Читать книгу Herrin der Wälder - Jennifer Roberson - Страница 5

Prolog Nottingham Castle Spätes Frühjahr 1194

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Dunkelheit. Stille. Die Schwermut der Einsamkeit. Das waren die Waffen, die sie brechen sollten, die sie dazu bringen sollten, ihre trotzige Haltung aufzugeben und sich zu unterwerfen; die sie dazu treiben sollten, sich zu ergeben und um Gnade, Mitgefühl und Verständnis zu flehen.

Ein Geräusch zerriß die Stille, und Licht verbannte die Dunkelheit. Die schwere Tür öffnete sich und schabte über den Boden. »Marian.«

Sie hätte am liebsten gelacht. Ein sanftes, verführerisches Wispern, doch scharf wie eine Klinge – er war gewohnt, gehört zu werden.

Er trug eine Fackel und wurde nicht von den livrierten Soldaten begleitet; was er von ihr begehrte, wollte er in der Abgeschiedenheit bekommen – oder sich nehmen. Gibt er auf? fragte sie sich. Sucht er vielleicht gar Vergeltung?

Die Fackel verdrängte die Dunkelheit, und die Welt erstand wieder neu.

Mit gegen den Flammenschein zusammengekniffenen Augen setzte sie sich hastig auf, dann zwang sie sich zur Ruhe. Ihre Beine waren, von ihren verdrehten Röcken umschlungen, in die schweren Bettdecken gewickelt.

Sie wußte, was er sah: verfilztes schwarzes Haar, in dem noch Strohhalme aus dem Verlies steckten; ein verschmutztes, zerknittertes Kleid, das nach Pferd und Schweiß und Rauch roch; forsche blaue Augen, die von der Anspannung und dem Schlafmangel rotgerändert waren. Ich weiß sehr gut, was er sieht. Was er wollte, war ebenso offensichtlich, obwohl er es nicht sagen würde. Noch nicht. Sie wußte, er war feinsinnig und deshalb nur um so gefährlicher.

Er hielt die Fackel in die Höhe. Die Flamme loderte in der Dunkelheit und beleuchtete das Zimmer. Einen Moment lang blendete sie das Feuer in dem immerwährenden Tanz, dem gegenseitigen Umwerben von Luft und Flamme. »Marian.«

Er lächelte und entblößte dabei eine Reihe weißer Zähne. Sie ordnete ihre Röcke, um sicherzustellen, daß ihre Beine bedeckt wären. Sie würde sie ihm nicht freiwillig zeigen. Was er von ihr bekäme, müßte er stehlen.

Er kam mit der Fackel auf sie zu. Zum dritten Mal sprach er ihren Namen, als würde er ihn, indem er ihn in seinen Mund nähme, besitzen, und sie mit ihm. Sie versagte sich jedoch, darauf zu reagieren, ihm in irgendeiner Weise zu signalisieren, daß sie sich ergab oder daß sie es auch nur zur Kenntnis genommen hatte. Alles, was sie tat, war, gerade und herausfordernd zurückzustarren und ihm dadurch den Sieg zu verweigern, den er so sehr begehrte.

Sie befand sich nicht mehr im Verlies, wo sie die Gesellschaft von Ratten geteilt hatte, sondern in einem möblierten und edel ausgestatteten Schlafzimmer; er besaß gute Manieren. Ein bemaltes Leinentuch an der Wand minderte die Kälte der Steine. Aber nicht genug. Nicht annähernd genug. Ihr Blut konnte es nicht erwärmen.

»Ihr habt die Wahl«, sagte er. »Ihr habt immer die Wahl gehabt.«

Marian verspürte Lust zu lachen. Langsam und mit natürlicher Grazie streckte sie ihm ihre rechte Hand entgegen. Mit der Handfläche nach unten. Als er überrascht nach ihr langte – in der Annahme, merkte sie, daß sie das gewollt hatte –, drehte sie mit einer schnellen Drehung des Handgelenks die Handfläche nach oben. Augenblicklich zog sich seine Hand zurück; sie wußte, daß er seine Geste bereits bereute.

