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a) Personalauswahl

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Bis 2012 war für die Benennung des Insolvenzverwalters ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig. Folglich konnte allein der Insolvenzrichter entscheiden, welche Person bei großen Unternehmensinsolvenzen zu einem „gewissen Reichtum“ gelangt (vgl. § 63 InsO). Dass die Insolvenzverwaltung ein finanziell interessantes Berufsfeld ist, verdeutlichen die Verdienstmöglichkeiten bei Großinsolvenzen. So betrug die Vergütung des Insolvenzverwalters bei Lehmann Brothers 80 Mio. € und bei Schlecker 15 Mio. €. Allerdings muss davon ein umfangreicher Mitarbeiterstab bezahlt werden und es müssen im Gegenzug auch weniger lukrative Kleininsolvenzen übernommen werden. Die einzelnen Vergütungstatbestände sind in der gem. § 65 InsO erlassenen Vergütungsverordnung (InsVV) näher geregelt. Der Verwalter bekommt seine Vergütung nicht vom Staat, sondern aus der Masse.

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Die Anforderungen an den vorläufigen Verwalter werden in § 56 InsO beschrieben, auf den § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InsO verweist. § 56 Abs. 1 S. 1 InsO verlangt, dass es sich um eine natürliche Person handelt, die geschäftskundig und unabhängig von den Beteiligten ist. Kanzleien (juristische Personen oder Personengesellschaften) können daher nicht zum Verwalter bestellt werden.[31] Geschäftskunde erfordert solide betriebswirtschaftliche und (insolvenz-)rechtliche Kenntnisse sowie praktische Erfahrungen.[32] Das Erfordernis der Unabhängigkeit soll die nötige Distanz zum Schuldner sowie zu den Gläubigern gewährleisten. Sie ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kandidat vom Schuldner oder einem Gläubiger vorgeschlagen wird (§ 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 InsO). Auch eine allgemeine Beratung zum Ablauf und den Folgen einer Insolvenz belässt dem Verwalter die Unabhängigkeit (§ 56 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 InsO). Zum Wackelkandidaten wird er aber dann, wenn er den Schuldner in der Krise beratend begleitet hat (als Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt).

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Da die Auswahlentscheidung bei Unternehmensinsolvenzen äußerst schnell getroffen werden muss (innerhalb von Stunden), kommt eine Stellenausschreibung schon aus Zeitgründen nicht in Betracht. Dennoch gibt es einen „Auswahltopf“. Die Insolvenzgerichte führen über die zur Amtsübernahme bereiten Personen sog. Vorauswahl-Listen. Die Listen müssen nach Vorgabe des BVerfG für neue geeignete Bewerber offen sein (kein closed shop). Zudem muss das Gericht konkrete (transparente) Kriterien für die Feststellung der Eignung festlegen, um die Chancengleichheit der Bewerber zu gewährleisten.[33] In der Praxis sind die Kriterien durchaus unterschiedlich. Manche Gerichte bestellen vornehmlich Rechtsanwälte,[34] wobei zum Teil der Erwerb des Fachanwaltstitels für Insolvenzrecht, eine Zertifizierung der Kanzlei sowie eine gewisse Ortsnähe erwartet wird. 2014 gab es bereits 1525 Fachanwälte/Fachanwältinnen für Insolvenzrecht.[35] Andere Gerichte beauftragen auch Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater oder Sanierungsberater als Insolvenzverwalter.[36] Im Ergebnis bleibt es den 182 Insolvenzgerichten in Deutschland überlassen, ihre jeweiligen Qualitätsanforderungen individuell festzulegen (weites Auswahlermessen).[37] Wer nicht auf die Liste kommt, kann das gerichtlich überprüfen lassen (§ 23 EGGVG).[38] Dagegen ist die Bestellung einer bestimmten Person zum Verwalter unanfechtbar (§ 6 InsO). Insbesondere gibt es keinen Anspruch auf Beststellung „des Besten“ (keine Konkurrentenklage wie im Beamtenrecht). Daher wird ein erstmals bestellter Verwalter das Beste tun, um die Gutachtenaufträge und Wünsche des Gerichts nach Sachstandsberichten schnellstmöglich zu erfüllen. Nur dann besteht für ihn die Chance, weiterhin lukrative Verfahren zu erhalten.

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Bei der Personalauswahl hat letztendlich die Gläubigerversammlung das letzte Wort. Sie kann in der ersten Gläubigerversammlung (§ 57 S. 1 InsO) den vom Gericht eingesetzten Verwalter wieder abwählen und einen ihr genehmen Verwalter bestimmen. Da in diesem besonderen Fall allerdings für die Beschlussfassung eine Summen- und Kopfmehrheit erforderlich ist (§ 57 S. 2 InsO), hat dieses Ereignis in der Praxis Seltenheitswert. In 99 % der Verfahren wird der vorläufige Insolvenzverwalter daher zum (endgültigen) Insolvenzverwalter.

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An dieser Stelle spielt der vorläufige Gläubigerausschuss eine große Rolle.

Das ESUG 2012 hat die Personalhoheit der Gerichte in Bezug auf die Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters erstmalig eingeschränkt! Existiert ein vorläufiger Gläubigerausschuss (§§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a, 22a InsO), ist dieser zwingend an der Personalauswahl zu beteiligen (näher Rn. 210). Nach § 56a Abs. 1 InsO muss er zu den Anforderungen und zur Person des vorläufigen Insolvenzverwalters angehört werden. Ein Clou ist in § 56a Abs. 2 InsO enthalten. Schlägt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig eine bestimmte Person als Verwalter vor, muss das Gericht diesen bestellen, es sei denn, er ist ungeeignet. Damit haben es die Mitglieder des Gläubigerausschusses in der Hand, die Person in Stellung zu bringen, die aus ihrer Sicht das Insolvenzverfahren am besten (für sie) managt. Das ist auch das erklärte Ziel dieser ESUG-Neuerung. Den Gläubigern soll frühzeitig mehr Einfluss auf das Verfahren eingeräumt werden.[39] Manchen Gerichten ist diese Neuregelung suspekt. Da die Gerichte über die Zusammensetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses entscheiden, werden teils Gegenstrategien entwickelt. So kann durch die Aufnahme „kritischer Gläubiger“ die Einstimmigkeit verhindert werden. Zudem gibt es kein Rechtsmittel, wenn der vorgeschlagene Insolvenzverwalter nicht bestellt wird (in § 56a InsO ist die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde extra nicht aufgenommen worden).[40] Im Fall des Schutzschirmverfahrens (§ 270b InsO) ist die Bestimmung des Verwalters den Insolvenzgerichten vollends entzogen; hier entscheidet allein der Schuldner (§ 270b Abs. 2 S. 2 InsO), wer ihn im Verfahren begleitet.

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