Читать книгу Der tolle Halberstädter. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges - Jörg Olbrich - Страница 22

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Prag, 05. Februar 1622

»Ich habe euch zusammengerufen, um euch mitzuteilen, dass unser Herr am morgigen Mittag in Prag eintreffen wird«, sagte Philipp mit lauter Stimme, damit ihn alle der rund dreißig Bediensteten von Albrecht von Wallenstein hören konnten. »Bis dahin muss alles zu seiner vollsten Zufriedenheit vorbereitet sein. Seine Gemächer sind vom Staub der letzten Wochen zu säubern. Entzündet die Öfen und bereitet das Bad vor, damit sich unser Herr nach der langen Reise säubern und entspannen kann.«

Keiner der Bediensteten stellte die Anweisungen des Gutsverwalters in Frage. Allen war bewusst, dass sie ihrem Herren, dessen Strenge in seiner Dienerschaft gefürchtet war, keinen Grund zum Tadel liefern durften. Dennoch arbeiteten die meisten Menschen auf dem Anwesen gerne für Albrecht von Wallenstein, denn für ihre Dienste wurden sie gut entlohnt.

»Die Pferdeställe sind ebenfalls zu säubern und so herzurichten, dass die Tiere, mit denen unser Herr hier ankommt, sofort versorgt werden können.« Philipp sah den Stallmeister entschlossen an. »Und sorgt dafür, dass er auf keine Hunde trifft. Ihr wisst, wie sehr er sie hasst.«

Nachdem alle Aufgaben verteilt waren, und die Dienerschaft sich auf den Weg gemacht hatte, diese auszuführen, atmete Philipp tief durch. In den letzten Wochen hatte er Albrecht von Wallenstein nur selten gesehen. Der hatte sich lange in Mähren aufgehalten und war dann nach Wien gereist, um erst der Hochzeit seines Vetters Max und anschließend der von Kaiser Ferdinand beizuwohnen. Außerdem hatte von Liechtenstein angedeutet, dass von Wallenstein mit einem neuen Amt beauftragt werden würde, von dem Philipp allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, was es beinhaltete. Erst später hatte er durch einen Boten erfahren, dass Albrecht von Wallenstein zum Landeshauptmann von Böhmen aufgestiegen war.

Der Gutsverwalter hatte lange überlegt, ob er den Fürsten nach Wien begleiten sollte, sich dann aber dagegen entschieden. Es wäre ihm eine Freude gewesen, im Kaiserhof auf seinen guten Freund Anton zu treffen. Andererseits wollte er Magdalena und Jakub nicht alleine in Prag zurücklassen. Seine Gemahlin hatte ihm gutzugeredet, die Reise zu unternehmen und ihm versichert, dass sie auch ein paar Tage ohne ihn zurechtkommen würde. Davon jedoch hatte Philipp nichts wissen wollen. Nachdem sie vor der Schlacht am Weißen Berg für fast eineinhalb Jahre getrennt gewesen waren, hatte er sich geschworen, sie nie wieder alleine zu lassen. Weil Magdalena die Reise nach Wien aus Rücksicht auf ihren Sohn nicht antreten wollte, war auch Philipp in Prag geblieben. Jetzt war er gespannt, was ihm sein Herr zu berichten hatte und wie lange er sich dieses Mal in der Stadt aufhalten würde.

Ohnehin gab es so viel Arbeit für den Gutsverwalter, dass er sich eine längere Abwesenheit nicht erlauben konnte. Sehr zum Ärger des Prager Adels hatte von Wallenstein mehr als fünfundzwanzig Häuser vor der Prager Burg erworben. Philipp hatte den Auftrag, deren Abriss zu überwachen und dafür zu sorgen, dass Platz für einen Palast gewonnen wurde, den Wallenstein hier errichten wollte. Am Rande des Geländes blieben lediglich so viele Gebäude stehen, dass von Wallenstein und seine Dienerschaft vorläufig untergebracht werden konnten. Das prächtigste Haus hatte sich der Kommandant für seine eigenen Zwecke herrichten lassen. Es stand die meiste Zeit leer.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte Magdalena, die den Raum unbemerkt betreten hatte und Philipp jetzt von hinten umarmte. »Wallenstein wird zufrieden sein.«

