Читать книгу Insolvenzrecht - Irmgard Gleußner - Страница 153
4. Internationale Zuständigkeit
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Die Konkurrenz der Rechtsordnungen in der EU ist gerade im Insolvenzrecht ein großes Thema.
Innerhalb der EU ist auch das deutsche Insolvenzrecht einem gewissen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. So bietet England Verbrauchern eine Restschuldbefreiung bereits nach einem Jahr mit dem Nebeneffekt, dass die Vermittlung englischer Wohngemeinschaften zum Geschäftsmodell avanciert ist. Aber auch für Unternehmen gewährt das englische Insolvenz- bzw. Sanierungsrecht (scheme of arrangement) einige Vorteile. Der Netzbetreiber Telecolombus und der Brillenhersteller Rodenstock haben genau aus diesem Grund ihren Sitz nach England verlegt. Ist aufgrund eines Umzugs fraglich, welches europäische Gericht (deutsches oder englisches etc.) für die Insolvenz zuständig ist, hilft ein Blick in die EuInsVO (gilt für die 28 Mitgliedstaaten der EU). Nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO sind die Gerichte des Mitgliedsstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner seinen COMI (centre of main interests) hat. Nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO gilt die Vermutung, dass dies der Ort ist, wo sich der satzungsmäßige Sitz befindet. Bei nicht aufklärbaren Zweifeln bleibt es bei diesem Ort.[39] Das Gericht des satzungsmäßigen Sitzes darf daher von seiner internationalen Zuständigkeit ausgehen, solange sich aus dem Vortrag des Schuldners nichts anderes ergibt; Ermittlungen „ins Blaue hinein“ verlangt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 InsO) nicht.[40] Die Eröffnung des Verfahrens in dem Mitgliedstaat hat dann universale Wirkung, da sie sich auch auf das EU-Auslandsvermögen des Unternehmens erstreckt (= Hauptinsolvenzverfahren).[41] Existiert eine Zweigniederlassung in einem anderen EU-Mitgliedstaat, darf dort ein Sekundärinsolvenzverfahren (beschränkt auf das dortige Vermögen) eröffnet werden.[42] Bejahen mehrere Mitgliedstaaten ihre internationale Zuständigkeit zur Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens, ist das zeitlich erste Gericht zuständig; alle später eröffneten Verfahren sind Sekundärinsolvenzverfahren (Art. 3 Abs. 3 EuInsVO mit Art. 102 § 3 EGInsO).[43] Derzeit ist eine Reform der EuInsVO in Arbeit.