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Das Schlachtfest

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Über ein Weilchen erblickte er beide Riesen: sie lagen unter einem Baume und schliefen und schnarchten dabei, dass sich die Äste auf- und niederbogen. Der Gewerbetreibende, nicht faul, las beide Taschen voll Steine und stieg damit auf den Baum. Als es in der Mitte war, rutschte es auf einen Ast, bis es gerade über die Schläfer zu sitzen kam, und liess dem einen Riesen einen Stein nach dem andern auf die Brust fallen. Der Riese spürte lange nichts, doch endlich wachte er auf, stiess seinen Gesellen an und sprach: “Was schlägst du mich?”

“Du träumst,” sagte der andere, “ich schlage dich nicht.” Sie legten sich wieder zum Schlaf, da warf der Gewerbetreibende auf den zweiten einen Stein herab.

“Was soll das?” rief der andere, “warum wirfst du mich?”

“Ich werfe dich nicht” antwortete der erste und brummte. Sie zankten sich eine Weile herum, doch weil sie müde waren, liessen sies gut sein, und die Augen fielen ihnen wieder zu. Der Gewerbetreibende fing sein Spiel von neuem an, suchte den dicksten Stein aus und warf ihn dem ersten Riesen mit aller Gewalt auf die Brust.

“Das ist zu arg!” schrie er, sprang wie ein Unsinniger auf und stiess seinen Gesellen wider den Baum, dass dieser zitterte.

Der andere zahlte mit gleicher Münze, und sie gerieten in solche Wut, dass sie Bäume ausrissen, aufeinander losschlugen, so lang, bis sie endlich beide zugleich tot auf die Erde fielen. (25)

Wilfried Mann saß vor Richard Franke und erzählte mit stockender Stimme. Der Schneider trug sein Shirt (welches die sieben niedergestreckten Gegner zeigte) und hörte aufmerksam zu.

„Ich weiß, es war dumm“ sagte Mann bedrückt „aber die ziehen mich seitdem furchtbar ab, 800 Euro jeden Monat, das ist ne Menge Kohle, aber was soll ich denn bloß machen“ fragte er hilflos.

„Da kannst du mal sehen wie blöd du eigentlich bist“ lachte Richard höhnisch „so was Idiotisches, den Stoff im „Rudi’s“ anzubieten, und dazu noch Kokain, du bist bescheuert.“

Wilfried Mann bat ihn mit Engelszungen seinen beiden Erpressern so einzuheizen, dass sie von ihm ablassen würden. Richard Franke zeigte auf sein Shirt (mit den sieben niedergestreckten Gegnern) und sagte es ihm zu, als der andere verschwand wusste er, was er tun würde.

Martin Drechsler und Sven Knappe waren als üble Stänkerer stadtbekannt. Die beiden riesigen Männer (sie maßen über 2 Meter 20) arbeiteten im Stahlwerk, trainierten noch zusätzlich im Fitnessstudio und tyrannisierten das gesamte öffentliche Leben in dem Ort, denn niemand wagte es (wegen ihrer gewaltigen Kräfte) sich mit ihnen anzulegen, nicht einmal die Polizei, die bei Problemen mit ihnen geflissentlich wegsah. Alle wussten, dass sie noch zusätzlich krummen Geschäften nachgingen und ihren teuren Lebenswandel zudem durch Erpressungen jeglicher Art finanzierten, aber niemand schritt ein, und alle hätten es liebend gern gesehen, wenn sie spurlos verschwinden oder einem Unfall erliegen würden. Mit dem ergaunerten Geld konnten sie sich eine elegante Eigentumswohnung leisten die im obersten Geschoß eines nur zweistöckigen Hauses lag und mehr als 200 Quadratmeter maß. Das Schlafzimmer verfügte über ein Dachfenster, welches wegen der drückenden Hitze die meiste Zeit offen blieb; wer sollte schon dorthinauf kommen.

Die beiden Männer hatten auf ihrer Kneipentour ordentlich gebechert, Schutzgelder kassiert und waren demzufolge bester Laune, so dass sie zu Hause weiter tranken. Ihre Betten standen in dem geräumigen Schlafzimmer in einem Abstand von gut zwei Metern voneinander, denn falls es dennoch jemand wagen sollte sie zu überfallen wollten sie mit geballter Kraft zuschlagen. Beide waren zwar von äußerst schlichter Wesensart (aber gerissen) und auch ihre Kommunikation bewegte sich auf einem denkbar unqualifizierten Niveau. Lautstark teilte Martin Drechsler jetzt Sven Knappe mit, dass bald grunzen würde weil er zu viel gesoffen hätte und Sven Knappe erwiderte darauf, dass Martin Drechsler sich wohl bald die letzte Gehirnwindung weg gepichelt hätte, es ging noch etwas hin und her und dann schliefen sie ein.

Wilfried Mann hatte eine lange Leiter an das Haus gelehnt, so dass Richard Franke bis auf das Dach klettern konnte und sich dort vorsichtig zum offenen Fenster bewegte, ein kleiner Beutel, der an seinem Gürtel hing, behinderte ihn nicht dabei. Wilfried Mann verschwand mit der Leiter im Dunkeln. Richard Franke griff in den Beutel, nahm einen mittelgroßen Stein heraus, zielte kurz und warf ihn Sven Knappe auf den Kopf, dieser zuckte kurz zusammen aber schlief weiter. Der nächste der ihn traf war größer und scharfkantiger, diesmal wurde er munter und rieb sich den Kopf. Da erwischte ihn ein dritter, der eine kleine Platzwunde verursachte.

„Sag’ mal, hast du sie noch alle, mich mit Steinen zu beschmeißen“ brüllte er.

Martin Drechsler erwachte und blickte ihn verwundert an, ein kleines Blutrinnsal lief Sven Knappes Gesicht herunter.

„Halts Maul“ sagte der verschlafen als ihn ebenfalls ein Stein an der Stirn traf, plötzlich war er putzmunter.

„Du hast doch den Arsch offen“ schrie er voller Wut „wer hat denn angefangen hier mit irgendwelchem Zeug zu schmeißen.“

Als ihn noch ein Stein (diesmal auf das Auge) traf war er mit einem Satz auf den Beinen und packte den anderen, der landete sofort einen Leberhaken, der Sven Knappe kurz auf die Bretter schickte aber wie eine Katze war er gleich wieder auf den Beinen, um auf seinem Widersacher einzudreschen, der plötzlich ein Messer zog. Die beiden standen sich schwer atmend gegenüber, jetzt zückte auch Sven Knappe seine Klinge und sie gingen so bewaffnet wieder aufeinander los.

Die spätere Obduktion zeigte, dass die Leber und Milz von Martin Drechsler von Messerstichen zerrissen worden war und die überall sichtbaren Blutspritzer an den Wänden stammten von Sven Knappe, dem sein Gegner die Kehle durchgeschnitten hatte. Dass beide noch eine Vielzahl von üblen und tiefen Stich- und Schnittwunden erlitten hatten spielte da keine Rolle mehr. Die Polizei stellte auch noch zweifelsfrei fest, dass kein Dritter an diesem Drama beteiligt gewesen war, die Stadt atmete hörbar auf. Da Richard Franke nun noch zusätzlich zu seinen Einnahmen aus der „Schneider Manufactur“ eine üppige monatliche Zahlung von Wilfried Mann erhielt mietete er die jetzt freie Wohnung kurzerhand an.

Alte Hausmärchen - Humorvoll, spannend und zeitgemäß für Erwachsene neu erzählt, Band 1

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