Читать книгу Der tolle Halberstädter. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges - Jörg Olbrich - Страница 17
ОглавлениеAmöneburg, 22. November 1621
»Ihr werdet das Schloss nicht einnehmen können«, sagte Johann Dietrich von Rosenbach selbstbewusst.
»Das haben schon andere behauptet und diesen Fehler bitter bereut. Welche Summe bietet Ihr mir an, damit ich Eure Stadt verschone?« Herzog Christian von Braunschweig ließ sich von der zur Schau gestellten Sicherheit des Amtmannes nicht beeindrucken. Er war sich sicher, dass von Rosenbach die Hosen voll hatte und lediglich versuchen wollte, selbst mit heiler Haut davonzukommen.
»Nicht einen Taler. Ihr habt Euch bereits jetzt viel mehr genommen, als Euch zusteht. Vergesst nicht, dass Amöneburg zum Bistum Mainz gehört. Der Bischof wird Euch nicht länger in seinem Reich plündern lassen!«
»Was will der Bettschiffer dagegen unternehmen?«
»Habt Ihr so wenig Ehre im Leibe, dass Euch nicht einmal Euer Bischof heilig ist?«, fragte von Rosenbach aufgebracht.
»Er ist nicht mein Bischof. Wie ihr sicherlich wisst, gehöre ich dem protestantischen Glauben an, auch wenn unsere Pfaffen genauso erbärmlich sind wie Eure.«
Nachdem Christian vor vier Tagen aufgetaucht war und seine Truppen in den umliegenden Dörfern einquartiert hatte, blieb von Rosenbach nun nichts anders übrig, als mit dem Feldherrn zu sprechen, um eine Belagerung seiner Stadt zu vermeiden. Daher hatte er eingewilligt, mit Christian vor den Mauern des Schlosses über eine friedliche Lösung zu verhandeln.
»Was verlangt Ihr?«, fragte von Rosenbach, nachdem er die Fassung wiedergewonnen hatte. Sicher hatte er es bisher noch nicht oft erlebt, dass ein Adeliger so mit ihm gesprochen hatte.
»Zahlt mir auf der Stelle dreißigtausend Reichstaler, und ich werde Euer Städtchen verschonen.« Christian spielte scheinbar gelangweilt mit den Zügeln seines Pferdes. Seine Augen zeigten aber unmissverständlich, dass er kein Stück von seiner Forderung abweichen würde.
»Das kann ich nicht«, antwortete der Amtmann entsetzt.
»Davon werden wir uns selbst überzeugen.«
Als wären die Worte ein Zeichen gewesen, waren plötzlich von der anderen Seite der Mauer wütende Schreie zu hören. Es folgten das Klirren von sich kreuzenden Schwertern und Musketenschüsse.
»Ihr habt mich hintergangen!«, schrie von Rosenbach Christian an, doch der lachte ihm ins Gesicht.
»Wir üben lediglich unser Kriegsrecht aus. Wie Ihr selbst richtigerweise sagtet, befinden wir uns auf dem Boden des Mainzer Bistums. Und der Bischof ist unser Feind.«
»Unter diesen Umständen sind wir bereit, die dreißigtausend Reichstaler zu zahlen«, erklärte von Rosenbach mit stockender Stimme.
»Dafür ist es jetzt zu spät. Ihr hättet gleich auf meine Forderung eingehen sollen.«
Im gleichen Moment öffneten sich hinter den beiden Männern die Tore. Christian nahm ein Horn hervor und blies ein Signal. Dem Amtmann stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben, als die Truppen des Herzogs von Braunschweig den Berg heraufgerannt kamen und in die Stadt stürmten.
