Читать книгу Wer kocht, hat keine Zeit zu morden. - Jörg Maurer - Страница 14
Der Smeller Ein Kriminalreißer auf engstem Raum im Brotzeitbrettlformat
ОглавлениеEs roch nach Gewalt. Auf den Dächern lagen Scharfschützen, unten auf der Straße standen Beamte in Zivil. Die schwer bewaffnete Einheit der Special Forces hatte schon Stellung im dritten Stock bezogen. Vor der Wohnungstür des Gangsters Rocky »Rock« Riccarelli gab ein Sergeant per Handzeichen Befehl zum Zugriff. Die zwei Männer mit dem schweren eisernen Rammbock holten aus, die Tür zerbarst splitternd, Gebälk flog umher. Vier maskierte Agents stürmten die dunkle Wohnung, richteten ihre automatischen Waffen ruckartig und zielsicher in jedes Zimmer. Nichts. Leer. »Der Vogel ist ausgeflogen«, hörte man es aus einem der Funkgeräte.
»Aber er muss da sein«, murmelte Detective Mike W. Taylor eindringlich. »Riccarelli kann das Gebäude nicht verlassen haben. Nicht in diesem Universum.« Detective Mike W. Taylor nippte an seinem Kaffee. »Was für ein Gesöff!«, stieß er aus. »Jetzt kann uns nur noch Special Agent McCourt helfen. Bringen Sie ihn sofort hierher!«
Kurz darauf betrat Malcolm McCourt die Wohnung des Mafia-Gangsters. Er war von kleiner, gedrungener Gestalt, doch sein Gang hatte etwas Tänzelndes, Lauerndes. Er blickte sich kurz in der Diele um, dann kniff er die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und schlich vorsichtig von Zimmer zu Zimmer.
Malcolm McCourt war ein Smeller, ein speziell ausgebildeter Mitarbeiter des FBI, der sich auf Gerüche spezialisiert hatte. Einer wie er wurde in genau solchen Situationen eingesetzt. Wenn man sich absolut sicher sein musste, dass keine Gefahr drohte. Malcolm sog die Luft der Wohnung fast genießerisch ein. Lautlos. Jetzt stand er im Esszimmer. Anscheinend war gerade eine Party in Gang gewesen. Hier waren Mince Pies und Truthahnbraten gegessen worden (eine schreckliche Zusammenstellung), schwerer Rotweingeruch lag in der Luft, es musste französischer sein, ein Barrique aus dem Süden, wahrscheinlich ein Bordeaux Primeur, Malcolm tippte auf einen 1995er. Herrgott, war das ein gutes Weinjahr gewesen! Malcolms Gedanken waren kurz abgeschweift. Er musste sich zusammenreißen. Er musste sich auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren. Doch plötzlich hielt er inne. Hier stimmte etwas nicht. Die Luft war schwer wie Blei. Von draußen hörte man ganz leise den Straßenlärm. Detective Mike W. Taylor, Malcolms Chef, erstarrte. Die anwesenden Agents wagten kaum zu atmen. Malcolm deutete mit dem Kinn dezent zum offenen Kamin. Die Jungs mit den halbautomatischen Waffen blickten ihn verständnislos an. Dann begriffen sie. Geräuschlos bewegten sie sich durchs Zimmer und steckten die Gewehrläufe in den erkalteten Ofen. Vorsichtig blickten sie nach oben. Und tatsächlich. Im Kamin hatte sich Rocky »Rock« Riccarelli festgekrallt. Ohne den Smeller hätten sie ihn nie und nimmer entdeckt.
»Der Angstschweiß hat dich verraten«, sagte Taylor zu dem Gangsterboss, als sie ihn aus dem Schornstein gezogen hatten. Hasserfüllt blickte Riccarelli Malcolm an. »Angst? Pffh! Die verdammten Pfefferbeißer haben mich verraten«, raunte Riccarelli. »Ich hätte mir keine in die Taschen stecken sollen.« Dann führten sie ihn ab.
»Durch all die Partydüfte hindurch hast du die Pfefferbeißer gerochen«, sagte Taylor. »Gut gemacht, Malcolm.« Mit diesen Worten griff Taylor Malcolm McCourt an die Nase und massierte sie sorgfältig und vorsichtig. »Ist Malcolm ein Basset?«, fragte einer der Agents. »Nein, ein gewöhnlicher Beagle«, antwortete Mike W. Taylor. »Aber manchmal denke ich, er könnte einen 1995er von einem 1996er Primeur Barrique unterscheiden.«