Читать книгу Gabe & Fluch - Isabella Maria Kern - Страница 14

Transcorporation

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Es war kein Kunststück Melanies Vertrauen zu gewinnen. In einer kleinen, fast menschenleeren Bar plauderten wir über viele Dinge, wobei bei meinem Teil der Geschichte nur das mit der Arbeit stimmte. Meine Vergangenheit war die, die meiner Fantasie entsprungen war. Mein Traumbruder lebte mit meinen Traumeltern am Rande der Stadt und wir sahen uns fast jedes Traumwochenende bei einem Traumessen in unserem Traumhaus. Wobei die Traumhochzeit meines Traumbruders vor der Tür stand, damit ich auch noch meine Traumnichten mein Eigen nennen konnte. Und da gab es auch noch meine Traumgroßmutter Amalia, an die ich wahrhaftig öfter dachte.

Ein Segen oder ein Fluch?

Meine Gedanken an Amalia waren meist nicht wohlgesinnt. Sie hatte mir den Weg zu einer Gabe gebahnt, die ich nicht im Traum haben wollte.

Es war kein Segen – es war ein Fluch!

Melanie warf den Kopf in den Nacken und lachte herzhaft. „Du bist mir eine, Augustine!“, prustete sie über meine erfundene lustige Geschichte über meinen Traumbruder. Ich musste auch lachen, denn mir gefiel diese Anekdote, die ich schon des Öfteren erzählt hatte. „Ich bringe dich jetzt nach Hause“, sagte ich, ohne eine Alternative in den Raum zu stellen. Melanie nickte dankbar, was ich auch erwartet hatte. „Ich habe schon wieder viel zu viel getrunken“, lallte sie fröhlich und hackte sich an meinen Arm unter. „Ziemlich“, bestätigte ich und hielt Ausschau nach einem Taxi. „Lass uns zu Fuß die Weiten der Stadt erkoren“, rief sie theatralisch und zog mich in eine andere Richtung. „Na komm schon, ich wohne nah an diesem Ort, drum lass uns gehen von hier fort“, sagte sie und brach in schallendes Gelächter aus. Ich musste einstimmen, denn sie war wahrhaftig eine „Süße“.

Wenngleich ich merkte, dass ich sie wirklich gernhatte, überkam mich dieser seltsame Zwang ihren Körper zu besitzen – nur einmal! Ich hatte keine Ahnung wohin mich das führen würde, welchen Leuten ich begegnen und was ich aus der restlichen Nacht machen würde. Ich spürte nur dieses Verlangen, das sich schmerzhaft durch meine Brust zog und dem ich unbedingt Einhalt gebieten musste, ehe es mich zerstörte. Ich ging schneller und zog Melanie fast etwas grob am Arm neben mir her. Meine Schläfen pochten wie wild, Schweiß stand auf meiner Stirn. Am liebsten hätte ich ihr auf offener Straße die Schuhe ausgezogen und wäre hineingeschlüpft, nur um diesem Gefühl zu entfliehen. Ich merkte wie meine Hände zu zittern begannen.

„Geht es dir nicht gut?“, fragte Melanie und schaute mich mit ihren unschuldigen, großen Augen an. Ich atmete tief durch. „Ich bin nur ein wenig müde“, entgegnete ich und versuchte sie anzulächeln. „Du brauchst mich doch nicht begleiten, ich komme schon allein zurecht, bin schon ein großes Mädchen“, spaßte Melanie und blieb abrupt stehen. Nur das nicht!, schoss es mir durch den Kopf. Ich hatte das Falsche gesagt. Ich wollte nicht nach Hause. Ich wollte ihre Schuhe!

„Kommt gar nicht in Frage! Ich werde doch meine neue Freundin nicht in finsterer Nacht ohne Schutz nach Hause eilen lassen!“, versuchte ich ebenfalls theatralisch witzig zu rezitieren. „Na gut!“, seufzte Melanie und ging wieder weiter. Ich wischte mit dem Ärmel über meine schweißige Stirn. „Wir sind da“, sagte Melanie kurze Zeit später und schloss eine alte, hölzerne Haustüre auf. Sie quietschte etwas, als sie sie aufschob.

„Kommst du noch schnell mit hinauf?“, flötete Melanie und lächelte mich an. Schnell verwarf ich meine einstudierten Sätze, die ich mir überlegt hatte, im Falle, dass sie mich vor der Haustüre verabschiedet hätte. „Gerne“, sagte ich und schlüpfte durch den offenen Spalt. Meine Lust, weitere für mich sinnlose Kommunikation zu machen, war gänzlich verschwunden. Ich sah nur mehr ihre Schuhe, ihren Körper, ihre zarten Hände.

Ich wollte das. Alles!

Im zweiten Stock schloss sie leise ihre Wohnungstüre auf und kicherte. Nachdem sie die Tür hinter uns geschlossen hatte, wandte sie sich in Richtung Wohnzimmer, aber bevor sie mich einladen konnte, mich zu setzen beeilte ich mich zu fragen:

„Darf ich deine Schuhe anprobieren?“

Melanie schlüpfte sofort heraus und machte eine einladende Geste. „Bitte sehr! Freundinnen leihen sich immer gegenseitig Schuhe!“ Der erste passte wie angegossen und ehe ich in den zweiten Schuh schlüpfte sagte ich gehässig:

„Tja, aber wir sind nun mal keine Freundinnen!“

Ich sah gerade noch ihren fragenden, traurigen Blick, ehe sie auf den Boden glitt und vor meinen Augen verschwand. Ich zuckte, meine Haut brannte, mein Kopf schien zu zerplatzen. Einen Bruchteil einer Sekunde wurde mir schwarz vor den Augen, dann war es totenstill. Ich blickte an mir herab und atmete geräuschvoll aus. Ich straffte die Schultern und spürte wieder diesen Hass in mir. Diesen Drang, irgendetwas mit diesem Körper zu machen, was dessen Besitzer nie tun würde. Ich hatte es eilig. Es war bereits nach Mitternacht. Ich musste Pamela finden!

Und diesem Luder würde ich es zeigen!

Gabe & Fluch

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