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Antônio hatte es so satt. Egal, wohin er sah, er sah Verelendung, Schmutz und Tod. Bettelnde, drogensüchtige Straßenkinder. Umherkriechende, abhängige Krüppel. Abnormal stinkende Abgase, die aus den Müllbergen krochen und die Luft verpesteten. Daneben Kinder, die mit Dreck spielten. Wie oft hatte er solche Kinder zur Sozialstation gebracht? Doch je mehr er auflas, desto mehr wurden es - so schien es ihm. Es war frustrierend. Wenn er eine Welle auf Seite räumte, kam eine noch größere. Als ob sie nur darauf gewartet hätte, dass sie über den freigeräumten Platz stürzen konnte - noch größer, mit noch mehr Wucht.

Die Häuser sahen teilweise aus, als wären die Wände mit Scheiße verkleistert. Alles stank. Ein abgestandener Urin-Atem, streifte durch die Gassen. Und alles dampfte und waberte in der grellen Sonne. Wie ein warmer Schatten, der einen bis in die Träume verfolgte. Eine schimmlige Luft lag über der Favela, wie ein Pesthauch, der jedoch nicht sofort tötete, sondern die Menschen dahin vegetieren und langsam, ganz langsam krepieren ließ. Sie zersetzte. Es war eine breiige Orgie des Unglücks.

Manche Politiker sagten, man sollte eine gewaltige Bombe reinschmeißen und dann alles neu aufbauen.

Es musste ein wahnsinniger Gott sein, der zuließ, dass es so einen Flecken auf der Erde gab. Doch wenn man sich ausdachte, dass es allein in Rio Hunderte von Favelas gab, schien dieser Gott massiv gestört zu sein.

Unendlich wahnsinnig.

Oder ein Gott, der ein Junkie war und alles verkommen ließ.

Vielleicht war er pervers und ihm gefiel das alles. Die Favelas waren die Endhaltestelle der Verzweiflung.

Ein Garten des Irrsinns.

Die letzte Haltestelle vor dem Tod.

Wenn man durch die verworrenen Gassen lief, sah man überall, wenn man hinter die Fassade der Leichtigkeit der Bewohner schaute, eine stille, schwarze Ohnmacht. Es war wie ein sterbendes Herz, das seine letzten Tropfen Blut durch die Adern pumpte.

Alles war am Absterben.

Dieses Absterben dauerte schon Jahrzehnte.

Antônios größter Wunsch war es, das Ganze zu ändern. Aber mit Leuten wie Reizho, die das Sagen hatten, konnte man das vergessen. Der Dono sorgte zwar für Recht und Ordnung. Das musste er auch, da er das Gewaltmonopol in der Favela hatte. Darüber hinaus tat er jedoch nicht sehr viel. Er ließ Partys steigen und tat mal hier und mal dort etwas Gutes. Doch das war nur, um seinen Status zu halten und zu verteidigen. Richtige Hilfe leistete er nicht. Wie alle anderen versuchte er, Geld zu machen und presste aus den Bewohner heraus, was er herauspressen konnte. Antônio half, so gut er konnte, aber in seiner Position konnte er wenig erreichen. Obwohl er schon aufgestiegen war, war er immer noch einer unter vielen: Er sammelte das Geld von Dealern ein, die, zusätzlich zu den Boca de Fumos, die Fremden nicht zugänglich waren, an einigen festen Plätzen am Rande der Favela an Laufkundschaft verkauften.

Er musste sich damit begnügen, nur kleine Dinge verändern zu können. Geld für Projekte der Sozialstation zu sammeln und zu spenden. Projekte zu initiieren. Spielsachen zu kaufen. Nachbarschaftsprojekte zu begleiten und zu unterstützen, wenn er die Zeit dafür fand. Doch er hatte immer weniger Zeit für solche Dinge, denn sein Dono beschäftigte ihn immer mehr. Er schickte ihn kreuz und quer durch die Favela. Antônio sollte dahin gehen und etwas holen. Hatte er das erledigt, sollte er zum anderen Ende der Rocinha und etwas anderes holen. Manchmal schaffte er es kaum, seine Runde bei den Dealern zu drehen, obwohl er seine 50er teilweise bis zum Anschlag ausreizte und wie eine Wildsau durch die Gassen preschte.

Dies sagte er Reizho. Die Antwort war klar und deutlich: »Wenn du das nicht schaffst, dann kannst du ja Dope verticken. Da brauche ich immer jemanden. Wenn du nicht so viel Mist nebenbei machen würdest, hättest du auch mehr Zeit. Du mit deinem Samariterscheiß.« Seitdem sein Dono mitbekommen hatte, dass er in der Sozialstation mithalf, hatte er ihm immer mehr Jobs gegeben.

Diese Fotze.

Diese hinterhältige Fotze. Das war Reizhos Art, Leute fertig zu machen. Er ergötzte sich daran, seine kleinen miesen Spielchen zu spielen und seine Macht zu demonstrieren.

Dieser Topf Scheiße.

Aber dafür würde er noch zahlen.

Für jede kleine Gemeinheit würde er

Teuer bezahlen

Tödlicher Samba

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