eingeschlossen entdeckten wir Räder, Metall- und Glasteile sowie Tangstücke. Es sah aus, als wäre dieser Bereich übergroßer Hitze von schätzungsweise 800 °C ausgesetzt gewesen. Andererseits hätte man dann Räder und andere Teile nicht mehr klar identifizieren können. Sehr seltsam das Ganze! Das Zeug lag in einem Strandabschnitt von wenigen hundert Metern Länge. Weiter hinten war nichts dergleichen zu sehen. Niemand konnte uns sagen, um was es sich dabei handelt. Auch unsere Wirtin hatte keine Erklärung. Da wir es nicht herausfinden konnten, beließen wir es dabei und wendeten uns angenehmeren Dingen zu. Leider hatten wir in Swakopmund nur eine Nacht gebucht, mussten also nach dem Frühstück weiter. Es ging weiter in südlicher Richtung.
Zuerst nach Walvis Bay. Dieser Ort liegt nur etwa 30 Kilometer entfernt von Swakopmund. Obwohl es nur ein kleiner Ort ist, befindet sich dort der einzige Großhafen Namibias.
Geografisch gesehen, liegt Walvis Bay in einem Teil des Kuiseb-Deltas. Doch der Fluss bringt nur selten Wasser bis hier ans Meer. Da die Wüste bis an den Ozean heran reicht, versickert das Flusswasser bereits auf dem Weg durch die Wüste im Sand. Doch unser Interesse galt weder der Wüste noch dem Kuiseb-Fluss, sondern Vertretern der hiesigen Tierwelt. Dort soll sich eine riesige Flamingo-Kolonie befinden. Die wollten wir uns gern ansehen. Mit Hilfe einer Stadtkarte von Walfishbay fanden wir den als Flamingo-Kolonie eingezeichneten Ort auch sehr schnell. Doch welche Enttäuschung, keine Flamingos zu sehen. Erst als Elli zum Fernglas griff, entdeckte sie in der Ferne im Schilf einige weiße Flecken, die sich als Vogelgruppe herausstellten. Siehe da, es waren die Gesuchten. Ganz schön raffiniert von den Schreiberlingen der Bücher diesen Ort als Flamingo-Kolonie zu bezeichnen. Wenn man die Tiere direkt sehen wollte, so musste man mit einem Boot hinausfahren. Gut für Einkünfte! Wir jedoch betrachteten die Kolonie nur aus der Ferne, da das nur als Zwischenhalt geplant war und wir weiter mussten. Unser Ziel war Büllsport, das Tor zur Namib, wie es auch genannt wurde. Direkt hinter Walvis Bay begann ja die Wüste. Die Teerstraße, die aus der Stadt herausgeführt hatte, endete nach etwa 10 Kilometern in Höhe des Flughafens. Von dort aus war es nur noch Schotterstraße.
Diese Wüste ist ein faszinierendes Nichts. Der Blick reicht bis zu einem nicht schätzbar fernen Horizont. Und doch ist die Wüste nicht flach wie eine Tischplatte. Es ist ein ständiges wellenförmiges auf und ab. Dazwischen, in den Tälern, sammelt sich der lose feine Sand, kaum ein Baum oder Strauch der dem Auge Abwechslung bietet. Die Luft flirrt von Hitze. Die Außentemperatur hat gewiss schon die 50 °C-Marke erreicht. Glücklicherweise haben wir ein klimatisiertes Auto und bemerken nur wenig von der Temperatur. Auf den Dünenkämmen sind lange zerklüftete Steinwälle, die sich durch ihre dunklere Färbung deutlich vom helleren Wüstensand unterscheiden. Unser Auto rollt voran auf einer Straße, die nur durch ihre steinerne Abgrenzung und größere Festigkeit vom umliegenden Wüstensand zu unterscheiden ist. Das ist also die Hauptverbindungsstraße zwischen der Küste und der fernen Hauptstadt. Weit vor uns tauchen allmählich die Berge schwarz aus dem Sandmeer hervor. In diesen liegt unser Ziel, die Büllsport Guest Farm. Mehrmals narrt uns das Auge, indem es uns vorgaukelt, wir würden bereits nahe an den Bergen sein. Doch das Entfernungsschätzen ist trügerisch. Als wir uns dann endlich wirklich den Bergen nähern, fällt uns ein immer deutlicher werdender grüner Schimmer am Boden auf. In der Wüste scheint frischer grüner Rasen eingesät worden zu sein. An den Stellen, wo alte Flussläufe erkennbar sind, sieht