»Er stellt sehr hohe Ansprüche«, entgegnete Philipp, der dem kommenden Tag mit gemischten Gefühlen entgegensah. Er wusste, dass sein Herr stets versuchte, sich gegenüber seinen Bediensteten gerecht zu verhalten, kannte aber auch seine Wutausbrüche, wenn etwas nicht in seinem Sinne geschah.

»Du hast dich gut um seine Belange gekümmert. Er wird keine Gründe zum Tadel finden.«

***

Am Tag von Wallensteins Einzug in Prag sah Philipp seinen Herren nur kurz und musste sein Gespräch mit ihm auf den nächsten Morgen verschieben. Die Menschen in der Stadt feierten den neu gekürten Oberbefehlshaber von Böhmen, aber vor allem Fürst von Liechtenstein, der jetzt das Amt des Vizekönigs innehatte. Philipp wusste, dass sein Herr viele Neider im Prager Adel hatte. Auch wenn alle vom Ausgang der Revolution profitiert hatten, war es vor allem von Wallenstein, der eine große Anzahl von Gütern gewann.

Als Albrecht von Wallenstein sein Anwesen betreten hatte, war er sichtlich müde von den Ereignissen der letzten Wochen gewesen. Nach einer kargen Mahlzeit genehmigte er sich ein Bad und zog sich dann in seine Gemächer zurück. Am folgenden Tag saß er gemeinsam mit seinem Gutsverwalter in dessen Schreibzimmer. Zunächst hatte Philipp seinem Herren von dem Fortgang der Abrissarbeiten und allen weiteren wichtigen Geschäften berichtet, danach dann von ihm erfahren, was sich in Wien zugetragen hatte.

Philipps Interesse weckte vor allem das neu vergebene Münzkonsortium, das die Verantwortlichen auf Kosten des Volkes noch reicher machen würde. Wurden bisher aus einer Mark Silber, die ein Gewicht von etwa 230 Gramm hatte, neunzehn Gulden geschlagen, so sollten es jetzt nach den Plänen des Niederländers Hans de Witte und des kaiserlichen Hofbankiers Jacob Bassevi neunundsiebzig Stück werden.

»Werden wir jetzt alles Silber einsammeln, damit es eingeschmolzen und zu Münzen verarbeitet werden kann?«, fragte Philipp neugierig. Der Wert des Silbers würde ansteigen, je weniger davon in die Gulden eingearbeitet wurde.

»Nur einen Teil«, erklärte Wallenstein, der an diesem Morgen sehr gute Laune zu haben schien und Philipp wissend anlächelte. »Das überlassen wir de Witte und Bassevi.«

»Wäre dies nicht eine Möglichkeit, Euren Reichtum zu vergrößern?« Philipp war überrascht, dass sich sein Herr diese Verdienstmöglichkeit entgehen lassen wollte.

»Du scheinst nicht zu verstehen, worum es mir geht«, antwortete von Wallenstein noch immer lächelnd.

»Wollt Ihr es mir erklären?«

»Es geht mir nicht um Geld. Das ging es nie. Wirklicher Reichtum besteht aus Ländereien. Und dem Volk, welches das Land bewirtschaftet.«

»Ihr besitzt schon eine Menge Land.«

»Ich habe es als Pfand. Aber es gehört mir nicht. Noch nicht. Deshalb werde ich meinen Reichtum vergrößern, indem ich das Land und die Güter darauf kaufe.«

»Wäre es aber nicht dann erst recht sinnvoll, so viel Silber wie möglich einschmelzen zu lassen?« Philipp sah seinen Herren fragend an. Er verstand nicht, wie er seine weitreichenden Pläne finanzieren wollte. Immerhin würde auch der Bau des Palastes in Prag Unmengen an Geld verschlingen.

