Читать книгу Herrin der Wälder - Jennifer Roberson - Страница 7

2. Kapitel

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Marian preßte ihre feuchten Handflächen gegen das Kleid. Locksley war endlich erschienen, und sie unterschied sich schließlich, ungeachtet ihrer hochfliegenden Ideen, in nichts von den anderen. Sie war ebenso neugierig und fasziniert wie alle anderen auch.

Es quälte sie, denn sie hatte gehofft – darauf gezählt–, daß er nur ein Junge wäre, der vom Kriegspielen heimgekehrt war. Die Art von Mensch, an die sie herantreten konnte, ohne sich so offenkundig selbstbezogen zu fühlen.

Sie schluckte den Kloß wachsender Nervosität hinunter. Auch andere Frauen hatten ihre Väter verloren. Ich habe nicht mehr Recht als sie, diesem Mann eine Frage zu stellen.

Aber auch nicht weniger.

Erhöht auf dem Podest, stand er vor ihnen. Er hat sich sehr verändert. Der Junge, der in den Krieg gezogen war, war als Mann zurückgekehrt. Sie fragte sich, ob jemand anders ihn auch so sah wie sie oder ob sie alle völlig blind waren.

Aus der Entfernung konnte Marian nur den hellen Schopf seiner weißblonden Haare erkennen, die er unmodisch und viel zu lang trug. Er war immer ein heller Typ gewesen, wie sie sich erinnerte, und bleich wie eine Osterlilie bis auf seine haselnussbraunen Augen.

Ich erinnere mich an jenes Weihnachten... Es gab ihr einen unerwarteten Auftrieb erneuter Überzeugung. Ich werde ihn fragen... sicher kann er mir eine einzige einfache Frage nicht verwehren.

Sir Guy of Gisbourne gaffte. Nur mit Mühe konnte er seinen Mund schließen, wischte sich den Schweiß von der Oberlippe und benetzte seinen trockenen Mund mit Wein, zuviel Wein, den er in einem Zug trank, bis der Becher leer war.

Wieder sah er die Frau an, die ihn um den Verstand brachte. Er

konnte nicht aufhören, sie anzustarren. Wer –?

Ihm war der Schnitt und die Farbe ihres Gewands aufgefallen (ein schimmerndes Seidenkleid in einem kräftigen Blau, das am Ausschnitt und an den Ärmelaufschlägen silbern bestickt war und an der Taille von einem perlenbesetzten normannischen Gürtel eng zusammengehalten wurde); die Eleganz ihrer Körperhaltung; der Glanz ihres haubenbedeckten Haares; ihre tiefblauen Augen – und, als sie auf das Podium blickte, der unerwartet eigensinnige Zug ihres feinen Kinns.

Zitternd fuhr sich Gisbourne mit einer Hand über die Stirn. Er schluckte mühsam, seine Lungen waren wie verschnürt, und er versuchte, seiner wieder Herr zu werden. Seine Schenkel und sein Unterleib zogen sich, von der Erektion schmerzend, zusammen; er begehrte diese Frau nicht nur, er brauchte sie.

Es war bereits Monate her. Einmal hatte sich die Gelegenheit mit einem Serviermädchen ergeben, das ihm Erleichterung verschafft hatte, aber er fand solche Frauen nicht befriedigend. Er wollte mehr, aber er wußte nicht, wie er es bekommen konnte. Er hatte Fähigkeiten, wie sie Leute wie der Sheriff schätzten, da ja irgend jemand die Verwaltung der Burg und der Grafschaft organisieren mußte. Der Sheriff von Nottingham sprach Recht. Sir Guy of Gisbourne, sein Seneschall, führte es aus.

Er war nie übermäßig ehrgeizig gewesen, noch war er habsüchtig. Seine Gebieterin war die Pflicht, sein Gebieter William deLacey. Doch jetzt würde er sich von allen Treueschwüren lossagen, wenn es ihm nur sie in sein Bett bringen würde.

William deLacey, der Lord High Sheriff of Nottingham, packte seine jüngste Tochter am Arm und führte sie aus der Gruppe von Frauen, die sich um den Minnesänger scharten, heraus. Es war nicht so, daß er Musik nicht mochte oder gegenüber dem Können des Minnesängers taub war, aber es gab Wichtigeres zu regeln.

»Eleanor«, sagte er, als sie ihren Mund gerade zum Protest öffnete.

