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7. Kapitel

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William deLacey berührte beiläufig mit den Fingern seine Lippen, um zu verdecken, daß sein Mund sich gerade in unkontrollierbarer Freude verzerrte. Wie viele Männer würden ihr halbes Vermögen dafür ausgeben, um dort zu sein, wo er sich gerade befand und Dinge hörte, die nur den engsten Vertrauten des Throns von England zuteil wurden.

Das Zimmer war klein und, wie John es verlangt hatte, sehr abgeschieden. Erhellt wurde es nur von einer einzigen armdicken Kerze, die auf dem Tisch stand, und dem schwächer werdenden Tageslicht, das durch das schmale Fenster hineinfiel. Sie waren allein, nicht einmal ein Bediensteter war bei ihnen. Prinz John hatte den Earl entlassen, damit dieser sich um seine Gäste kümmern konnte. Jetzt wünschte er mit dem höchststehenden Amtsinhaber seiner Grafschaft die Verwaltungsgeschäfte Nottinghamshires zu besprechen.

John erklärte, er sei gekommen, weil er wollte, daß der mordende Bauernbastard vor seinen Augen gehängt werde. Schließlich hatte der Bauer vier Männer des Prinzen ermordet; er hielt es für klug, dem Volk zu demonstrieren, wieviel ihm seine Männer bedeuteten. Es ging nicht an, die Landbevölkerung glauben zu lassen, sie könnte ungestraft töten.

Diesmal handelte es sich um einen einfachen Landarbeiter, irgendeinen englischen Kerl – Will irgendwas, oder? –, der vier Normannen, die in Johns Diensten standen, umgebracht hatte.

John wechselte das Thema. Er ging zu einem ausschweifenden, nuschelnden Vortrag über, wie seine Pläne nicht nur für Nottinghamshire, sondern für ganz England aussahen.

Vor und während des Treffens hatte der Count von Mortain unzählige Becher Wein zu sich genommen, und nun büßte er dafür, obgleich er es nicht zu bereuen schien. Seine Augen, die den Sheriff über den Tisch hinweg angestrengt ansahen, waren blutunterlaufen und schlitzförmig, seine Pupillen erweitert.

»Habt Ihr Bastards?« fragte er.

DeLacey zögerte einen Moment. »Natürlich, Mylord.«

John nickte. »Wie ich auch. Wie wir alle – außer Mylord Löwenherz.« Er kicherte. »Löwenherz. Mit den Hoden eines Kapauns.«

DeLacey wartete. Das war das beste. John zu bekräftigen, könnte seinen Argwohn erregen oder seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge lenken.

»Mit den Hoden eines Kapauns«, murmelte John. Dann sagte er deutlicher: »Keine Bastards. Keine Geliebten. Er vergnügte sich mit Küchenjungen

DeLacey hielt seine Zunge im Zaum.

John richtete sich etwas auf, wobei seine Schultern immer noch eine schräge Linie bildeten. »Wißt Ihr, was das heißt?«

Das zumindest konnte deLacey beantworten, und zudem korrekt. »Das heißt, daß der Thron von England in Gefahr ist, Mylord.«

»Nein.« Das kam barsch. John beugte sich vor und umklammerte die Armstützen. »Nein, das heißt es nicht. Ich bin Erbe, Sheriff – es herrscht keine Gefahr, solange ich als Nachfolger zur Verfügung stehe.«

Nicht die korrekte Antwort. DeLacey bezweifelte auf der anderen Seite jedoch, daß John ihm die richtige Antwort anerkannt hätte, da Lackland es vorzog, die Schwächen anderer hervorzuheben, um sich dadurch selbst zu erhöhen. »Natürlich«, murmelte er.

