Читать книгу Herrin der Wälder - Jennifer Roberson - Страница 9

4. Kapitel

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Das Klopfen an der Tür war laut. Marian rührte sich jedoch nicht. Das würde er doch nicht... mein Vater? Würde er das wirklich wollen?

Locksley, der sich von ihr abgewandt hatte, hob den Riegel, dann trat er zur Seite. Die Tür wurde mit resoluter Gewalt aufgestoßen. Der Earl persönlich kam, offenkundig verärgert, ins Zimmer. Sein Gesichtsausdruck blieb drohend, bis sein Blick auf Marian fiel. Augenblicklich verwandelte sich sein Gesicht in eine umgängliche, höfliche Maske. Sie bedeutete ihm nichts, war nur eine namenlose Frau für ihn, aber Pairs enthüllten Angehörigen niedrigeren Ranges gegenüber nichts.

In Anbetracht der Neuigkeiten von Locksley machte sie seine unterschwellige Vermutung wütend, doch sie sagte nichts. Hinter dem Earl stand der Sheriff. Sie würde ihre Gefühle zurückhalten, so wie Huntington.

»Robert«, sagte der Earl sanft, »draußen warten Gäste, die dich gerne sehen würden.«

Auch Locksleys Gesicht war leer wie eine Maske. »Sie haben mich bereits gesehen.«

Der Earl runzelte nur flüchtig die Stirn. Er warf Marian einen Blick zu, um abzuschätzen, wie sie Locksleys Antwort beurteilte, ehe er seinen Sohn väterlich anlächelte. »Ich verstehe, wie es für dich sein muß, wieder die Gesellschaft einer Engländerin zu teilen ... aber du darfst den Zweck des Abends nicht aus den Augen verlieren, Robert. Du kannst dich schwerlich zurückziehen, wenn so viele um deiner Ehre willen gekommen sind.«

Marian betrachtete den Earl genauer. Nichts in seinem Gesicht strafte den Sinn seiner Worte oder die Herzlichkeit seines Tons Lügen, aber sie war trotzdem von seinem mangelnden Verständnis wie vor den Kopf geschlagen. Es war offensichtlich, daß er nur an sich selbst dachte und an seine Pläne für das Fest und nicht an dessen Ehrengast.

»Marian.« Nun ergriff der Sheriff das Wort. »Marian, sicher könnt Ihr mir nicht die Freude eines weiteren Tanzes verwehren.«

Widersinnigerweise amüsierte sie das. Sicher kann ich Eurer Tochter nicht die Chance vermehren, sich Locksley zu angeln. Marian lächelte höflich. »Ich bitte Euch, kein Tanz mehr. Sir Robert brachte mir Neuigkeiten über meinen Vater. Er hielt es für das beste, sie mir unter vier Augen kundzutun; er ist ein überaus verständnisvoller Mann, der Rücksicht auf meine Trauer nimmt. Wenn Ihr mich jetzt bitte entschuldigen wollt –?« So, dachte sie, innerlich schmunzelnd, das sollen sie erst mal verdauen.

Doch ihre Genugtuung verlor sich, denn gerade als sie durch die Tür hinausgleiten wollte, erhob sich draußen Aufruhr. Sie hörte Rufe, eine formelle Verlautbarung – oder war es die Ankündigung eines Gastes? –, und dann schob sich ein Teil der Menge, einander anrempelnd, in den hinteren Teil des großen Saals, während andere am Platz stehenblieben und sich verbeugten oder knicksten.

»Was ist denn jetzt los?« fragte der Earl gereizt, als der Sheriff beiseite trat. »Bei Gott, was bedeutet denn all dieser Lärm –?« Plötzlich blieb er jedoch abrupt stehen und machte eine Verbeugung. »Prinz John!«

Er hatte sie, wußte der Minnesänger. Oder konnte sie haben, falls er sie wollte und falls er es ihr vorschlagen würde. Er war im Lauf der Jahre ein Experte darin geworden, den richtigen Zeitpunkt zu beurteilen – und die Willigkeit der Frau. Diese hier gehörte ihm.