Sie beruhigte sich schnell wieder, aber er übersah ihre Verärgerung nicht. Sie war weder hübsch noch reizvoll, und daher wunderte es ihn nicht, daß sie sich jedem weibischen Musiker an den Hals warf.

Aber sie war intelligent. Was Eleanor an Aussehen fehlte, machte sie mit ihrer Schlauheit wieder wett.

Er zog sie hinter eine Trennwand und ließ ihren Arm los. »Du bist aus einem bestimmten Grund hier«, erinnerte er sie.

Die Lider über ihren wütenden braunen Augen niedergeschlagen, beugte sie sich kurz zu einem spöttisch gemeinten Knicks.

»Deine Zukunft hängt davon ab.«

Ihre Lider flatterten. Hoben sich. Sie sah ihm direkt ins Gesicht. »Eure Zukunft hängt davon ab.«

Sein Mund wurde schmal. »Ja. Gewiß. Du weißt, was ich möchte, genauso wie ich weiß, was du möchtest –«

»Ihr wißt nicht im geringsten, was ich möchte.« Ihr Ton war ruhig, aber feindselig. »Das habt Ihr niemals, und das werdet Ihr niemals, weil Ihr mir nie zuhört –«

»Genug!« Augenblicklich schloß sich ihr Mund, wie er es beabsichtigt hatte. »Du wirst dich benehmen, Eleanor. Ich habe keine Lust, mich dadurch demütigen zu lassen, daß du wie eine liebestolle Närrin um den Minnesänger herumhüpfst, wenn du zu einem anderen Zweck hier bist. Ich will das Beste für dich. Ich wünsche mir einen Mann für dich, der dir das geben kann, was du verdienst.«

Eleanor nickte wissend. »Auf daß ich das mit Euch teilen kann.«

Bedächtig schüttelte er den Kopf. »Vergeude dich nicht sinnlos, Eleanor. Schau in den Spiegel, den ich dir gegeben habe.«

Sie blinzelte. »In den ... Spiegel?«

»Anstelle von Ländereien und Mitgift wird ein Mann um der Schönheit willen heiraten. Ich habe kein eigenes Land, deine Mitgift ging an den König, und deine Schönheit ...«

Eleanors Gesicht verlor jede Farbe.

Aufmunternd tätschelte deLacey ihren Arm. »Ich bin sicher, du verstehst, daß das, was ich tue, genauso gut für dich ist wie für mich.«

Es wurde erwartet, daß jeder dem Sohn des Earls seinen Gruß entbot. Deshalb bestand Huntington auch darauf, daß sie, er und sein Erbe, auf dem Podest standen. Sein Sohn war von den Toten wiedergekehrt. Sein Sohn wurde zur Schau gestellt. Seht ihr, mein Sohn lebt, obwohl erzählt wurde, er sei an Richard Löwenherz’ Seite gestorben!

Auch Marian hatte das Gerücht gehört und um ihn getrauert. Eine Nacht lang hatte sie geweint, weil auch ihr Vater gestorben war und weil sie sich an ein Weihnachten erinnerte, an das sich niemand sonst erinnern konnte. Doch Robert von Locksley war, entgegen aller Wahrscheinlichkeit, wieder zurückgekehrt. Ihr Vater nicht. Nur sein Schwert war ihr überbracht worden.

Sie schloß die Augen, während sich ihre Hände an ihren Röcken zu Fäusten ballten. Es war nicht fair. Locksleys Heimkehr verdiente Gebete und Dankbarkeit, keinen Groll. Keine Eifersucht.

Ein Mann trat an ihre Seite. Seine Stimme klang ruhig und kultiviert. »Ich habe Euch ein wenig Wein gebracht, damit Ihr Eure hübsche Kehle kühlen könnt.«

Sie sah auf. Warm lächelnd drückte ihr William deLacey einen Kelch in die Hand. Sie schloß beide Hände darum und dankte ihm mit einem Nicken.

Die braunen Augen des Sheriffs blickten sie mitfühlend an. »Ich vermisse ihn auch, Marian. Und bestünde die Möglichkeit, würde ich diesen Jungen gegen Euren Vater eintauschen. Hugh von Ravenskeep ist drei von seiner Sorte wert.«

Seine Unverblümtheit überraschte sie. »Wir sollten Gott danken, daß er so barmherzig war, wenigstens einen von ihnen wieder nach Hause zu schicken.«

DeLacey lächelte. »Eure Güte spricht für Euch, aber Ihr wißt, daß ich die Wahrheit spreche. Locksley bedeutet Euch nichts. Euer Vater war Euch alles.«

War. Nicht ist; war. Ihr Vater gehörte der Vergangenheit an, während sie der Gegenwart angehörte.