»Natürlich«, echote John verdrießlich. Dann lehnte er sich wieder zurück und knabberte am Daumennagel. Seine dunklen Augen leuchteten im spärlichen Kerzenlicht merkwürdig hell. »Was wollt Ihr, Sheriff?«

DeLacey zögerte nicht mit der Antwort. »Dienen, Mylord.«

Eine dunkle Augenbraue hob sich. »Wirklich?«

»Natürlich, Mylord.«

»Und das ist alles, Sheriff? Wirklich alles? Oder nur die diplomatische Antwort?« Doch John wartete die Antwort nicht ab. Er lehnte sich bedeutungsvoll vor. »Alle Menschen wollen etwas. Das ist kein schlechter Zug, wißt Ihr ... Begehren gebiert Ehrgeiz und Ehrgeiz Edelmänner.« Er lehnte sich in den Stuhl zurück. »Manchmal sogar Könige

Locksley verließ das Gebäude, um wieder atmen zu können. Draußen würde er vielleicht Ruhe und Frieden finden und den Erwartungen, seien es die väterlichen oder andere, entkommen.

Der Frühlingsabend war kühl und außergewöhnlich klar; man konnte die ersten Sterne sehen. Der Mond hing über der Mauer, die mit Zinnen und Schießscharten versehen war. Alles war jetzt aus Stein. Er erinnerte sich noch deutlich daran, wann der Bau begonnen hatte, weil er sich dagegen widersetzt hatte. Damals war seine Mutter noch am Leben gewesen.

Locksley blieb stehen. Er streckte beide Arme aus und preßte seine Finger an die Mauer. Er spürte den kalten, dunklen Stein. Den kalten, unpersönlichen Stein, der seinem Fleisch so fremd war. Seiner Seele fremd war.

So viele Male hatte er gebetet – laß mich wieder heimkehren – alles, was ich will, ist, heimkehren zu dürfen –, und schließlich war er erhört worden. Und nun war er wieder zu Hause. Andere Männer waren es nicht.

Sir Hugh FitzWalter war es nicht.

Ein Zittern durchfuhr ihn. Seine bloßen, schwielenbedeckten Hände krallten sich in die neuen Mauern. In den kalten, dunklen Stein, der sich plötzlich verwandelte

– in einen wärmeren, helleren Stein, der im Licht der Wüstensonne ockergold erstrahlte

Er versuchte, die Erinnerung abzuschütteln, und warf sein volles Haar zurück.

– Jemand rief ein Gebet, während der Krummsäbel im Sonnenlicht aufblitzte und Luft, Fleisch und Knochen zerschnitt. Erst ein Glied, dann zwei; plötzlich hatte der Mann keine Arme mehr

»Nein«, krächzte Locksley. Schweiß rann ihm die Schläfen hinab und durchnäßte sein helles Haar. Er fuhr sich mit den gespreizten Fingern durchs Haar und strich es sich aus dem Gesicht. Schließlich wandte er sich um und lehnte sich, ausdruckslos in die Dunkelheit starrend, an die Mauer. Vor ihm ragte der neue Bergfried auf. »Es ist vorbei«, murmelte er. »Ich bin wieder zu Hause – was will ich mehr?«

Es war mehr, als er erwartet hatte. Und weniger, als er gehofft hatte.

DeLacey saß still auf seinem Stuhl und wagte nicht, eine Bemerkung zu machen. John wollte auf etwas Bestimmtes hinaus. Und da sie sehr rasch von Nottinghamshire abgekommen waren, mußte es etwas anderes sein. Etwas, was John für sehr wichtig hielt. Um Zeit zu gewinnen, hob der Sheriff seinen Becher und nippte daran. Weiß er etwas über mich? Oder will er mich nur auf die Probe stellen?

»Ehrgeiz ist unerläßlich, wenn ein Mann König werden will.« Das war eine Feststellung. Dann stieß John einen verächtlichen Fluch aus und bearbeitete die Armlehne seines Stuhls mit der Faust. »Bemerkt denn niemand, wie sehr ich mich um das Königreich sorge? Wie sehr es mich danach verlangt, England so zu regieren, wie es regiert werden sollte?« Er blickte deLacey durchdringend an. »Ich bin hier, versteht Ihr? Und treibe mich nicht im Heiligen Land herum, um Jerusalem zu erobern!«

DeLacey blieb stumm.

