Читать книгу Der tolle Halberstädter. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges - Jörg Olbrich - Страница 13

Оглавление

Niederlande, 18. September 1621

»Nach Rücksprache mit den Generalstaaten habe ich mich entschlossen, Eurem Gesuch stattzugeben«, erklärte Friedrich V. feierlich und reichte Christian von Braunschweig die Hand. »Es ist Euch gestattet, in Westfalen und im Niedersächsischen Kreis Truppen anzuwerben, und einen Feldzug in die Pfalz anzuführen.«

»Ich danke Euch, Eure Majestät«, antwortete der Herzog mit fester Stimme und versuchte, sich seine aufkommende Freude nicht zu sehr anmerken zu lassen. »Ich werde alles daransetzen, die Kurpfalz für Euch zurückzugewinnen.« Christian atmete innerlich erleichtert auf. Seit Wochen hatte er Friedrich immer wieder bedrängt, ihm die Erlaubnis zu geben, für ihn in die Schlacht zu ziehen. Endlich hatte er dieses Ziel nun erreicht.

Dabei wusste der Herzog, wie brisant die Lage in ganz Europa war. Moritz von Oranien-Nassau wollte die guten Beziehungen zu Dänemark nicht gefährden, das seinerseits bedacht war, den Frieden mit den Habsburgern zu sichern und sich nicht in den Krieg in der Pfalz einmischen wollte. Die Niederlande hatten nach wie vor mit den Spaniern zu tun, die unter General Spinola weiter vorrückten.

»Ich weiß, dass Ihr für die Sache brennt«, sagte der Kurfürst. »Versucht Euch mit Graf von Mansfeld zu vereinigen. Er kämpft derzeit in der Oberpfalz gegen General von Tilly. Die katholische Liga kann nur mit vereinten Kräften besiegt werden.«

»Ich werde noch heute damit beginnen, Soldaten anzuwerben.«

»Schickt Boten in den Niedersächsischen Kreis«, sagte Friedrich. »Dort sind sämtliche Aufrüstungen eingestellt worden. Die Söldner sind aber noch im Reich und werden froh sein, ein Heer zu finden, dem sie sich anschließen können.«

»Was ist aus den Plänen der Generalstaaten geworden, dort ein Heer aufzustellen und in die Pfalz zu schicken?«

»Es hat nie die geplante Truppenstärke erreicht. Landgraf Moritz fürchtet, dass es gegen die katholische Liga nicht lange standhalten kann und aufgerieben wird.«

»Er wird nicht damit einverstanden sein, wenn die Männer jetzt doch in die Pfalz ziehen.«

»Er wird nichts dagegen unternehmen«, erklärte Friedrich selbstsicher. »Moritz ist ebenfalls zwiegespalten. Einerseits sieht er die Gefahr durch die Habsburger, andererseits will er Dänemark als Verbündeten gewinnen und nicht verstimmen. In der Pfalz muss aber etwas geschehen. Ich bin nicht bereit, weiterhin dabei zuzusehen, wie mein Reich von den Kaiserlichen ausgeraubt und verbrannt wird.«

»Ich werde nicht eher ruhen, bis Euch Kaiser Ferdinand als Kurfürsten Recht und Gerechtigkeit widerfahren lässt!« Christian verabschiedete sich vom Kurfürsten und verließ dessen Residenz in Arnheim. Er war glücklich und zufrieden, dass seine Bemühungen, den Pfalzgrafen für sein Vorhaben zu gewinnen, endlich erfolgreich waren und fest entschlossen, nun das Versprechen einzulösen, dass er Elisabeth Stuart gegeben hatte. Lächelnd streichelte er über den Handschuh seiner Königin, den er sich an seinem Hut hatte festnähen lassen, um das Andenken an die geliebte Cousine immer bei sich tragen zu können.

Er ging zu den Offizieren seiner Leibgarde und beauftragte eine Einheit von zwölf Männern, in den Niedersächsischen Kreis zu reisen. Er selbst wollte am nächsten Morgen nach Westfalen aufbrechen, um dort Werbeplätze einzurichten. Es konnte einige Wochen dauern, ein schlagkräftiges Heer aufzustellen. Dann wollte sich Christian allerdings von nichts und niemandem mehr aufhalten lassen.

***

Einige Tage später ritt Christian mit zwei Begleitern durch das Münsterland in Richtung der Stadt Sendenhorst, wo er weitere Söldner anwerben wollte. Am Nachmittag stürzte plötzlich eine Gruppe von etwa zwanzig bewaffneten Reitern aus einem Wald heraus und umzingelte den Herzog.

Christian und seine Männer sprangen geistesgegenwärtig von den Pferden und stellten sich zum Kampf. Dabei stellten sie sich so auf, dass sie sich gegenseitig den Rücken deckten.

Die Angreifer zögerten nicht. Sie ritten im Galopp auf die drei Männer zu. Christian sprang zur Seite und sah aus den Augenwinkeln, wie einer seiner Begleiter von einem Pferd überrannt und regelrecht zusammengetreten wurde. Der zweite Gefährte des Herzogs sah sich einer Übermacht von sechs Männern gegenüber. Sie entwaffneten ihn binnen Sekunden und prügelten mit den Stöcken ihrer Lanzen auf ihn ein. Christian selbst konnte seinen Männern nicht zur Hilfe eilen. Die gegnerischen Soldaten drangen auch auf ihn ein und warfen ihn, nachdem er zwei Soldaten hatte niederstrecken können, zu Boden.