»Schöne Eleanor«, murmelte er und sah als Antwort die Röte in ihrem Gesicht und das Funkeln ihrer dunkelbraunen Augen. Ihre Lippen öffneten und teilten sich. Ihr leichter Überbiß faszinierte ihn. »Schöne Eleanor, meine Liebste – ich werde ein Lied für Euch komponieren.«

Es war ein leichtes bei ihr. Wie bei so vielen Frauen. Ob von niedriger oder hoher Geburt, Frauen waren doch alle gleich. Schenk ihnen ein Lächeln, ein Lied; schon bald hatte man sie im Bett.

Er zupfte auf seiner englischen Laute eine einzelne Note. »Schöne Eleanor«, sagte er leise und warf ihr einen Blick zu, der sie zum Dahinschmelzen bringen sollte. Lächelnd fing er an zu singen.

Der Earl von Huntington legte eine Hand auf Marians Arm und schob sie zur Seite, um Platz für den Ankömmling zu machen: Prinz John, den Count von Mortain und Bruder des Königs.

John, der, wenn er nicht rundweg verflucht wurde, Softsword oder Lackland genannt wurde, betrat torkelnd den Raum. Seine schwere Amtskette und sein mit Edelsteinen besetzter Schmuck klimperten. John hatte dunkle, engstehende Augen, dunkle Haare, schmale Schultern und war von kleinem Wuchs. Sein Gesicht war gerötet, und sein Atem stank nach Wein. Er sprach heiser und undeutlich. »Feiert Ihr etwa ein Fest, ohne mich eingeladen zu haben?«

Es war nicht zu übersehen, daß der Count von Mortain bereits zuviel gebechert hatte. Der Earl, ein einflußreicher Pair, der nur dem König unterstand, war unverkennbar verärgert; aber ebenso unverkennbar wünschte er das nicht zu zeigen. Während er die Tür schloß, stellte er ein höfliches – und diplomatisches – Lächeln zur Schau. »Mylord, ich hörte, Ihr wärt in London.«

»War«, verkündete John, der leicht schwankte, bis er sich einen Ruck gab und aufrecht stand. »Nun bin ich hier. Mit oder ohne Einladung.« Sein glasiger Blick wanderte vom Earl zum Sheriff, den er nur mit einem lässig erhobenen Zeigefinger grüßte – der Sheriff beeilte sich, sofort darauf zu reagieren –, dann blieb er auf Marians Gesicht ruhen. Und erhellte sich merklich. »Huntington – ist dies Eure Tochter

Der Earl schaute sie kaum an. »Nein, Mylord. Ist sie nicht.«

»Aber –« Er fuchtelte unentschlossen mit einer Hand herum, auf der Suche nach der richtigen Antwort. »Doch bestimmt nicht Eure Frau! Oder seid Ihr etwa dazu übergegangen, Kinderwiegen auszurauben?« Sein Lächeln enthüllte die schlechten Zähne. »Sie war des Raubs wert. Nicht wahr?«

Marian hatte das Gefühl, als stünde sie nackt vor dem Prinzen. Ihr wurde erst kalt und dann wieder heiß. Sie wollte nichts lieber, als aus dem Raum zu fliehen oder unauffällig in den dunklen Ecken zu verschwinden.

Huntington lächelte nicht. »Nein, Mylord. Meine Frau ist verstorben.«

John schenkte Marian ein warmes Lächeln und trat näher zu ihr. Es verbesserte seinen Mundgeruch nicht. »Wie heißt Ihr?«

Mach, daß er es vergißt, flehte sie innerlich. Lenk seine Aufmerksamkeit ab – tu etwas, irgend etwas ... laß es bitte nicht weitergehen .. .

Geschmeidig gab der Sheriff Antwort, bevor Marian es hätte tun müssen. »Lady Marian«, sagte er ruhig. »Vom Gut Ravenskeep. Es liegt in der Nähe von Nottingham.«

John starrte ihn eindringlich an. »Da war ich soeben, doch Ihr wart hier. Aber ich könnte zurückkehren. Immerhin gehört es mir ... und die ganzen Abgaben auch.«

Darüber beklagten sich die Armen und viele der Kaufleute dazu. Der Sheriff sagte: »Mylord, Lady Marian erholt sich gerade erst von der Trauer um den Tod ihres Vaters.«

Johns dunkle Augen funkelten. »Er ist tot, ja? Wie starb er denn?«

Er stand nahe bei ihr, zu nahe. Sie konnte seine faulen Zähne riechen, den Geruch nach saurem Wein und schmutziger Kleidung. Sie mochte nicht recht glauben, daß John wirklich der Sohn eines Königs war. Wurden ihnen denn nicht bessere Manieren beigebracht?