»Ich werde das Geld bei de Witte leihen. Wenn der Niederländer damit beginnt, Unmengen an Münzen prägen zu lassen, wird er mir Darlehen in jeder Höhe gewähren. Und das so günstig, wie es noch niemals möglich gewesen ist.«

»Müsst ihr das Geld nicht irgendwann zurückzahlen?«

»Das wird der Kaiser tun.«

»Warum sollte er?«

Albrecht von Wallenstein begann, schallend zu lachen. »Das erkläre ich dir, wenn es so weit ist.«

Es war das erste Mal überhaupt, dass Philipp ihn in derart guter Stimmung erlebte. Auch wenn er nicht verstand, welche Pläne sein Herr verfolgte, so schien der doch sehr davon überzeugt zu sein, dass alles genau so ablief, wie er es wollte.

»Noch verwalte ich Friedland lediglich. Schon bald wird es aber mir gehören«, erklärte Wallenstein mit fester Stimme.

Philipp zweifelte keine Sekunde daran, dass es genau so kommen würde.

»Wo Ihr gerade über Friedland sprecht«, leitete Philipp zum Thema über, das ihm schon lange auf der Seele brannte. »Habt Ihr über meinen Wunsch nachgedacht, mich zur Verwaltung der Güter dorthin zu schicken?«

»Ja, das habe ich«, sagte von Wallenstein und sah seinen Gutsverwalter ernst an. »Leider kann ich dir diesen Wunsch nicht erfüllen. Schon gar nicht jetzt, wo ich Oberbefehlshaber von Böhmen geworden bin. Solange mein Amtssitz hier in Prag ist, brauche ich deine Dienste hier.«

»Einen Verwalter für Friedland benötigt Ihr aber auch.« Philipp wollte die gute Stimmung seines Herrn ausnutzen. Normalerweise hätte er es nie gewagt, ihm zu widersprechen. Wenn es aber jetzt bei Wallensteins Nein blieb, würde Philipp ihn nicht so schnell wieder auf seinen Wunsch ansprechen können. Er wusste, dass sich Magdalena in Prag nie heimisch fühlen würde. Zu viel war in den letzten Jahren geschehen. In Friedland konnten sie glücklich werden.

»So sehr ich deinen Wunsch verstehe, ich kann ihn dir nicht erfüllen. Du bist mir hier in Prag eine sehr große Hilfe und leistest hervorragende Arbeit. Du kennst die wichtigsten Menschen der Stadt und weißt auch dann, was zu tun ist, wenn ich für längere Zeit fort bin. Ich brauche dich hier.«

Auch wenn Philipp mit genau dieser Antwort gerechnet hatte, war er doch enttäuscht. Er wollte alles dafür tun, dass sein Weib glücklich war. Er wäre sogar bereit gewesen, mit ihr aufs Land zu gehen und auf einem Gehöft zu arbeiten. Das aber wollte Magdalena nicht. Philipp wurde für seine Dienste reichlich belohnt. Irgendwann würde er genug Geld haben, um Prag endgültig den Rücken zuzukehren.

Von Wallenstein gab Philipp nun noch Anweisungen, welche Silbervorräte er für die Münzprägestelle bereitstellen sollte. Schließlich wurde ihr Gespräch von einem Bellen unter dem Fenster unterbrochen.

»War das ein Hund?«, fragte von Wallenstein und sah Philipp zornig an.

»Ich werde sofort nachsehen.« Der Gutsverwalter stand auf und ging nach draußen. Er würde dafür sorgen, dass derjenige, der das Tier auf das Gut gelassen hatte, seine Strafe dafür erhielt. Tat er das nicht, würde sich von Wallenstein den Mann persönlich vornehmen, was für den dann wesentlich unangenehmer ausfallen konnte.

Der tolle Halberstädter. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges

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