»Die Wahl«, sagte sie leise, mit ihrer rauchigen, tiefen Stimme.

»Vor dem Abt Buße tun, dann das Gelübde ablegen und Nonne werden – obgleich ich keine wahre Neigung dafür empfinde.«

Er wartete stillschweigend, gespannt. Die Fackel stieß Rauch und Flammen aus.

»Die Wahl«, sagte sie wieder. »Das Gelübde ablegen oder Eure Frau werden, obgleich ich keine wahre Neigung dafür empfinde« – sie lächelte, bevor er etwas sagen konnte –, »oder selbst die Spur eines Verlangens.«

»Was will ich schon mit Verlangen?« Seine Stimme war kühl, verriet nichts. »Ich kann Euch haben, mit oder ohne.«

»Außer der Scheiterhaufen bekommt mich zuerst.«

Er lächelte schwach. »Morgen werdet Ihr wegen Hexerei vor Gericht gestellt. Wir wissen beide, daß Ihr schuldig seid, und ich bezweifle, ob Ihr das überleben werdet.«

Sie wußte sehr gut, daß sie nicht überleben würde, obgleich Schuld nichts damit zu tun hatte. Niemand, Hexe oder nicht, überlebte den Scheiterhaufen.

»Es ist eine Tatsache«, sagte er ruhig. »Legt ein Gelübde ab und geht in ein Kloster, dann wird es keinen Prozeß geben.«

Bitterkeit schlich sich in ihren Ton. »Und meine Ländereien fallen an die Kirche ...«, sie hielt einen Augenblick inne, um nachzudenken, was noch dahinterstecken mochte, »es sei denn, Ihr habt vor, einen Teil davon als Zahlung für das entgegenzunehmen, was Ihr jetzt tut.«

Seine Stimme klang ironisch. »Eine angemessene Mitgift für eine Braut Jesu Christi, finde ich.«

Marian lachte. »Aber das ist es nicht, was Ihr wollt. Das würde Euch nicht gebührend anerkennen, und das könnt Ihr nicht billigen. Nicht William deLacey. Sein Stolz würde das nie zulassen.«

Er verbannte sein angedeutetes Lächeln. »Heiratet mich, dann wird es keinen Prozeß geben.«

Nun war sie es, die ihm ironisch antwortete. »Und Ihr werdet alle meine Ländereien besitzen.«

Seine Augen leuchteten vor stillem Lachen. »Eine angemessene Mitgift für den Sheriff von Nottingham, finde ich.«

Sie sah ihn fest an und behielt ihren ruhigen Tonfall bei. »Und wenn ich kein Gelübde ablege und in den Flammen umkomme, wird keiner von Euch gewinnen. Meine Ländereien werden an den König gehen.«

Er erlaubte sich ein Lächeln. »Euer Vater war Löwenherz treu ergeben. Er starb wegen Richard, wegen Richards heiligem Wahn.«

Er wußte, wie er sie reizen konnte. »Mein Vater würde nie –«

Der Sheriff unterbrach sie. »Aber nun heißt es, daß Richard von seiner Zelle in Heinrichs deutschem Gefängnis nicht heimkehren wird – in welchem Fall sein Bruder John, der jetzige Count of Mortain, den Thron von England besteigen wird.« William deLacey machte eine Pause. »Glaubt Ihr etwa, Euer Vater könnte in Frieden ruhen, wenn seine Ländereien an John fielen?«

Nein, nein und nochmals nein. Verbittert sagte sie: »Nach allen Gesetzen Englands gehören die Ländereien jetzt mir... und es mag mir wert erscheinen, sie John Lackland zu geben, und sei es nur, um Eure Pläne und die des Abtes zu vereiteln.«

Der Sheriff trat noch näher an sie heran. Ihr Blick fiel auf die Hand an der Fackel – seine Schwerthand, die, von langjähriger Kampferfahrung gestählt, kräftig war. Sie stellte sich die Hand in ihrem Haar vor. Sie stellte sie sich an ihrem Hals vor. Stellte sie sich an ihrer Brust vor.

Marian wollte sich übergeben.

