Читать книгу Der Duft der Bücher - Jenny Schon - Страница 24
Feine Gesellschaft
ОглавлениеBreuers Bärbel habe ich mal mitgenommen nach Köln in den Jazzkeller, die hat sich gar nicht mehr eingekriegt, dass ich so interessante Leute in Köln kenne, und sie als Gastwirtstochter nicht. Wie häste denn dat geschafft?, war ihre doch recht einfältige Antwort, denn sie war eben Gastwirtstochter und ging auf die Berufsschule für Hausmädchen in Brühl, in die die Mädchen bis zum achtzehnten Lebensjahr müssen, die keinen Beruf erlernen, sondern im Haushalt, also für ihre späteren Ehemänner, arbeiten werden.
Mädchen sollen eine gute Partie machen, heißt es.
Die Geschäftsleute, für die das Büro Mertens die Steuer macht und von denen ich eine Menge Geheimnisse kenne, tun fürnehm, wie sie sagen, ihre Töchter müssten gesellschaftliche Aufgaben übernehmen, dazu müssten sie z.B. auch auf die Tanzschule, evver nit Rock’n Roll, schimpfte Breuers Pitter, der Vater. Bärbel, hürste de, Walzer.
Dafür würde mein Vater nie Geld ausgeben, würde ich auch nie hingehen, Breuers Bärbel aber. Da tanzen auch die Söhne der Geschäftsleute, da würde sich sicher was finden. Bärbel geht auch in den Französischkurs der Volkshochschule, denn die feinen Leute sprechen Französisch.
Und nun trifft sie in Köln im Jazzclub die Kölner feinen Leute, von denen Theresa einige kennt und mit ihnen tanzt, und mit mir auch und Bärbel auch.
Was war die platt, als wir im Morgengrauen in die KBE stiegen und nach Brühl fuhren. Dat glövt minge Vatter nie, dat ich mit einem getanzt hab, der wor ne Doktor.
Das erzähle ich Herrn Beyer. Ja, früher, antwortet er, waren diese Klassengegensätze noch sehr stark, und in Brühl ist ja alles noch von gestern.
Du bist die große Ausnahme, das habe ich gleich gespürt. Es wäre natürlich schön, sobald du den Englischkurs zu Ende hast, dass auch du Französisch lernst, denn es ist eine sehr schöne Sprache und Frankreich hat die Aufklärung und die Revolution hervorgebracht und viele Denker und Schriftsteller. Und er gibt mir Albert Camus. Lies, sagt er: »Der Mensch in der Revolte«. Du hast ja auch Kleists Michael Kohlhaas gelesen und den Jungen Werther und Schillers Räuber und Kafkas Verwandlung, dessen Metamorphose auch ein Protest gegen die Zustände in der Welt ist.
Und lass dir Zeit, das ist schwierig. Frankreich hat jetzt schwierige Zeiten mit dem Algerienkrieg und ich erzähl ihm von dem Mann meiner Tante, der im Algerienkrieg war und der sehr brutal ist. Und dass ich mich schäme, so einen in der Verwandtschaft zu haben und dass wir keinen Kontakt mehr haben, obwohl es die Schwester meiner Mutter ist, die nach dem Krieg in der Ostzone viel Schweres mitgemacht hat. Und der eigentlich das Leben egal war, sie wollte nur überleben.
Und Herr Beyer ist ganz begeistert über meine Unterscheidung von Leben und Überleben.