»Wenn mein Vater gewußt hätte, daß Richard sich so schnell und wiederholt außer Landes begeben würde, hätte er mich zu seinem Nachfolger ernannt.«

Es war an der Zeit, ihm etwas zu antworten. »Ganz ohne Zweifel, Mylord.«

John lachte. Die Kerzenflamme knickste und verbeugte sich, wobei sie fast verlosch. »Wie seid Ihr an Euer Amt gekommen, deLacey?«

»Ich wurde berufen, Mylord. Vom König, Eurem Vater.«

»Und?«

Worauf wollte John hinaus? »Und so diente ich ihm, indem ich die Gerichtsbarkeit des Königs ausführte.«

»War da nicht noch etwas?« John hörte auf, an einem Fleck auf seinem teuren Umhang herumzureiben. »Wurdet Ihr nicht Eures Amtes verwiesen?«

Kälte breitete sich in deLaceys Bauch aus. Mit Mühe konnte er verhindern, daß sie sich auf seinem Gesicht spiegelte. »Mylord, das wurde ich.«

John unterzog seine Amtskette einer eingehenden Betrachtung. »Und doch seid Ihr hier.«

»Ich wurde bei der Thronübernahme wiederernannt.«

»Nein.« John lächelte. »Ihr wurdet nicht wiederernannt, Sheriff. Ihr habt Euch das Amt zurückgekauft.«

DeLacey saß unbeweglich da. »Kreuzzüge sind sehr kostspielig, Mylord. Der König brauchte Geld.«

»Und um es zu bekommen, verkaufte er das halbe Königreich.« Die Kette klirrte, als John sie fallen ließ. »Oh, seid nicht beunruhigt, deLacey! – Hunderte von anderen taten dasselbe. Es war der Einfall meines Bruders ... wie Ihr schon sagtet, Kreuzzüge sind kostspielig.« Johns Gesicht wurde tiefrot. »Er übermachte mir dennoch Nottinghamshire, zusammen mit ein paar anderen Grafschaften – großzügig von ihm, nicht? Dem armen jüngsten Bruder eine kleine Abfindung zu geben?«

John hatte sich durch die Heirat mit Isabelle von Gloucester ein Vermögen erworben, und Richard hatte ihm noch etwas dazugegeben: sechs große Grafschaften – Nottinghamshire, Derby, Dorset, Somerset, Devon und Cornwall – und nicht zu vergessen die Ehre von Lancaster. John war kein »Lackland« mehr, nicht mehr »ohne Land«. Wie auch Henry nicht mehr König war.

John grunzte. Sein Blick war klar, trotz des Weines, den er getrunken hatte. »Was wollt Ihr, deLacey?«

In stummer Unterwerfung neigte der Sheriff seinen Kopf. »Euch dienen, Mylord, und Nottinghamshire.«

John schloß die Augen. »Das ist nicht die Antwort, die ich wollte. Aber für den Moment wird es genügen.« Er bedeutete deLacey mit der Hand, sich zu entfernen. »Laßt mich allein, deLacey. Und schickt mir Gilbert de Pisan.«

De Pisan trat ins Zimmer und schloß die Tür hinter sich. »Mylord?«

Er hatte gelernt, daß John, der mehr Wein vertrug als die meisten Männer, oft aus List betrunken tat, um unvorsichtige Bemerkungen aus Verbündeten wie Verfeindeten hervorzulocken. De Pisan war weder das eine noch das andere – er war der Seneschall des Prinzen.

»Nun?« forderte ihn John auf zu berichten. »Was habt Ihr erfahren?«

De Pisan neigte den Kopf. »Der Earl ist weit reicher, als selbst wir vermuteten, Mylord. Diese Burg zu erbauen, hätte jeden anderen Mann an den Bettelstab gebracht.«

John zuckte mit den Schultern. »Er könnte sich alles von den Juden geborgt haben.«

»Die Juden verleihen kaum noch Geld, Mylord.«

Johns dunkle Augenbrauen zogen sich zusammen. »Davon ist noch nichts bis zu mir vorgedrungen.«

»Es geht das Gerücht um, die Juden wollten einen großen Teil des Lösegeldes für den König stellen. Anstatt Geld zu verleihen, sammeln sie es für diesen Zweck.«

John brummelte nachdenklich, dann sah er seinen Kämmerer noch eindringlicher an. »Was noch?«

»Der Earl hält ständig Verbindung mit anderen seines Ranges, Mylord. Die Barone sind unzufrieden.«

»Mit mir? Tatsächlich? Verflucht.« John beugte sich vor und nahm den Weinbecher in die Hand. »Begreifen sie denn nicht, daß ich so gut wie König bin? Könige brauchen Geld..

