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Prävention

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Ein zentraler Leitbegriff, an dem sich die Kinder- und Jugendhilfe seit den 1980er Jahren ausrichtet, ist »Prävention«. Er hielt insbesondere durch den 8. Jugendbericht Einzug in die Jugendhilfediskussion. Jugendhilfe will nicht nur Nothilfe sein, sondern will durch geeignete Maßnahmen dazu beitragen, dass solche Notsituationen möglichst nicht entstehen. Der Begriff der Prävention spielt daher in vielen Handlungskonzepten als Anspruch der primären oder sekundären Prävention eine zentrale Rolle. Prävention hat sowohl eine sozialpolitische als auch eine methodische Komponente. In sozialpolitischer und vorausschauend planerischer Hinsicht geht es um die Gestaltung von Lebensbedingungen und sozialen Räumen, in denen sich Menschen möglichst optimal gemäß ihren Bedürfnissen und Lebensverhältnissen entwickeln können. Im methodischen Anspruch des »vorbeugenden Handelns« bezeichnet der Begriff der Prävention eine Intervention in eine Situation oder einen Geschehensablauf, durch den eine antizipierte unerwünschte Entwicklung in Familien oder bei Kindern und Jugendlichen in der weiteren Zukunft vermieden werden soll. Insofern basiert die Begründung von präventiven Maßnahmen auf einer wie auch immer gewonnenen Risikozuschreibung, wonach bei Untätigkeit der verantwortlichen Akteure (hier der Kinder- und Jugendhilfe) Fehlentwicklungen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit eintreten könnten.

Der Begriff Prävention ist gekennzeichnet durch eine starke normative Orientierung, da er darauf basiert, dass spezifische Situationen als negativ oder unerwünscht definiert werden müssen, um so präventive Interventionen zu rechtfertigen. Prävention ist damit gleichermaßen an soziale Kontrolle gebunden, da antizipierte negative Entwicklungen frühzeitig erkannt werden sollen; dies impliziert eine frühzeitige Beobachtung im Hinblick auf vermeintliche Risiko-Optionen. Diese Kontrolle ist insofern vorverlagert, als gerade spätere, noch nicht eingetretene Defizite und Schäden vermieden werden sollen. Das hat das Paradoxon zur Folge, dass je früher Prävention einsetzt, umso breiter ihr Kontrollblick sein muss und umso unspezifischer die daraus abgeleiteten Interventionen sein werden, da die Annahme einer späteren defizitären Versorgung und Erziehung nur als Hypothese über zukünftige Entwicklungen formuliert werden kann.

Der Präventionsbegriff in der Kinder- und Jugendhilfe ist mit markanten Ambivalenzen durchzogen. Sozialpolitisch ist die Gestaltung förderlicher Lebensbedingungen, in denen soziale Probleme in einem geringeren Ausmaß entstehen, selbstverständlich plausibel. Jedoch wirkt der Präventionsbegriff hier unspezifisch und willkürlich: Damit erscheint jedes sozialpolitische Handeln ›irgendwie‹ präventiv, und der Begriff Prävention wird zu einer fast beliebig verwendbaren Legitimationsformel mit geringem inhaltlichen Aussagewert. In methodischer Hinsicht erscheint es einerseits ebenfalls plausibel, frühzeitig Hilfen einzuleiten, bevor ansatzweise sichtbare Problemkonstellationen sich verfestigt haben. Andererseits folgt der präventive Blick immer der »Logik des Verdachts« und des Risikos (Holthusen et al. 2011) und ist dementsprechend verbunden mit einer Ausweitung sozialer Kontrolle auf das räumliche und zeitliche Vorfeld möglicher Faktoren zum Entstehen von Risiken und Problemen. Aus diesen Ambivalenzen kann eine Kinder- und Jugendhilfe, die sich über den Begriff der Prävention konzeptionell ausrichten und legitimieren will, nicht entfliehen. Angesichts der Ambivalenzen setzt sich zunehmend eine Haltung durch, dass sich Kinder- und Jugendhilfe nicht auf Prävention allein fokussieren darf, sondern sich stärker auf das Ziel des »gelingenden Lebens« richten muss. Damit wird Prävention als vorrangiges Ziel der Jugendhilfe nicht obsolet, ist aber immer auch zu ergänzen durch eine proaktive Sicht auf Ermöglichung von Teilhabe.

Aus dem Leitbegriff der Prävention lassen sich folgende Fragen an konzeptionelles und praktisches Handeln in der Jugendhilfe ableiten:

• Gelten die Aktivitäten der Jugendhilfe lediglich der Verhinderung (weiterer) negativer Entwicklungen (aus welcher Sicht sind sie negativ?) oder sind sie auch darauf gerichtet, positive Wünsche und Vorstellungen vom Leben in Teilhabe realisieren zu können?

• Welche Risiken können und sollen Gegenstand von Präventionsmaßnahmen sein?

• Haben die Akteure in der Jugendhilfe und Familienmitglieder selbst eine Vorstellung von gelingendem Leben?

Kinder- und Jugendhilfe

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