»Euer Leben werden wir vielleicht verschonen«, sagte Christian lachend. »Ihr habt zwei Stunden Zeit, die Stadt zu verlassen.« Der Herzog freute sich diebisch, dass sein Plan aufgegangen war. Er hatte eine Gruppe von zwölf Männer ausgeschickt, die sich in die Stadt schleichen sollte, während er mit dem Amtmann verhandelte. Mit einem hatte von Rosenbach recht gehabt. Es wäre tatsächlich nicht einfach geworden, das auf einem Berg liegende und gut befestigte Schloss einzunehmen. Jetzt gehörte Amöneburg ihm, ohne dass er dabei auch nur einen Mann verloren hatte.
»Nehmt Euch alles Geld, das ihr finden könnt«, schrie Christian seinen Männern zu. »Wenn sich jemand wehrt, erschlagt ihn und verbrennt sein Haus.«
Christian nahm sein Pferd, das er während des Gesprächs mit von Rosenbach an einem Baum festgebunden hatte, und ritt nun ebenfalls in die Stadt. Sein Ziel war die Kirche. Er wusste, dass er dort die meisten Schätze vorfinden würde, und hatte nicht vor auch nur einen Krümel Gold an seinem Platz zu lassen.
***
»Ihr wisst, dass Ihr die katholische Liga zu Eurem erbittertsten Feind macht?«, fragte Oberstleutnant Hermann Otto Graf zu Limburg-Stirum seinen Heerführer und schaute ihn skeptisch an.
»Das habe ich bereits in dem Moment getan, als ich in Westfalen den ersten Söldner angeworben habe«, sagte Christian und winkte ab.
»Das Bistum Mainz war bisher kein Kriegsgebiet. Ihr habt es jetzt dazu gemacht. Das wird der Bischof sich nicht gefallen lassen.«
»Und wenn schon. Er ist Mitglied der katholischen Liga und damit selbst in den Krieg eingetreten.«
»Dennoch sollten wir sein Gebiet schonen, soweit es möglich ist. Schließlich ist es unser Ziel, die Pfalz zu befreien und nicht Hessen.«
»Nein. Wir brauchen jeden Taler, den wir bekommen können. Wenn wir die Söldner nicht bezahlen, haben wir bald kein Heer mehr, mit dem wir in die Pfalz ziehen können. Das Volk muss uns fürchten, dann wird es auch gehorchen.«
Christian saß mit seinem Oberstleutnant im hessisch-kasselschen Standlager in Kirchhain, um die weiteren Schritte vorzubereiten. Landgraf Moritz hatte den Herzog aus Braunschweig mit seinem Tross gerne aufgenommen und unterstützte ihn mit Unterkunft für seine Soldaten, Verpflegung und Geld. Es war ihm mehr als recht, dass Christian weiter durch Hessen zog und damit seinem verhassten Vetter Ludwig V. von Hessen-Darmstadt schadete. Auch die Plünderungen im Bistum Mainz fanden das Wohlwollen des Landgrafen.
Nach der Einnahme Amöneburgs hatte Christian seine Späher zur Aufklärung nach Marburg, Gießen und bis nach Oberkleen geschickt. In den umliegenden Dörfern sollten die Bauern aufgefordert werden, eine Zahlung in Höhe von eintausendfünfhundert Reichstalern zu leisten. Der Herzog war fest entschlossen, jeden Ort niederbrennen zu lassen, der sich weigerte, diesen Tribut zu zollen.
Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, hatte Christian Brandbriefe anfertigen lassen, die an allen Ecken angesengt waren. In der Mitte befand sich ein Loch mit der Umschrift Feuer, Feuer, Blut, Blut. Nachdem die ersten Dörfer in Flammen aufgegangen waren, wuchs die Bereitschaft zur Zahlung in den anderen Orten deutlich an.
»Bleibt es bei dem Plan, weiter nach Süden in die Unterpfalz zu ziehen?«, fragte Hermann Otto.
»Unsere nächsten Ziele sind Gießen und Buseck. Wenn das Wetter schlechter wird, schlagen wir unser Winterquartier auf und werben weitere Truppen an. Spätestens im Frühjahr schließen wir uns mit Mansfeld zusammen. Dann erobern wir die Pfalz für unsere Königin zurück!«