Er stellte die Fackel in einen Halter und beugte sich über Marian.

Rasch schlug sie die Bettdecke zurück und rutschte seitlich aus dem Bett. Sie wollte wegrennen, die Tür aufschlagen und die Wendeltreppe hinunterstürmen, Nottingham Castle entfliehen.

Er erwischte sie jedoch und setzte sie auf das Bett zurück. Dann nahm er seine Hände wieder von ihr. »Wißt Ihr, was ich sehe?«

Sie holte keuchend Luft. Stumm schüttelte sie den Kopf.

»Ein kleines Mädchen«, antwortete er, »das rittlings auf dem großen Streitroß ihres Vaters sitzt. Mit verfilztem und staubigem schwarzen Haar, das sich aus ihren Zöpfen löst.«

Das hatte sie nicht erwartet.

»Sir Hugh FitzWalters Tochter, die kleine Lady Marian, geboren und aufgewachsen zu Ravenskeep am Rande des Sherwood Forest, ganz in der Nähe von Nottingham.« Er lächelte verbittert. »Ich heiratete zweimal und beerdigte beide. Ich liebte keine von ihnen.«

»Sie gebaren Euch Kinder«, sagte sie.

DeLaceys Stimme klang schmeichlerisch. »Einer Frau Kinder zu schenken hat nichts mit Liebe zu tun.«

Sie holte tief Luft. Sie hatte keine Angst vor ihm; sie hatte nie Angst vor ihm gehabt, aber sie wußte nun genug, um sich in bezug auf seine Absichten unsicher zu sein. »Ihr wart meines Vaters Freund.«

»Das war ich. Und bin ich, Marian. Er bat mich, für Euch zu sorgen, sollte ihn ein Unglück ereilen.«

Das wußte sie besser als er. »Aber das hier wollte er nicht!«

Seine Zähne schimmerten im Fackellicht. »Ihr macht es nötig.«

»Ihr seid ein Narr«, erklärte sie ihm. »Ein erbarmungsloser, kaltherziger Narr –«

»Und schlimmer«, stimmte er ihr zu, »aber ich lasse mich nicht dazu herab zu vergewaltigen.«

Marian hatte große Lust auszuspucken. »Ihr werdet mich auf keinem anderen Wege bekommen.«

Der Sheriff lächelte nur. »Wißt Ihr, was ich sehe? FitzWalters schwarzhaarige, blauäugige Tochter im Alter von nur vier Monaten und ohne einen Zahn im Mund. Die lacht und ohne Wirkung mit ihren Fäusten in das Gesicht des Sheriffs schlägt.«

Jetzt begriff sie, was er vorhatte, wie er hoffte, sie mit gemeinsamen Erinnerungen an ihre Kindheit, an ihre Jugend und an die Zeit, als ihr Vater noch lebte, zu entwaffnen.

Sein Lächeln wurde schwächer. Er zischte: »Wißt Ihr, was ich sehe?«

Unerschütterlich hielt sie ihr Schweigen.

Er antwortete ihr dennoch, barsch. »Eine Frau, die bereit zum Beischlaf ist und die mit den Augen darum bettelt.«

Ihre Kiefermuskeln spannten sich an. »Gebt mir ein Messer«, entgegnete sie, »und ich werde Euch zeigen, wozu ich bereit bin.«

Der Sheriff hob eine Augenbraue. »Lehrte er Euch das? Lehrte er Euch das Schwert

»Das Schwert? Das fleischliche Schwert, ja. Aber er lehrte mich auch, was Ihr nicht könnt: was es heißt zu lieben.«

Dunkle Flecken erschienen auf seinem Gesicht. Ihr Hieb hatte ihn uneingeschränkt getroffen, und tiefer, als sie es erhofft hatte. Ihre nüchterne Bestätigung seiner plumpen Anspielung hatte die Klinge gegen ihn gewendet.

Seine Augen glitzerten im Licht. »Wißt Ihr, was ich sehe?«

Sie wußte sehr wohl, was er sah. Und sie benannte es, bevor er es vermochte. »Robin Hoods Hure.«

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