Читать книгу Gabe & Fluch - Isabella Maria Kern - Страница 10

Der väterliche Chef

Оглавление

Sabina knallte meine Bürotür zu. Ich hörte ihre Absätze hart auf dem Parkettboden auftreten, was mich bei jedem „Klack-Klack“ zusammenzucken ließ. Ich verstand ihre Wut und ich wusste es zu schätzen, dass sie sich Sorgen um mich machte, wo sie doch instinktiv spürte, dass ich mich von ihr abwandte. Ich musste versuchen, den Schaden, den ich mit meiner Flucht aus ihrem Leben anrichten würde, in Grenzen zu halten. Wie schlecht würde ich sie behandeln müssen, damit sie froh wäre, wenn ich aus ihrem Leben verschwinden würde, fragte ich mich.

Es tat weh.

Ich wollte meine beste Freundin weder verletzen, noch verlieren. Ich musste einfach Zeit gewinnen. „Frau Schreiber, haben Sie über mein Angebot nachgedacht?“, säuselte mein Chef, indem er den Kopf bei meiner Tür hereinsteckte und mich durch seine dicke, unmoderne Brille lächelnd ansah. Ich schüttelte langsam den Kopf, denn ich musste mich zuerst wieder fassen, dachte ich doch, Sabina wäre zurückgekommen, um mit mir zu sprechen. „Bitte geben Sie mir noch ein paar Tage Bedenkzeit. Ich war so überrascht über Ihr Angebot, dass ich mich erst an den Gedanken gewöhnen muss“, sagte ich etwas zaghaft, räusperte mich und schluckte den „Frosch“ hinunter, der mir in der Kehle saß. Eigentlich störte mich mein Chef beim Weinen, denn ich war gerade im Begriff mich in Selbstmitleid zu suhlen und meinen Tränen freien Lauf zu lassen. „Solange Sie wollen. Ich werde auf Sie warten“, flötete er, als wäre er mein Bräutigam und wartete hoheitsvoll auf das „Ja-Wort“ seiner Braut. Unwillkürlich musste ich lächeln, denn ich fand ihn rührend, meinen – ach, so väterlichen - Chef. Irgendwie fühlte ich mich meiner Tränen beraubt, denn weinen konnte ich nun vergessen. Er hatte mich auf völlig andere Gedanken gebracht.

Ich schweifte ab in die Vergangenheit. Mein Gehirn versuchte Bruchstücke der Erinnerung an meinen Vater zu rekonstruieren, die sich aber nicht fassen ließen und mir nach schemenhaften Darstellungen wieder entglitten. Er war nie da, er trank und spielte. Erst als ich erwachsen war verstand ich, dass er mit seinem Leben und einer Tochter überfordert war, die bis zum zehnten Lebensjahr kein Wort sprach. Meine Mutter hatte ich nie kennengelernt - angeblich bei der Geburt verstorben. Ich zweifelte jahrelang an dieser Botschaft an ein kleines Mädchen, dass sich nichts sehnlicher wünschte als eine Familie. Die Jahre nach dem Tod meines Vaters sind mir nur ganz verschwommen in Erinnerung. Man gab gut acht auf mich, man erzog mich, man lehrte mich zu arbeiten. Man war froh, als ich mein Leben selbst in die Hand nahm und aus dem Heim auszog.

Gabe & Fluch

Подняться наверх