Читать книгу Alte Hausmärchen - Humorvoll, spannend und zeitgemäß für Erwachsene neu erzählt, Band 1 - Jörn Kolder - Страница 11

Dem Mordanschlag entgangen

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Richard Franke hatte den Türsteher beeindruckt, der schien zu überlegen, welchen Wettbewerb er jetzt mit ihm austragen sollte. Plötzlich hatte er eine Idee.

Der Riese nahm den Stamm auf die Schulter, der Schneider aber setzte sich auf einen Ast, und der Riese, der sich nicht umsehen konnte, musste den ganzen Baum und das Schneiderlein noch obendrein forttragen. Es war da hinten ganz lustig und guter Dinge, pfiff das Liedchen “es ritten drei Schneider zum Tore hinaus,” als wär das Baumtragen ein Kinderspiel. Der Riese, nachdem er ein Stück Wegs die schwere Last fortgeschleppt hatte, konnte nicht weiter und rief: “Hör, ich muss den Baum fallen lassen.”

Der Schneider sprang behendiglich herab, fasste den Baum mit beiden Armen, als wenn er ihn getragen hätte, und sprach zum Riesen: “Du bist ein so grosser Kerl und kannst den Baum nicht einmal tragen.” (13)

„Siehst du die Eisenbank da drüben, die trage ich jetzt bis an die Straßenecke dort, du wirst das ja wohl kaum schaffen“ sagte er grinsend.

„Na los, fang’ an“ erwiderte Richard.

Der andere Mann hatte eine ganz besondere Tragetechnik, er griff mit den Händen nach hinten und zog sich die Bank auf den Rücken, die Lehne war so an seinem Rücken und die Sitzfläche zeigte nach hinten. Richard lief ihm hinterher, der andere begann schneller zu atmen und der Schneider setzte sich jetzt noch zusätzlich auf die Bank, so dass das Gewicht, das der andere zu bewältigen hatte, nochmals anwuchs und er jetzt keuchend Luft holte. Die Straßenecke kam näher und offensichtlich wollte der Türsteher es unbedingt bis dahin schaffen, aber kurz davor merkte Richard, dass der Mann die Bank absetzen wollte und sprang von dieser herunter. Dann griff selbst danach und als der andere sie herunterließ tat er so, als ob er sie getragen hätte, der erschöpfte Mann sah ihn mit großen Augen an.

„Na, und jetzt“ fragte ihn Richard lässig.

„Kannst rein, hätte ich dir nie zugetraut“ erwiderte der andere nur verstört.

Im „Rudi’s“ ging Richard Franke zielstrebig in den „Dancefloor“ und fieberte dem Auftritt von Victoria Bustier an der Stange entgegen. Gut gelaunt trank er einige Cocktails die ihm schnell in den Kopf stiegen und Hemmungen abbauten. Im Club drückten sich auch einige kräftig gebaute Kerle rum, die sich offensichtlich auch an den üppigen Formen der Table Tänzerin erfreuen wollten. Einer schien der Freund von ihr zu sein, denn bevor sie die Bühne erklomm trat die junge Frau an ihn heran und küsste ihn flüchtig. Als sie mit der Aufführung begann wollte der schon etwas benebelte Richard nach ihr greifen, was der Freund der Tänzerin gar nicht gern sah und ihn sich vornahm.

„Pfoten weg, das ist meine Frau“ knurrte er ihn an.

„Aber ich habe bezahlt, da kann ich mir das erlauben“ erwiderte Richard (durch den Alkohol enthemmt) aggressiv.

„Ich behalte dich im Auge“ sagte der andere drohend und Richard nahm noch einen Cocktail, vor seinen Augen drehte sich schon alles aber er trank unbeeindruckt weiter und dann schwand seine Erinnerung.

Als sie in der Höhle anlangten, sassen da noch andere Riesen beim Feuer, und jeder hatte ein gebratenes Schaf in der Hand und ass davon.

Das Schneiderlein sah sich um und dachte: “Es ist doch hier viel weitläufiger als in meiner Werkstatt.” Der Riese wies ihm ein Bett an und sagte, er sollte sich hineinlegen und ausschlafen. Dem Schneiderlein war aber das Bett zu gross, er legte sich nicht hinein, sondern kroch in eine Ecke.

Als es Mitternacht war und der Riese meinte, das Schneiderlein läge in tiefem Schlafe, so stand er auf, nahm eine grosse Eisenstange und schlug das Bett mit einem Schlag durch, und meinte, er hätte dem Grashüpfer den Garaus gemacht. (14)

Als er wach wurde lag er unter fahlem Licht und einer Decke auf einem muffigen Sofa und hörte Stimmengemurmel.

„Beherrsche dich doch bitte Wilfried“ hörte er eine verzweifelte Stimme „du kannst dem Typen doch nicht den Schädel einschlagen!“

„Klar kann ich das, der hat meine Kirsche ganz übel angemacht und ihr an die Titten gegriffen, jetzt kriegt er die Quittung dafür“ wütete ein anderer.

„Leg’ die Eisenstange weg“ rief ein dritter panisch und vor Schreck rollte Richard ungesehen vom Sofa herunter. Eine Sekunde, bevor das Möbelstück unter einem mächtigen Hieb erzitterte, schlug er auf dem Boden auf, er schrie in Todesangst auf und hörte wie die anderen wegrannten und einer laut „Verdammte Scheiße, du bist doch verrückt, du hast ihn umgebracht, nichts wie weg hier“ brüllte.

Noch von Alkohol benommen wankte Richard Franke nach Hause und fiel ins Bett, als er am Morgen mit einem üblen Kater aufwachte konnte er sich nur schwach an den vorausgegangenen Abend erinnern, allerdings war ihm die Szene mit den Männern sehr gut im Gedächtnis geblieben. Er hatte die Typen ein paar Mal in dem Park der Stadt gesehen wo sie herum hingen und Bier tranken. Er beschloss zu ermitteln, ob sie sich heute wieder dort aufhielten. Als es dunkel wurde schlich er zu ihrem Treffpunkt und sah einige Gestalten an dieser Stelle, vorsichtig näher kommend lauschte er ihrer Unterhaltung.

„Geh’ zur Polizei und sage es war Notwehr“ sprach einer.

„Beseitige seine Leiche“ schlug ein anderer vor.

„Ich kann nicht mehr“ heulte einer und Richard erkannte die Stimme des Freundes von Victoria Bustier wieder „ich verschwinde für immer im Knast, was soll ich bloß tun“ fragte er noch verzweifelt.

„Genau das, was ich will“ sagte Richard und trat (hinter dem Gebüsch hervor kommend) an ihn heran, dieser blieb schockstarr stehen während die anderen schreiend davon liefen.

„Jetzt hör mir mal genau zu“ sagte er drohend „erstens: Victoria Bustier gehört ab jetzt mir, zweitens: du zahlst mir ein monatliches Schweigegeld von 500 Euro und drittens stehst du zur Verfügung, wenn ich Hilfe brauche, verstanden?“

„Ja, ich tue alles was du willst, aber ich kann nicht so viel Geld auftreiben, mich erpressen zwei Typen aus einer anderen Clique. Ich zahle dir 600 im Monat aber mach‘ sie fertig, ich werde dir ewig dankbar sein und in Treue zu dir stehen“ barmte der ehemalige Freund von Victoria Bustier heulend.

„Ich überlege es mir“ sagte Richard gönnerhaft „komme morgen Abend in meine Werkstatt.“

Alte Hausmärchen - Humorvoll, spannend und zeitgemäß für Erwachsene neu erzählt, Band 1

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