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1. Teil Einleitung › G. Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen

G. Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen

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Die Insolvenz einer Gesellschaft (OHG, KG, GbR, GmbH, PartG, AG, UG, SE, KGaA, eG, GmbH & Co. KG etc.) führt stets zu deren Auflösung. Diese Folge ist in allen gesellschaftsrechtlichen Gesetzen und für jede Rechtsform normiert (z.B. § 60 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 1 GmbHG; näher Rn. 247). Demzufolge sind die Anteilseigner (Gesellschafter, Aktionäre, Genossen, Mitglieder) sowie die Leitungsorgane (Geschäftsführer, Vorstände) ebenfalls Leidtragende einer Insolvenz. Folge der Auflösung ist, dass die Gesellschaft nun der (insolvenzrechtlichen) Liquidation unterliegt. Bis zur vollständigen Abwicklung existiert die Gesellschaft weiter und ist rechts- und parteifähig. Die Gesellschaftsorgane von Kapitalgesellschaften bleiben während des Insolvenzverfahrens (Regelverfahren) im Amt. Ihre Funktionen sinken aber Richtung null. Sie dürfen sich lediglich im sog. insolvenzneutralen Bereich betätigen (gespaltene Zuständigkeit).[1] Das Gesellschaftsrecht wird nun vom Insolvenzrecht überlagert. Mehr Möglichkeiten für den Rechtsträger bietet das Insolvenzplanverfahren. Hier kann die Fortführung der Gesellschaft beschlossen werden (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 GmbHG).

1. Teil EinleitungG. Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen › I. Leitungsorgane (Geschäftsführer, Vorstände)

I. Leitungsorgane (Geschäftsführer, Vorstände)

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Während des Insolvenzverfahrens übt der Insolvenzverwalter die Leitungsmacht im Unternehmen aus (§ 80 Abs. 1 InsO). Die Leitungsorgane (Vorstand, Geschäftsführer) sind entmachtet. Die gesetzlichen Vertretungsregelungen (§§ 35 GmbHG, 78 AktG) sind „storniert“.[2] Ein kleiner Verantwortungsbereich bleibt immerhin bestehen. So dürfen die Geschäftsführer (Vorstände) noch Gesellschafterversammlungen (Hauptversammlungen) einberufen und sich um das insolvenzfreie Vermögen (freigegebene Gegenstände oder Prozesse) kümmern (hierzu Rn. 242 ff., 252). Nach § 11 WpHG (§ 35 BörsG) bleibt der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft für die Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen (öffentlich-rechtlichen) Pflichten (WpHG, BörsG etc.) zuständig.[3] Die Entscheidung, ob ein Leitungsorgan gehen muss, trifft nicht der Insolvenzverwalter. Für die Abberufung des Geschäftsführers (Vorstands) bleibt die Gesellschafterversammlung (der Aufsichtsrat) zuständig.[4] Hier geht es um den Kernbereich, das Amt. Die Kündigung des zugrunde liegenden Anstellungsvertrags, der dem Geschäftsführer (Vorstand) das Gehalt garantiert, ist dagegen dem Insolvenzverwalter vorbehalten. Er kann den Dienstvertrag ordentlich oder außerordentlich kündigen, da er in die Arbeitgeberstellung einrückt (§ 80 Abs. 1 InsO).[5] Dies wird er regelmäßig tun, um die Masse nicht mit hohen Gehaltszahlungen zu belasten. Für die Leitungsorgane bedeutet die Insolvenz im Ergebnis das Ende von Macht und Reichtum.

Ausgangsfall

Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma MyTV GmbH eröffnet, müssen sich die Geschäftsführer Simon und Tanja im Klaren sein, dass ihnen die Rechtsmacht (§ 35 GmbHG) sofort genommen wird. Sie können weder das operative Geschäft betreuen, noch Mitarbeiter entlassen noch einen Cent vom Geschäftskonto abheben. Stattdessen sind sie dem Insolvenzverwalter auskunftspflichtig (§§ 97, 101 InsO) und müssen sich für Fragen bereithalten. Ihren Job (ihr Einkommen) sind sie nach Kündigung ihres Anstellungsvertrags durch den Insolvenzverwalter dann auch noch los.

1. Teil EinleitungG. Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen › II. Gesellschafterversammlung, Hauptversammlung und Aufsichtsrat

II. Gesellschafterversammlung, Hauptversammlung und Aufsichtsrat

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Während des Insolvenzverfahrens bleibt die Gesellschafterversammlung bei der GmbH (Hauptversammlung bei der AG) zwar weiterhin als Organ bestehen, sie ist aber nur noch im (kleinen) insolvenzneutralen Bereich zuständig. Sämtliche Weisungsbefugnisse, Kontrollfunktionen und Zustimmungserfordernisse der Gesellschafter bzw. des Aufsichtsrats (z.B. § 111 AktG) sind aufgehoben. Ausgeschlossen ist jede Einflussnahme auf die Handlungen des Insolvenzverwalters, insbesondere bei der Verwertung der Masse.[6] Über eine Änderung der Firma oder ein Delisting[7] entscheidet allein der Insolvenzverwalter. Für die Fragen, ob der Betrieb weitergeführt oder an wen der Betrieb verkauft wird, ist die Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung (nicht der Gesellschafterversammlung) einzuholen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Der Machtbereich der Gesellschafterversammlung ist auf wenige „symbolische“ Maßnahmen beschränkt. So können alte Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder oder Aufsichtsratsmitglieder abberufen und neue bestellt werden.[8] Die Anteilseigner können noch Änderungen der Satzung (§§ 53 GmbHG, 179 AktG) beschließen. Ist das Insolvenzverfahren abgeschlossen (weil alles verwertet ist), verlieren die Gesellschafter des insolventen Rechtsträgers vollends ihre Rechtspositionen. Die Gesellschaft wird wegen Vermögenslosigkeit aus dem (Handels-)Register gelöscht (§ 394 FamFG). Das bedeutet den endgültigen Verlust der Vermögens- und Mitgliedschaftsrechte. Etwas besser sieht es für Gesellschafter im Insolvenzplanverfahren aus (näher Rn. 439 ff.).

Ausgangsfall

Die Durchführung des Insolvenzverfahrens markiert das Ende der Gesellschafterstellung von Maria, Simon und Tanja. Mit Abschluss des Verfahrens wird die MyTV GmbH aus dem Handelsregister gelöscht (§ 394 FamFG). Der 1964 gegründete Rechtsträger ist dann Geschichte.

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