Marian räusperte sich und bat innerlich Gott um Mut und Geduld. »Im Kreuzzug, Mylord ... mit Eurem Bruder, dem König.«

John lachte, dann machte er eine ausholende Geste und bekreuzigte sich höhnisch und übertrieben. »Bestimmt wird ihn Gott für seine Frömmigkeit und seinen Dienst belohnen. Und die Trauerzeit ist gerade vorbei, ja?« Er nahm eine ihrer Hände. »Sollen wir keine Zeit mehr verschwenden?«

»Mylord –« Sie fühlte sich hilflos und verängstigt. Er war der Bruder des Königs und hatte große Macht; es war durchaus möglich, daß John sogar unter dem Dach des Earls tun und lassen konnte, was er wollte. »Mylord, wenn es Euch genehm ist, bitte ich Euch darum, mich gehen zu lassen –«

»Was mir genehm wäre, Lady, ist, Euch mit ins Bett zu nehmen.« Er lallte nun weniger stark. »Habt Ihr ein Bett, Huntington? Das frei ist und in dem kein hiesiges Gesindel schläft?«

Marian riß sich los. »Mylord – nein

Im Zimmer wurde es still. John starrte sie aus blutunterlaufenen Augen an. Sein Jähzorn war legendär.

»Mylord, wenn es Euch genehm ist ... ich bin eine anständige, unverheiratete Frau, die gerade die Trauerzeit hinter sich hat –«

»Und ich bin Erbe des Throns von England.« Johns Ton war eisig. Seine dunklen Augen glitzerten, und eine fleckige Röte überzog sein Gesicht. Er wartete auf ihre Antwort.

Die Antwort erfolgte statt dessen von Robert von Locksley, der das erste Mal, seit John das Zimmer betreten hatte, das Wort erhob. »Mylord, ich bat Lady Marian in dieses Zimmer, um ihr Neuigkeiten über ihren Vater mitzuteilen. Ich war bei ihm, als er starb, und ich überbrachte ihr seine letzten Wünsche. Sicher kann ein Mann mit Eurem Feingefühl verstehen, daß eine Frau, die gerade solch betrübliche Nachrichten erfuhr, vielleicht den Wunsch verspürt, ein wenig allein zu sein.« Er machte eine Pause. »Außer der Count liebt Tränen ...?«

John starrte sie wieder an. Etwas von seiner Hitzigkeit war verschwunden. Schließlich war er noch immer betrunken. »Werdet Ihr weinen? Wird es Tränen geben?«

»Ja«, antwortete sie augenblicklich in dem Bewußtsein, daß Männer Tränen verachten.

»Bei Gott«, sagte John schweratmig, »du bist das hübscheste Ding, das mir seit Monaten untergekommen ist.« Er streckte seine schwerberingte Hand nach ihr aus und löste eine Locke aus ihrem schwarzen Haar, dann legte er ihr die andere Hand auf die Brust.

Gedemütigt machte Marian einen Satz vom Sheriff fort. Wenn sie nur an John vorbeikäme, wäre die Tür nicht mehr fern. Sie müßte nur aus dem Raum hinauskommen und in der Menge untertauchen.

Vier Männer starrten sie an. Doch nur in Robert von Locksleys Augen erblickte sie Verständnis und unerwartetes Mitgefühl. Für die anderen war sie Freiwild; John hatte sie dazu gemacht.

»Bei Gott«, flüsterte John. »Es ist genug da für alle von uns.«

Marian verlor endgültig den letzten Rest ihrer Fassung. Scham erfüllte sie. Steif drehte sie sich um, hob den Riegel und stieß die Tür auf. Gerade als John zu protestieren anhob, entfloh sie der überfüllten Kammer.

Sie konnte noch leise die Worte vernehmen, die Locksley mit ruhiger Stimme äußerte: »Mylord, ich war mit Eurem Bruder zusammen. Gibt es etwas, was ich Euch berichten kann?«

Das sagte er um ihretwillen. Und sie segnete ihn dafür.

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