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Antônio hatte inzwischen etliche Dinge für Reizho abgeholt und Päckchen und Pakete von ihm zu verschiedenen Leuten gebracht. Er hatte sich bewährt. Eines Tages sagte sein Dono zu ihm: »Ab heute wirst du etwas Anderes machen. Geh‘ zu Vovô, er wird dir alles zeigen und erklären. Damit kannst du mehr Geld verdienen.« Antônio nickte und ging zu Vovô.

Der hieß so, weil er schon in jungem Alter so viele Falten und so wenig Haare hatte, dass er an einen Großvater erinnerte. Seine ledernen Gesichtszüge ähnelten denen eines alten Mannes. Er war derjenige, der das Geld von den Boca de Fumos - den Crackhäusern, wie sie später einmal genannt werden sollten - einsammelte. Dort ging - zusätzlich zu dem Geld, das durch den Verkauf von Drogen kam - das Geld von Dealern ein, die die Laufkundschaft am Rande der Rocinha versorgten. Hier bezogen sie auch ihren Nachschub.

Eine Neuerung Reizhos. Seine Vorgänger hatten nicht gewollt, dass fremde Leute in ihr Gebiet eindrangen, also hatten sie es verboten. Nur Bewohner sollten sich ungehindert durch die Gassen und Wege des Hügels bewegen können. Drogen durften nur an den bestimmten Stellen gehandelt und bei bestimmten Personen bezogen werden. Damit entging ihnen jedoch viel Geld. Die Menschen wollten Drogen, aber sie wollten beim Kauf nicht sterben - was leicht passieren konnte, wenn sie sich in das gefährliche Gebiet der Favela wagten. Also besorgten sie sich ihr Dope woanders.

Deshalb hatte Reizho unabhängigen Drogenhändler erlaubt, an den Grenzen auf eigene Gefahr mit Drogen zu handeln. Als Gegenleistung mussten sie die Ware bei ihm beziehen und ihm einen Teil als Provision bezahlen. Eine Art Mehrwertsteuer. So hatte er den Umsatz beträchtlich gesteigert.

Vovô war dafür verantwortlich, dass alles Geld der Drogenverkäufe zum Dono kam. Da ein Mann ausgefallen war, hatte er Reizho gebeten, ihn jemanden zu schicken. Sein Boss fand, dass Antônio der Richtige dafür wäre.

Jeden Abend machten Vovô und Euclides, der der Buchhalter und Zahlmeister war, eine Abrechnung darüber, wie viele Drogen an die Dealer verteilt worden und was an Geld hereingekommen war. Euclides wurde so genannt, da er sechs Jahre die Schule besucht hatte und gut rechnen konnte.

Vovô erklärte Antônio, was er zu tun hatte und machte mit ihm die Runde, die er später betreuen würde. Damit er dafür nicht selbst geradestehen musste, wenn etwas fehlte, sollte er immer genau vermerken, wer ihm wie viel Geld gab. Die Drogen wurden von Anderen ausgegeben, die Euclides eine Liste gaben, wer wie viel bekommen hatte. Jeden Abend wurde abgerechnet.

Nun hatte Antônio einen neuen Job und den machte er gut. Alles lief wir geschmiert und es gab keine Probleme, bis er eines Tages seine Runde fast beendet hatte. Er wollte gerade zu seiner letzten Station gehen, bog um eine Ecke, als ein älterer, größerer Junge mit einem Messer in der Hand vor ihm stand und ihn bedrohte.

»Gib mir das Geld«, knurrte dieser Antônio an.

»Du bist dumm! Das würde ich an deiner Stelle nicht machen!«, warnte Antônio.

»Halt‘s Maul und gib mir die Kohle, sonst stirbst du!«, zischte der Junge zurück.

»Wie du willst«, sagte Sohn Tiagos ruhig und zog die Plastiktüte mit dem Geld aus seiner Hose.

»Leg‘ es da auf den Boden!«, bestimmte der Andere.

Antônio tat wie befohlen und ging zwei Schritte zurück. Als der Dieb abgelenkt war und die Tüte greifen wollte, zog der Sohn Tiagos seine Knarre. Er hatte den Umgang mit Waffen von Mozart gelernt und war fast ebenso geschickt wie dieser.

»Mann, bist du blöd«, sagte Antônio abfällig und zielte auf den Räuber. Obwohl der die Knarre sah, wollte er trotzdem auf ihn losgehen.

»Bleib‘ stehen oder du blutest.«

Der Angreifer ging trotz der Warnung noch einen Schritt weiter. Antônio schoss ihm ins Bein. Aufschreiend ließ der Dieb sein Messer fallen und hielt sich seinen Oberschenkel, während er mit der anderen Hand immer noch die Plastiktüte festhielt. Er hatte nicht gedacht, dass sein kindliches Gegenüber abdrücken würde.

Falsch gedacht!

In dem Moment, als er das Messer fallen ließ, war Antônio zu ihm gesprungen, hatte ausgeholt und dem Typen mit aller Wucht eins mit der Pistole übergezogen. Der Räuber jaulte nochmals auf, krümmte sich zusammen, wimmerte und hielt sich nun auch den Kopf. Als er den Anderen so sah, durchfuhr den Sohn Tiagos eine Welle aus nie gekannter Wut und Hass.

»Du Wichser wolltest mich überfallen?!! Dir werde ich helfen!!«, brüllte er ihn an und schlug wie ein Besessener mit dem Knauf seiner Waffe auf diesen ein. All seine aufgestauten Gefühle ließ er an dem Dieb aus. Der rollte sich wie ein Igel ein und schrie um Hilfe.

In dem Moment kamen auch schon Leute, die den Schuss und das Geschrei gehört hatten. Darunter waren auch drei von Reizhos Leuten. Als sie Antônio erkannten, sagten sie den Anderen, sie sollten sich schleichen, hier würde es nichts zu sehen geben. Dann zogen sie Tiagos Sohn von dem Typen herunter, wobei dieser, immer noch in Rage, wild um sich schlug. Sie konnten ihn kaum zu dritt bändigen, obwohl er noch ein Kind war und sie ausgewachsene Männer.

»Ganz ruhig, wir tun dir nix! Beruhige dich, Antônio! Ich bin’s João«, sagte der Größte der drei bedacht.

»Der Pisser wollte mich überfallen!!!«, schrie Antônio sie an. Als er sich ein wenig beruhigt hatte, fauchte er wütend: »Nehmt ihn mit zum Dono!«, und hob die Tüte mit dem Geld auf.

Die Männer packten den Angreifer und schleiften ihn zu Reizho. Lobend meinte João zu Antônio: »Mann, du hast Kraft wie ein Esel, obwohl du ein Zwerg bist«, und grinste ihn an.

Doch der Sohn Tiagos antwortete nicht.

Er rang mit seinen Gefühlen.

Er war noch nie so von Sinnen gewesen.

Das erschreckte ihn.

Das erschreckte ihn sehr

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