Читать книгу Der Duft der Bücher - Jenny Schon - Страница 20
Im Ausland
ОглавлениеMit Breuers Bärbel war ich ein zweites Mal im Theater, zu Ostern. Ich arbeite jetzt schon ein Jahr für den Mertens. Er hat mir tatsächlich noch anderes beigebracht, als Bleistiftzahlen in Journalen in Tinte zu übertragen.
Weil ich ganz gut Schreibmaschineschreiben kann, da ich im Winter fast jeden Tag geübt habe, darf ich auch schon Briefe und Bilanzen abtippen.
Einmal war ich bei Herrn Beyer in Köln, da hat er mich in seine Privatgemächer mitgenommen.
Komm mal mit rauf, hat er gesagt, ich will dir was zeigen. Und tatsächlich, in seiner privaten Bibliothek oben, wo auch seine Büros sind und seine drei Angestellten arbeiten, roch es so wie bei dem Sparkassendirektor in Brühl, als die Schranktüren aufgingen und der Duft nach altem Staub und nach altem Bohnerwachs sich befreien durfte. Oh, wie schön, rief ich begeistert und gehe mit der Hand langsam über einige Lederrücken.
Ja, das sind teilweise Bücher von meinem Großvater, der wohnte in der Eifel. Wären sie in Köln gewesen, hätten sie den Krieg nicht überstanden. Unser hiesiges Haus ist total zerstört worden.
Ich sehe die Trümmer in Brühl vor mir, sehe die Ratten, und da steht das Haus von dem Bankdirektor als einziges unversehrt, und seine Bücher auch. Die Puppe seiner Tochter lächelt mich an und ich schaue weg, weil ich weiß, dass ich nie in meinem Leben mit ihr spielen darf und dass ich diese Bücher in dem Glasschrank nie berühren darf.
Aber bei Herrn Beyer streiche ich über den Lederrücken, als wären es meine Bücher und Herr Beyer schimpft nicht so, wie es der Bankdirektor getan hat. Dass das Kind da nicht dran geht, verstehn Sie, Frau Pütz?
Herr Beyer hat gefragt, ob ich nicht mal wieder ein Buch mitnehmen will?
Ich druckse rum.
Nun? Welches?
Sagan, Bonjour Tristesse.
Ach ne, wo hast du denn das gelesen?
Ich werde rot. In der Bravo.
In der Bra …?
Nein, nein widerspreche ich, im Kölner Stadt-Anzeiger. Wird empfohlen, weil die Schriftstellerin noch jung ist.
Ja, ich weiß, mit 17 hat sie es geschrieben.
Bist du denn schon 17?
Nein, 16, aber ich schreibe ja auch, seit ich eine Schreibmaschine habe.
Dann bring das doch mal mit!
Nein, das geht nicht, das ist ja nicht fertig, ich übe doch nur, und wollte mal sehen, wie die Sagan …
Nun gut, gehen wir runter, mal gucken, ob eine Taschenbuchausgabe da ist, sonst werde ich es dir bestellen.
Was ich Herrn Beyer nicht erzählt habe, meine Freundin vom letzten Jahr, die Karin, als ich noch mit ihr und den Halbstarken unterwegs war und viel Fahrrad gefahren bin, war Ostern bei mir und hat sich verabschiedet.
Ich geh nach Paris, hat sie gesagt, als Au pair, Kindermädchen, ich will Französisch lernen. Die Bravo gibt es jetzt nicht mehr.
Nach Paris? Mir blieb der Mund offen, nach Paris, wiederhole ich, ja, da möchte ich auch hin.
Die Bravo-Hefte, die sie mir dagelassen hat, haben berichtet, dass jetzt viele Mädchen nach Frankreich gehen, wegen Brigitte Bardot und ihrem wunderhübschen Pferdeschwanz, den Breuers Bärbel auch hat – da passt ja auch BB …
In Köln gehe ich nach der Schule manchmal mit Theresa an den Rhein ins Café. Auf einmal kommt ein junger Mann zu uns und umarmt sie.
Ich kann gar nicht mehr wegsehen, so hübsch ist er – wie James Dean. Theresa merkt, dass ich irritiert bin.
Das ist Benno, mein Bruder, ein Jazzer, er lebt in Amerika und spielt jetzt hier im Jazzkeller.
Benno gibt mir die Hand, du bist Betty, nicht? Theresa hat von dir erzählt. Ich könnte die Hand küssen, so zart hat er mich berührt.
Er setzt sich. Wenn ihr Lust habt, nächsten Samstag spiele ich, ich kann euch zwei Karten reservieren.
Abends? frage ich entgeistert.
Ja, nicht zum Kaffeeklatsch, er lacht.
Ne, abends lassen mich meine Eltern nicht raus.
Dann schläfste bei uns, unsere Eltern sind im Augenblick auch in Amerika, wir haben Platz, meint Theresa.
Wenn ihr meint, ich kann ja mal fragen, sage ich. Aber das gestatten die mir nie! Ich fahre nach Bonn zu den Großeltern, und bleibe über Pfingsten, ja, das wird gehen, die verpetzen mich nicht, wenn ich eine Nacht wegbleibe.