Wie würde nun ihre Zukunft aussehen? Sie war Hugh FitzWalters einzige Erbin, und mit seinem Tod war sie ein Mündel des Königs geworden. Nach englischem Gesetz verwaltete sie ihren Gutsbesitz als Treuhänderin ihres zukünftigen Mannes, und obgleich sie keinerlei Heiratspläne hatte, würde man es ihr mit Sicherheit bald vorschlagen, nun, da ihre Trauerzeit beendet war. Ravenskeep war, wie andere Ritteranwesen auch, eine wertvolle Einkommensquelle.

Seine Hand legte sich kurz auf ihre Schulter. »Ihr hättet nicht zu kommen brauchen.«

Marian zwang sich zu einem Lächeln. »Ich kam wie alle anderen, um dem Earl die Ehre zu erweisen.«

»Und nicht, um seinen Sohn zu beeindrucken?«

»Seinen Sohn?« Als sie seinen Blick bemerkte, mußte sie lachen. »Ihr brachtet Eleanor mit.«

»Ihr habt mich durchschaut.«

Marian runzelte die Stirn. »Ihr habt sie also in der Hoffnung mitgebracht, daß sich Robert von Locksley für sie interessieren wird.«

»In der Hoffnung, daß sich der Earl für sie interessieren wird; es kümmert mich herzlich wenig, was Locksley von dem Mädchen hält. In der Angelegenheit hat er nichts zu sagen.« DeLacey lächelte und salutierte mit erhobenem Kelch. »Ich bitte Euch, mich zu entschuldigen – ich muß jetzt Eleanor vorführen.«

Er verließ sie und glitt geschmeidig durch die Menge, um seine jüngste Tochter aufzulesen und sie zum Podium zu geleiten. Seine Stellung ausnutzend, ignorierte er alle vor ihm, um den Ehrenplatz einzunehmen. Als Angehöriger einer weniger bedeutenden Normannenfamilie war er nicht Lord durch altes angestammtes Erbe, aber der Eroberer hatte alle, die ihm bei der Niederwerfung Englands vorbildliche Dienste geleistet hatten, belohnt, indem er beschlagnahmtes Land und Titel an sie verteilt hatte. Auf diese Weise war der Sheriff in den neuen Adel aufgestiegen und hatte mit jeder Heirat seinen Rang noch erhöht. Sein Machthunger war für Marian unverkennbar, aber merkwürdigerweise setzte es ihn nicht herab. Er gehörte zu der Sorte Mann, die überleben, gleich wie die Umstände sind.

Anders als der Sheriff wartete Marian, bis sie an der Reihe war. Sie trank den Wein aus, reichte den leeren Kelch einem Bediensteten und erreichte schließlich das Podium, wo sie in ein Gesicht blickte, das bar jeden Ausdrucks war, und in hellbraune Augen, die für alle, die vor ihm standen, verschleiert waren.

Sie öffnete ihren Mund, um ihm ihre simple Frage zu stellen, aber es kam kein Wort heraus. Wer war sie denn, daß sie ihn überhaupt etwas fragte, und warum sollte er die Antwort kennen?

Doch da stand sie bereits vor den beiden, war dem Earl und seinem Sohn ordnungsgemäß vorgestellt worden. Da sie sich nicht gut umdrehen und fliehen konnte, war das mindeste, was sie tun konnte, die Willkommensworte herauszustoßen, die sie in Ravenskeep geübt hatte. Sie hatte sie dazu gedacht, das Eis zu brechen; jetzt würden sie ihr das Gesicht wahren, zumindest ein wenig.

»Mylord Earl.« Sie knickste. Mechanisch sagte sie ihr kleines Gedicht auf. Sie nahm nicht mehr Anteil als Locksley, der gelangweilt neben seinem Vater stand.

Doch plötzlich war seine Langeweile verschwunden. Gerade als sie sich zum Gehen wandte, legte sich eine Hand auf ihren Arm. »Marian von Ravenskeep

Verwirrt nickte sie – und sah die Gefühlswallungen in seinen Augen.

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