Der Herzog wurde auf den Rücken gedreht. Je ein Angreifer setzte sich auf Arme und Beine und erstickten Christians Gegenwehr so im Keim. Der kochte innerlich vor Zorn. Wussten diese Kerle nicht, wen sie vor sich hatten? Christian schwor sich in diesem Moment, dass jeder einzelne von ihnen für den Angriff auf ihn bezahlen würde.

Der Anführer der Horde kam auf den Herzog zu und setzte ihm den Lauf seiner Muskete auf die Brust. Wütend sah Christian den Mann an und erkannte, dass es sich um einen Offizier des Münsterer Stiftes handelte.

»Wenn Euch Euer Leben lieb ist, solltet Ihr jetzt gut zuhören.«

»Ihr begeht einen großen Fehler«, erwiderte Christian wütend. »Ich bin der Herzog von Braunschweig und außerdem Bischof von Halberstadt.«

»Wir wissen, wer Ihr seid«, entgegnete der Offizier und spuckte neben Christian auf den Boden. »Ich rate Euch ein weiteres Mal, mir gut zuzuhören. Das Stift zu Münster wird nicht tatenlos zusehen, wie Ihr mit Eurer Horde das Land verwüstet. Aus Respekt für Eure Familie lassen wir Euch heute am Leben. Nehmt Eure Mannen und verschwindet.«

In Christians Kopf überschlugen sich die Gedanken. Am liebsten hätte er dem Mann ins Gesicht geschrien, dass er den Angriff auf ihn und seine Begleiter noch bitter bereuen würde, und er ganz Münster für diese Tat zur Rechenschaft ziehen würde. Genauso gut hätte er aber den Abzug der nach wie vor auf ihn gerichteten Muskete selbst betätigen können. So schwieg er und schaute seinen Widersacher nur zornig an. Dabei prägte er sich dessen bartloses Gesicht genau ein. Graue Haarsträhnen lugten unter dem Hut des Mannes hervor. Christian brauchte den Namen des Offiziers nicht zu wissen. Er würde ihn jederzeit wiedererkennen.

Endlich ließen Christians Widersacher von ihm ab. Weil sie mehrere Musketen auf ihn gerichtet hatten, zwang sich der Herzog weiter zur Ruhe. Die Soldaten bestiegen ihre Pferde und ritten genauso schnell davon, wie sie aufgetaucht waren.

Als sie außer Sichtweite waren, stand er auf, um sich um seine Begleiter zu kümmern. Beiden konnte er nicht mehr helfen. Die Stiftsoldaten hatten sie gnadenlos erschlagen. Auch sie würden für ihre Tat bezahlen. Christian hob seinen Hut auf, den er bei dem Kampf verloren hatte, und kloppte den Staub aus dem Stoff. Gedankenverloren ging er zu seinem Pferd und saß auf. Der Herzog hatte nicht damit gerechnet, dass sich Münster so vehement gegen ihn stellen würde. Offensichtlich war ihre Angst vor den Habsburgern aber so groß, dass sie es nicht wagten, Christian zu unterstützen. Mit dieser Haltung hatten sie sich jetzt einen erbitterten Feind geschaffen.

Noch war sein Heer zu klein, um die Stadt Münster einzunehmen. Der Tag der Abrechnung würde allerdings kommen.

***

Zunächst waren es die umliegenden Dörfer, die für den Angriff auf Christian bezahlen mussten. In seinem Zorn ließ der Herzog sein Heer mehrere Orte niederbrennen und dem Erdboden gleichmachen. So wollte er seinen Widersachern beweisen, dass sie sich mit dem Falschen angelegt hatten und andere Städte dazu zwingen, ihn zu unterstützen.

Christian führte sein ständig anwachsendes Heer die Weser aufwärts in Richtung Franken. Dort wollte er sich mit den Mansfeldern vereinigen.

Der Herzog hatte allerdings nicht mit dem starken Widerstand gerechnet, mit dem seine Truppen aufgehalten wurden. Im Niedersächsischen Kreis wurden die neu angeworbenen Söldner unter dem Grafen Dohna von den Kreistruppen zersprengt und auseinandergetrieben. Auch Christian selbst wurde auf seinem Weg in die Pfalz abgedrängt und gelangte unfreiwillig in die Grafschaft Lippe. Den Grafen Otto und Simon VII. versprach er, das Land zu schonen, wenn sie ihm freies Geleit und Unterkunft gewährten. Im Schloss Brake nahm er Quartier und wartete auf die restlichen Truppen, die an den Werbeplätzen in Westfalen von seinen Feldwebeln zusammengestellt wurden.

Im Schloss erreichte Christian ein Brief seiner Mutter, die ihn anflehte, das Kriegstreiben zu beenden und nach Halberstadt zurückzukehren. In einem langen Antwortschreiben legte er ihr seine Beweggründe dar, bat um Verzeihung und Verständnis dafür, dass er den eingeschlagenen Pfad nicht mehr verlassen konnte.

Der tolle Halberstädter. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges

Подняться наверх