man deutliche grüne Grasinseln mit längeren Halmen. Vereinzelt tauchen Bäume auf. Wir haben das Ende der Wüste am Fuße der Naukluf-Berge erreicht. Aber auch die Berge haben es ganz schön in sich. Die großen tief erodierten Täler boten zwar einen imposanten Anblick, aber auch ihre Tücken. Von den Straßenrändern her hatten sich Ausspülungsrisse, Erosionsstellen und waschbrettartige Rillen eingegraben. Hier mussten wir sehr langsam fahren, um nicht Schäden am Auto zu fabrizieren oder gar steckenzubleiben. Der Lichtwechsel zwischen Sonnenschein und Wolkenschatten bietet ein optisch tolles Bild, verhüllt aber auch manche gefährliche Stelle. Doch nicht alle konnten diese Berge als so friedlich und einfach nur schön erleben. Es gab eine Zeit, die noch nicht all zu lange zurück liegt, als sich hier Menschen versteckten, um dem Krieg zu entfliehen. Darüber wurde sogar ein Buch geschrieben. Es heißt: „Und wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste.“ Die Handlung dieses Buches wurde nach einer wahren Begebenheit aufgeschrieben und spielt genau hier, in diesem Gebirge. Willi wünscht sich dieses Buch schon seit einiger Zeit. Bis jetzt habe ich es aber noch nirgendwo entdecken können. Hoffentlich bekomme ich es noch.
Nach einiger Zeit verdunkelte sich plötzlich der Himmel und ein gewaltiger Regenguss prasselte auf uns herab. Unsere Scheibenwischer hatten schwer zu tun. Nach dem Regen zogen wir beim Fahren zwar keine Staubwolke mehr hinter uns her, dafür wurde der Untergrund leicht schmierig, was auch nicht so toll war.
Nach dem wir eine Hochebene durchquert hatten, folgte wieder ein gebirgiger Abschnitt. Laut Karte heißt der Abschnitt Kuiseb Pass. In Wirklichkeit ist es aber eher ein Canyon. Das Gestein besteht aus Damaraschiefer und weichem Kalkstein, wie ich nachgelesen habe. Deshalb hat sich der Fluss hier auch tief eingeschnitten. In diesen tiefen Einschnitt mussten wir nun hineinfahren. Die Straße ist sehr steil, gewunden und vor allem sehr steinig. Im Talgrund angekommen, mussten wir über eine Brücke. Dort sahen wir, welch heftige Auswirkungen eine tags zuvor niedergegangene Flutwelle angerichtet hatte. Riesige Baumstämme, Äste und Steinbrocken hatten sich am Talboden ineinander verkeilt. Das Schwemmholz staute sich an der Brücke, die den Fluss überspannte, und musste umfahren werden. Von den Straßenbauarbeitern war gerade so viel weggeräumt worden, dass man die Brücke vorsichtig passieren konnte. Wir zwängten uns vorsichtig an den bis zu einem Meter dicken Stämmen vorbei, nur um uns auf der anderen Seite der Schlucht wieder aufwärts zu kämpfen. Irgendwann später überquerten wir dann noch den Gaub Pass, der aber dieses Mal ein echter Pass war. Außer ein paar Waschbrettern hatte er nichts zu bieten, was uns noch erschüttert hätte. Endlich tauchte das Ende der Berge und damit unser Ziel, die Büllsport Guest Farm auf. Nach fast sechs Stunden Fahrt waren wir angekommen. Der Hausherr namens Herr Sauber begrüßte uns persönlich. Zum Abendessen lernten wir dann auch alle anderen Gäste des Hauses kennen. Insgesamt waren wir zwölf Personen, die gemeinsam speisten. Und natürlich hatte auch jeder ein paar Reiseerlebnisse zur Unterhaltung beizutragen. Im Gegenzug übersetzte uns Herr Sauber den Ortsnamen Büllsport. Es heißt einfach Bullentor. Der Ursprung des Namens ist durch Handel und Geschichte bedingt. Hier an dieser Stelle, wo die Felsen eng zusammenrücken und nur ein Spalt für die Straße frei bleibt, wurden früher die Viehherden in Richtung Norden getrieben. Es gab so etwas wie eine Raststation zum Ausruhen für die Tiere und die Menschen. Heute findet kein Viehtrieb mehr statt. Geblieben ist aber der Name Bülls = Bullen/Rinder und Port = Ort/Tor.