»Ja, Mylord.«

John trank, dann setzte er den Becher laut auf dem Tisch ab und zog erregt seinen Umhang zurecht. »Noch etwas?«

De Pisan machte eine mißbilligende Geste. »Da ist ein Mann, Mylord – ein Ritter, wenngleich sein Stand gekauft ist. Sir Guy von Gisbourne. Er ist der Seneschall des Sheriffs.« De Pisan lächelte leicht. »Er bat mich äußerst nachdrücklich, daß ich ihn Euch empfehle.«

»Wirklich?« John schürzte die Lippen. »DeLaceys Seneschall ...« Er ließ sich wieder zurücksinken. Ein Lächeln umspielte seinen Mund. »Schickt ihn morgen zu mir.«

Auch drinnen wohnten dunkle Schatten. Befremdet betrachtete Locksley die Festgäste, die gekommen waren, um ihn, seinem Vater zum Gefallen, zu feiern. Er schloß die Augen.

»Robert?«

Mit einem Schlag waren seine Augen offen. Vor ihm stand der Sheriff.

»Vergebt mir, wenn ich störe. Aber es gibt etwas, das wir besprechen sollten.«

Locksley verkrampfte die Schultern. So fängt es an.

William deLacey lächelte. »Ich weiß, Ihr seid gerade erst nach Hause gekommen und braucht ohne Zweifel Zeit, um Euch wieder an ein Leben zu gewöhnen, das Ihr zwei Jahre lang unterbrochen habt ... aber ich persönlich nehme eine Schwierigkeit lieber gleich in Angriff.«

Locksley lächelte nicht. »Der König hätte Euch in Akko brauchen können.«

Das kurze Aufblitzen in deLaceys Augen zeigte Locksley, daß der Pfeil sein Ziel gefunden hatte. »Gewiß, Robert – aber wenn wir alle auf Kreuzzug gefahren wären, was wäre denn dann wohl aus England geworden?«

»Natürlich, Sheriff. Bitte, macht mich mit Eurem Problem vertraut.«

»Offen gesagt, Robert: Meine jüngste Tochter ist unverheiratet.«

Früher einmal hätte er vielleicht gelacht, weil er den plötzlichen Vorstoß des Sheriffs begrüßt hätte. Doch jetzt tat er es nicht. »Und genauso bin ich unverheiratet.«

Der Sheriff lächelte weltmännisch.

Ein anderer Mann hätte vielleicht gezögert, wäre nervös geworden oder hätte es geleugnet. Nicht so William deLacey. »Andere werden ebenfalls vorstellig werden, ihren Stammbaum und ihre Töchter mitbringen. Sicher auch die Mitgift. Aber sie werden erst zum Earl gehen. Ich komme zuerst zu Euch.«

Ein ungewollter Gedanke schlich sich in Locksleys Gehirn. Ich bin so leicht. Zu leicht. Ich habe keinerlei Gewicht. »Ich nahm sie ab«, sagte er laut. »Nein – sie nahmen sie mir ab. Dort, da vorne –« Er hielt inne. Er gebot sich Einhalt. Das Gesicht, das ihn anstarrte, war nicht das eines Ungläubigen. Es gehörte einem Engländer, einem in England eingebürgerten Normannen. Und ich diene diesem normannischen König.

»Ist etwas nicht in Ordnung?«

Ja, entgegnete ihm Locksley stumm. Laut sagte er: »Nein, nein«, aber nicht mehr.

DeLaceys Blick erforschte sein Gesicht. Schließlich neigte er den Kopf. »Wenn Ihr mich bitte entschuldigen wollt, Robert.«

Nachdenklich sah Locksley dem Sheriff hinterher.

Zu leicht. Kein Gewicht. Und dann kam die Erinnerung wieder, die in seinem Gedächtnis vergraben gewesen war.

Sie hatten ihm die Rüstung ausgezogen, auf dem Schlachtfeld, vor seinen Landsmannen. Er hatte sie nie wieder getragen.

Obgleich Richard ihm eine neue angeboten hatte.

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